Das Fallbeil, unter dem die Geschwister Scholl starben, ist nicht etwa verschwunden. Es steht wahrscheinlich seit 40 Jahren in einem Münchner Museumsdepot. Nur einmal war es öffentlich zu sehen - für eine Karl Valentin-Ausstellung.

Das Fallbeil, unter dem die Geschwister Scholl starben, ist nicht etwa verschwunden. Es steht wahrscheinlich seit 40 Jahren in einem Münchner Museumsdepot. Nur einmal war es öffentlich zu sehen - für eine Karl Valentin-Ausstellung.

 

München - „Es lebe die Freiheit!“ Das war der letzte Satz von Hans Scholl, bevor er seinen Kopf unter das Fallbeil legen musste und von den Nationalsozialisten hingerichtet wurde. Seine jüngere Schwester Sophie war da schon tot. Die Guillotine, die das Leben der Geschwister und ihres „Weiße Rose“-Mitstreiters Christoph Probst am 22. Februar 1943 in der Münchner Justizvollzugsanstalt Stadelheim beendete, galt jahrelang als verschwunden. Doch nach neuesten Erkenntnissen, über die zuerst der Bayerische Rundfunk berichtete, lagerte sie jahrzehntelang im Depot des Bayerischen Nationalmuseums.

Das liegt unweit der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU), an der die Geschwister Scholl ihre Widerstands-Flugblätter verteilten. Bayerns Kunstminister Ludwig Spaenle (CSU), für die staatlichen Museen zuständig, zeigt sich überrascht und spricht von einem „singulären Fund“ von großer historischer Bedeutung.

Der „Weiße Rose“-Experte Ulrich Chaussy, der im vergangenen Jahr ein Buch über die Widerstandsbewegung herausbrachte und Regisseur Marc Rothemund für dessen Film „Sophie Scholl - Die letzten Tage“ beriet, kann kaum glauben, was da seit Jahrzehnten im Museumsdepot lagern soll. „Ich habe recherchiert, aber nie herausgefunden, wo die Guillotine abgeblieben ist“, sagt er. „Ich habe nie eine Spur gefunden - man konnte sich alles vorstellen.“ Auch die Weiße Rose Stiftung, die das Andenken an die jungen Widerstandskämpfer bewahrt, hatte nach Angaben einer Sprecherin keine Ahnung.

Im Bayerischen Nationalmuseum selbst war die Geschichte der Guillotine aber wohl ein offenes Geheimnis. Gerüchte habe es seit Jahren gegeben, sagt der Referent für Volkskunde, Sybe Wartena. Als er vor anderthalb Jahren seine Arbeit im Museum aufnahm, habe er sich dann schnell daran gesetzt, den Informationen des Flurfunks nachzugehen. „Wir sind uns jetzt ziemlich sicher, dass es sich um das Fallbeil handelt, mit dem Hans und Sophie Scholl umgebracht wurden“, sagt er.

Soviel ist ganz sicher: Im Jahr 1974 übergab das bayerische Justizministerium die Guillotine - gemeinsam mit anderen Fallbeil-Teilen - an das Nationalmuseum. „Abgabe entbehrlicher Vermögensgegenstände“ hieß das damals. Dafür, dass es sich um eben jene Guillotine handelt, mit der die Geschwister Scholl von den Nazis ermordet wurden, spricht nach Ansicht Wartenas, dass sie umgebaut wurde - genau so wie eben jene Stadelheimer Guillotine. Der letzte bayerische Henker, Johann Reichart, baute diese Guillotine wohl als einzige um. „100-prozentige Sicherheit haben wir noch nicht“, sagt Wartena. „Aber es spricht alles dafür.“

Das Nationalmuseum will die Guillotine ausstellen

Der Kunsthistoriker geht davon aus, dass die Guillotine im Jahr 1945 - zusammen mit 45 Gefangenen - von Stadelheim nach Straubing gebracht wurde. „Man sagte, sie sei dort in der Donau versenkt worden“, erklärt Wartena. Augenzeugen hätten das aber bestritten. Und gefunden wurde sie nie. Wahrscheinlich sei das Fallbeil stattdessen von Straubing in die übergeordnete JVA Regensburg gebracht worden und dort geblieben, bis sich das Justizministerium der bayerischen Guillotinen entledigte - und sie ins Museumsdepot steckte.

„Das bayerische Justizministerium stand als Rechtsnachfolger nach der Gründung des Freistaats natürlich beschämt da, wenn es solche Instrumente des Terrors erbt“, sagt Chaussy. „Das dann in irgendein Museumsdepot zu stellen, ist Teil einer Vergangenheitspolitik, die nicht so gerne darüber redet.“

Nun zeichnet sich eine Debatte über den Umgang mit der Tötungsmaschine ab. Das Nationalmuseum will die Guillotine ausstellen. Er sei mit dem Haus der Bayerischen Geschichte in Kontakt, sagt Wartena. Der zuständige Minister Spaenle hält von der Idee überhaupt nichts: „Dieses Fallbeil ist ein Fund von singulärer Bedeutung für die deutsche Geschichte. Es ist kein Exponat, das beliebig in einer Ausstellung zu sehen sein sollte.“

Einmal, so sagt Wartena, sei das Fallbeil allerdings schon öffentlich ausgestellt worden - ausgerechnet für eine Schau über den berühmten Humoristen Karl Valentin im Münchner Stadtmuseum. Gezeigt wurde das Tötungsinstrument damals gemeinsam mit Stoffpuppen.