Der Dauerstreit um den fünftägigen Weiterbildungsurlaub in Baden-Württemberg geht in eine neue Runde: Die SPD wirft dem CDU-geführten Wirtschaftsministerium vor, kein Interesse an einer ernsthaften Überprüfung zu haben – weil die Ergebnisse schon feststünden.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Das vor genau drei Jahren in Kraft getretene Bildungszeitgesetz steht auf dem Prüfstand – seit Monaten läuft die Evaluierung durch das CDU-geführte Wirtschaftsministerium. Aus SPD-Sicht „wird immer deutlicher, dass das Ergebnis eigentlich schon feststeht“, sagte ihr bildungspolitischer Sprecher Stefan Fulst-Blei. „Grün-Schwarz will das Bildungszeitgesetz plattmachen.“ Anlass ist ein Antrag der SPD-Fraktion an das Ministerium, dessen Antworten unserer Zeitung vorliegen.

 

Nach dem noch von Grün-Rot auf den Weg gebrachten Gesetz haben die meisten Arbeitnehmer im Land einen Anspruch darauf, sich zur Weiterbildung an bis zu fünf Tagen pro Jahr vom Arbeitgeber freistellen zu lassen. Der Lohn wird weiter gezahlt. Insbesondere der Druck der Arbeitgeberverbände hatte die Evaluation ausgelöst.

Dafür hatte Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut das Nürnberger Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb) ausgewählt – einen Ableger der bayerischen Wirtschaft. Das „renommierte Institut“ habe „immer wieder mit Gewerkschaften zusammengearbeitet“, so das Ministerium – Verdi sei im Beirat vertreten.

DGB hält Fragebögen für „manipulativ“

Ende Februar hat f-bb jeweils zehn bis 28 Fragebögen an 724 von mittlerweile 771 anerkannten Bildungsträgern ausgesandt, um die Weiterbildungsangebote von Teilnehmern bewerten zu lassen. Der Gewerkschaftsbund (DGB) hält die Fragen für „manipulativ, unvollständig und fragwürdig“, weshalb er Mitte März mit anderen Verbänden aus der Evaluation ausgestiegen ist.

Damals hätte Grün-Schwarz den Prozess stoppen müssen, sagt SPD-Fraktionsvize Fulst-Blei. Denn „die Vorwürfe stehen nach wie vor im Raum und können von der Regierung nicht ausgeräumt werden“. Bis Ende April seien „gerade einmal 233 Fragebögen zurückgekommen“. Dies sei „nicht einmal ansatzweise repräsentativ“. Zwischenzeitlich wurde der kurze Erhebungszeitraum bis Ende Mai verlängert, und es „liegen ausgefüllte Fragebögen von knapp über 500 Anspruchsberechtigten vor“, wie das Ministerium auf Anfrage mitteilte. Dennoch rügt Fulst-Blei, dass „Grün-Schwarz kein Interesse an validen Zahlen hat“, wenn es sich auf die Befragung stütze. Vielmehr stehe das Resultat praktisch fest.

„Beteiligung der Verbände ist reine Augenwischerei“

Nach einer Abfrage des zuständigen Regierungspräsidiums Karlsruhe unter den Trägern haben im Vorjahr 69 Prozent aller Teilnehmer eine berufliche Weiterbildung besucht, 21 Prozent eine politische Weiterbildung und zehn Prozent eine Qualifizierung für das Ehrenamt – wobei die Träger nicht genau wissen, wer konkret Bildungszeit in Anspruch nimmt. Ausgerechnet bei der politischen Weiterbildung und Ehrenamtsqualifizierung „will die Regierung kürzen“, rügt Fulst-Blei. Die SPD verlangt stattdessen eine Informationskampagne für das Gesetz und eine „ordentliche Evaluation nach vier Jahren“. Bisher sei die Beteiligung der Verbände „reine Augenwischerei“ – der Volkshochschulverband habe sich aus guten Gründen überhaupt nicht beteiligt.

Das Ministerium begründet die Evaluation bereits nach zwei Jahren mit dem Hinweis, dass das Gesetz den Anforderungen der Digitalisierung gerecht werden müsse. Erinnert wird an diverse Gespräche mit dem DGB und anderen Verbänden.

Noch bis Juli laufen weitere Befragungen von Bildungsträgern, Personalverantwortlichen und Betriebsräten. Anfang 2019 soll der Prozess abgeschlossen sein – dann wird ein Strich gezogen und über eine Novellierung des Gesetzes beraten. Aus der grün-schwarzen Geheimabsprache zum Koalitionsvertrag wurde bekannt, das der volle Anspruch auf Freistellung bei betriebsbezogenen Fortbildungen erhalten bleiben soll – fehlt dieser Bezug, sollen bis zu zwei Tage mit den Freistellungen verrechnet werden.