An diesem Mittwoch ist Welt-Alzheimertag. Es gibt auch gute Nachrichten im Kampf gegen die heimtückische Krankheit, kommentiert Willi Reiners.

Stuttgart - Demenz – allein schon das Wort flößt Angst ein. Es ist die Angst, sich selbst zu verlieren und in der Umnachtung vielleicht Dinge zu tun, für die man sich, im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte, schämen würde. Die Angst, liebste Menschen zu vergessen und dies, zumindest im frühen Stadium, auch zu realisieren. Nur die Diagnose Krebs ist hierzulande, wie Umfragen regelmäßig zeigen, noch stärker mit Angst besetzt. Wobei es einen elementaren Unterschied zwischen beiden Krankheitsbildern gibt: Krebs lässt sich fast immer behandeln, Patienten dürfen kämpfen und auf Heilung hoffen. Gegen Demenz dagegen gibt es bisher überhaupt keinen Erfolg entsprechenden Therapieansatz. Der Befund ist hoffnungslos.

 

Dennoch gibt es Lichtblicke, das sollte gerade am heutigen Welt-Alzheimertag nicht unerwähnt bleiben. So hat eine britische Studie jüngst gezeigt, dass das Risiko jedes einzelnen, mit einer Erkrankung aus dem Formenkreis der Demenz diagnostiziert zu werden, in den zurückliegenden Jahrzehnten kräftig gesunken ist. Bei 80-Jährigen liegt es demnach um 20 Prozent niedriger als noch um die Mitte der 1990er Jahre. Die Wissenschaftler führen das vor allem auf eine insgesamt gesündere Lebensweise der Menschen zurück. Zumindest für die westlichen Industriegesellschaften gibt es also doch gute Nachrichten im Kampf gegen das große Vergessen. Die Kernbotschaft lautet: Jeder kann selbst etwas dafür tun, möglichst lange gesund zu bleiben.

Positiv stimmt auch, dass die pharmakologische Forschung im Kampf etwa gegen giftiges Eiweiß, das die Zellstrukturen des Hirns morsch und löchrig macht, auf Hochtouren läuft. Vor wenigen Tagen meldeten Forscher aus der Schweiz und den USA, dass es ihnen gelungen sei, Alzheimer bei Frauen und Männern im frühen Stadium durch einen speziellen Antikörper aufzuhalten. Unternehmen weltweit investieren nicht in erster Linie deshalb gegen die heimtückische Krankheit, weil sie Gutes tun möchten. Vielmehr stecken sie vielmehr Milliarden in die Forschung, weil die Absatz- und Verdienstmöglichkeiten für Medikamente, die gegen Demenz eingesetzt werden können, enorm sind. Allein in Deutschland leben gegenwärtig fast 1,6 Millionen Demenzkranke, von denen jeder zweite von der Alzheimer-Krankheit betroffen ist. Weltweit sollen es bereits 44 Millionen sein. Für Patienten mit seltenen Krankheiten wird weniger bis gar nicht geforscht.

Pflege erfordert viel Kraft

Doch noch ist der Weg weit bis zu einem Wirkstoff, der wirklich hilft. Bis er da ist, bleibt nichts anderes zu tun, als sich um eine möglichst gute Versorgung der Patienten zu kümmern. Ihre Pflege erfordert Einfühlungsvermögen und Kraft. In vielen Heimen leisten Pflegekräfte hervorragende Arbeit. Es ist gut, wenn das nun auch durch die jüngste Reform der Pflegeversicherung honoriert wird. Ein Großteil der jährlich fünf Milliarden Euro, die ab 2017 zusätzlich fließen, kommt Demenzkranken zugute. Zehntausende werden gar erstmals Leistungen aus dem Solidartopf erhalten. Die Zahlen können indes nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Hilfsangebote teils noch löchrig sind. Die Gerontopsychiatrie beispielsweise ist in Deutschland unterentwickelt. So stehen in Großbritannien einem Gerontopsychiater 650 Patienten gegenüber, hierzulande sind es 13.000.

Tiefe Einblicke in die Arbeit mit Demenzkranken sind dem Schweizer Altenpfleger Michael Schmieder zu verdanken, dem langjährigen Leiter des Pflegeheims Sonnweid in Wetzikon. Man müsse die Patienten nehmen wie sie sind, fordert er. Man solle sie nicht belügen, nicht übergehen und nicht zur Geselligkeit zwingen. Man solle sie nicht belügen, nicht übergehen und nicht zur Geselligkeit zwingen. Überhaupt müsse man ihren Bedürfnissen Raum geben. Das gelte auch für heikle Themen wie Sexualität und Essensverzicht. Wenn sich dieser Ansatz überall durchsetzen würde, wäre das auch eine gute Nachricht im Kampf gegen die Volksseuche Demenz.