Im Bahn-Aufsichtsrat gibt es keine Stimme, die den Abbruch der Bauarbeiten in Stuttgart fordert. Dennoch legt die Bahn-Spitze den Kontrolleuren die Kosten dar.

An diesem Freitag berät der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG erneut über das Bahnprojekt Stuttgart 21. Dabei soll der Kostenrahmen von bisher 8,2 auf voraussichtlich rund 9,6 Milliarden Euro geweitet werden. Für den „unwahrscheinlichen Fall einer Verschiebung“ der Inbetriebnahme von Ende 2025 auf Ende 2026 werden dem Kontrollgremium in den Unterlagen weitere 400 Millionen Kosten genannt, gleichzeitig listen Gutachter eine Reihe Bauprobleme auf.

 

Das Bahnprojekt würde dann zehn Milliarden Euro erreichen, von denen die Bahn AG 4,9 Milliarden bereitstellen muss. Dem Aufsichtsrat wird auch dargestellt, was ein Ausstieg für den Staatskonzern bedeuten würde. Dann müssten 3,4 Milliarden Euro Baukostenzuschüsse zurückgezahlt werden, außerdem schlüge die Rückabwicklung von Immobiliengeschäften mit 1,3 Milliarden zu Buche. Insgesamt berechnet die DB-Spitze in den Unterlagen sechs Milliarden Euro Ausstiegskosten.

Ein solches Szenario war vom Aufsichtsrat nicht erwogen worden. Der Vorstand nennt den Weiterbau gegenüber dem Ausstieg „weiterhin vorteilhaft“. Der Vorteil ist relativ, er liegt in der Schadensbegrenzung. DB-Chef Richard Lutz hatte vor Jahren im Verkehrsausschuss des Bundestags eingeräumt, dass S 21 für die DB nicht mehr wirtschaftlich sei.

VCE warnt: S 21 werde „neuer Engpass“

Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) sieht nicht nur wirtschaftliche Nachteile für die Bahn, sondern auch verkehrliche. S 21 schaffe einen „neuen Engpass im süddeutschen Eisenbahnnetz, zu dessen Beseitigung im Rahmen des Deutschlandtaktes nochmals mehrere Milliarden Euro für zusätzliche Tunnelstrecken im Norden und Süden Stuttgarts benötigt werden“, stellt VCD-Landesvorsitzender Matthias Lieb fest. Man habe früh die „geschönten Kostenkalkulationen und den Kannibalisierungseffekt für das übrige Eisenbahnnetz beklagt“, so Lieb. Zum Ausgleich der Verluste durch Stuttgart 21 müsse der Bund regelmäßig das Eigenkapital der Bahn erhöhen.

Als „nicht akzeptabel, weil vermeidbar“, bezeichnet der VCD die geplante langjährige Unterbrechung der Verbindung zum Bodensee und in die Schweiz über die Gäubahn. Den für Ende April angekündigten Rückzug des DB-Infrastrukturvorstandes Ronald Pofalla solle die Bundesregierung zum Anlass für eine „Redimensionierung“ von S 21 nehmen. Stuttgart brauche einen leistungsfähigen Eisenbahnknoten, „im Zweifel mit Gleisen oben und unten“, so der VCD.