Das Welcome Center am Charlottenplatz bringt Stuttgarter und Neubürger zusammen. 69 Tandems haben sich bisher gebildet. Sandra Stark zum Beispiel ist seit März die Patin von Umair Nasir. Die beiden verstehen sich blendend. Dabei war die Bildungsreferentin anfangs leicht skeptisch gewesen.

Stuttgart - Eigentlich hatte Sandra Stark jemand anderes im Sinn, als sie sich im März beim Willkommenszentrum als potenzielle Patin für einen ausländischen Neubürger meldete. Ihr schwebte eine indische Familie vor, der sie helfen wollte, sich in ihren ersten Monaten in Stuttgart zurecht zu finden. Stattdessen wurde der Bildungsreferentin, die selbst länger in Bangladesch und in Schweden gelebt hat, vom Welcome Center ein junger Mann aus Pakistan vorgeschlagen. Sie sei zunächst skeptisch gewesen, räumt die 30-Jährige ein. Besonders, als sie hörte, dass der Pakistani sich explizit eine Frau als Patin gewünscht habe. Doch sie gab sich einen Ruck – und hat gleich beim ersten Treffen gemerkt, dass ihre Bedenken unbegründet waren. Sie hätten sich von Anfang an sehr gut verstanden, erzählt Sandra Stark.

 

Das Patenschaftsprojekt gibt es erst seit Februar im Willkommenszentrum am Charlottenplatz. „Wir haben gemerkt, dass viele Neubürger Bedarf nach mehr haben“, erklärt Claudia Grimaldi aus der Abteilung Integration der Stadt. Das Prinzip: Stuttgarter helfen beim Ankommen. Sie begleiten die Migranten gegebenenfalls auf Ämter, üben mit ihnen Deutsch, helfen bei der Wohnungssuche oder unternehmen einfach nur gemeinsam etwas in Stuttgart.

69 Tandems gibt es bisher

Claudia Grimaldi sucht aus, welcher Pate welchen Neubürger betreut. Bisher hat sie da ein glückliches Händchen bewiesen. Sie schaut zum Beispiel auf Beruf und Interessen, um für möglichst viele Gemeinsamkeiten zu sorgen. Beispielsweise habe ein Arzt im Ruhestand zunächst einen griechischen Arzt und später einen kolumbianischen Arzt betreut. Eine Pianistin brachte sie mit einem Musikliebhaber zusammen.

75 Patinnen und Paten hat Claudia Grimaldi inzwischen in ihrer Kartei, 69 Tandems haben sich gebildet. Nur in rund fünf bis zehn Prozent der Fälle habe sich herausgestellt, dass die Chemie doch nicht stimmt, so Grimaldi.Die meisten der Paten seien Deutsche, die etwas zurückgeben wollten. Wie eben Sandra Stark, die in Bangladesch auf große Hilfsbereitschaft gestoßen ist. „Ich weiß, wie es ist, in einem neuen Land anzukommen“, sagt sie.

Aus der Patenschaft ist eine Freundschaft geworden

Umair Nasir ist allerdings ein bisschen ein Sonderfall, weil er kein frischgebackener Neubürger ist. Der Informatiker ist bereits seit fünf Jahren in Stuttgart, hat hier an der Universität Stuttgart studiert. Weil das Studium allerdings auf Englisch war und auch in seiner Firma nur Englisch gesprochen wird, war sein Deutsch im März noch sehr holprig. Er habe festgestellt, dass er nur wenig über die deutsche Kultur gelernt habe, beschreibt der 29-Jährige inzwischen in gutem Deutsch den Grund, wie er zu dem Projekt kam. „Ich kenne einige, die Paten haben – männliche und weibliche. Die Frauen haben sich immer mehr gekümmert“, erklärt er zudem, warum er sich eine weibliche Patin gewünscht hatte.

In seinem Fall sollte sich das bewahrheiten. Als er einmal im Zuge eines Jobwechsels kurzzeitig für zwei Wochen Probleme mit der Ausländerbehörde hatte, sei Sandra Stark für ihn da gewesen. „Ich habe ihn mental gestützt“, sagt sie. Aus der Patenschaft ist inzwischen eine Freundschaft auch mit der Familie von Sandra Stark entstanden. Erst kürzlich hat Umair Nasir für Sandra Stark und ihren Vater gekocht, stundenlang habe man gemeinsam über Politik und Geschichte gesprochen und diskutiert, berichtet sie. Und der Informatiker erzählt, dass Sandras Vater ihm auch einige Karrieretipps gegeben habe.

Während die Paten die Neuankömmlinge eigentlich nur für drei bis vier Monate begleiten, bleiben Sandra Stark und Umair Nasir weiter in Kontakt. Auch die Pädagogin profitiert von der Patenschaft. Sie hatte viele Jahre nicht in Stuttgart gelebt, wegen des Studiums und der Auslandsaufenthalte. Ihr eigener Freundeskreis sei weit verstreut, so langsam baue sie sich einen neuen auf. Es macht ihr Spaß, die alte Heimat gemeinsam mit Umair Nasir neu zu entdecken. Sie waren im Improvisationstheater, im Kunstmuseum – als nächstes besuchen sie eine Führung durch die Stadtbibliothek. „Ich habe noch viele Ideen, was wir machen können“, sagt Sandra Stark.

3500 Beratungen im Welcome Center

Das Welcome Center im Alten Waisenhaus am Charlottenplatz wurde im Oktober 2014 eröffnet. Insgesamt 3500 Beratungen haben seither stattgefunden, die meisten Gespräche fanden mit Italienern, Kroaten und Spaniern statt. Seit Juni diesen Jahres stünden Menschen aus Syrien, die eine Anerkennung als Flüchtling bekommen haben, an vierter Stelle der Statistik, so die Leiterin des Willkommenszentrums, Suzana Hofmann.

Wer sich vorstellen kann, Willkommenspate zu werden, kann sich an Claudia Grimaldi von der Abteilung Integration unter der Telefonnummer 216 - 803 92 oder per E-Mail an die Adresse claudia.grimaldi@stuttgart.de. wenden.