In zwei Freizeitgruppen des DJK Sportbund Stuttgart trainieren an Parkinson Erkrankte Tischtennis. Die Erkenntnis, dass Pingpong guttut, kommt aus den USA – und verbreitet sich in Deutschland rasant.

Links, rechts, vor, zurück. Leichtfüßig springt Achim Eisele an der Tischtennisplatte hin und her. Der 64-Jährige im roten Trikot ist ein drahtiger Typ, der immer wieder mit Schmackes den Ball übers flache Netz pfeffert. Pingpong, das liegt ihm. Bei der WM im kroatischen Pula ist er 2022 angetreten, im Mai wird er als einer von drei Sportlern aus Stuttgart bei den German Open in Düsseldorf spielen. Was erst auffällt, wenn Achim Eisele den Schläger aus der Hand legt: Der Esslinger hat Parkinson.

 

Beim DJK Sportbund Stuttgart spielen seit etwas mehr als einem Jahr Erkrankte Tischtennis. Warum? Weil das „pro-aktive Tischtennis-Spielen einen durchweg positiven Einfluss auf die wichtigsten Behandlungsziele der physikalischen Therapie bei Parkinson hat“, liest man online bei der bundesweiten Initiative PingPongParkinson Deutschland. Beweglichkeit, Koordination und Gleichgewicht würden gefördert, ebenso Konzentration, Gedächtnis und Ausdauer. Gleichzeitig sei das Verletzungsrisiko gering. Achim Eisele hat die Diagnose Morbus Parkinson vor zehn Jahren erhalten. Er berichtet von Muskelversteifungen und der Verlangsamung seiner Bewegungen. „Ich muss mich konzentrieren, wenn ich laufe“, sagt er. Beim Pingpong ist ihm indes nichts anzumerken.

Die Erkenntnis, dass Pingpong bei Parkinson hilft, setzt sich immer weiter durch

„Wenn ich Tischtennis spiele, bin ich frei von Symptomen“, erklärt er. Die ständigen Richtungswechsel und vor allem die Fokussierung auf den Ball täten gut. „Tischtennis bei Parkinson ist ein Mega-Hype“, sagt er. Und fügt hinzu: „Zu Recht.“

Die Erkenntnis, dass Pingpong bei Parkinson förderlich ist, wurde in den USA gewonnen. 2017 gründete sich dort die Organisation „PingPongParkinson USA“ mit dem Ziel, Tischtennis als eine Form der physikalischen Therapie bei Parkinson einzusetzen. Seit 2020 gibt es den deutschen Ableger „PingPongParkinson Deutschland“ (PPP). Bundesweit zählt er mehr als 170 Stützpunkte, also Kooperationen mit Vereinen, und über 1000 Spieler. Die interaktive Online-Karte findet Sportclubs in Aichtal, Reutlingen oder Steinheim. „Es wächst sehr rasant“, sagt der PPP-Sprecher Michael Weinmann. „Man merkt, dass die Vereine mittlerweile auf uns zukommen“, sagt er.

Die Idee ist eingeschlagen wie eine Bombe

Seit Anfang 2022 gibt es das besondere Sportangebot beim DJK Sportbund Stuttgart. Die Idee ist eingeschlagen wie eine Bombe. „An manchen Tagen reichen die Tische nicht aus“, sagt der Vorsitzende Stefan Molsner. Zwei Gruppen haben man aufgrund des großen Interesses bereits bilden müssen. An den Platten stehen dienstags und freitags vornehmlich an Parkinson, aber auch an Demenz Erkrankte sowie deren Begleitpersonen. Die Gruppe an diesem Abend in der Sporthalle Ostheim ist gemischt. Jüngere und Ältere, Frauen und Männer, Anfänger und Fortgeschrittene.

Zweimal die Woche trainiert auch Andreas Schairer. „So oft es geht“, sagt er. 2014 wurde beim heute 66-Jährigen aus Stuttgart-Ost Parkinson diagnostiziert. Angefangen hatte es bei ihm mit Verdauungs- und urologischen Beschwerden. Als schließlich seine linke Hand beim Tippen nicht mehr mitkam, schickte sein Allgemeinarzt ihn zum Neurologen. „Es gibt einen bunten Strauß an Symptomen. Sie sind bei jedem anders“, sagt er. Andreas Schairer steht auffallend aufrecht da. Verantwortlich ist dafür der sogenannte Rigor, eine Muskelversteifung. Er mache ihm vor allem im Rücken- und Schulterbereich zu schaffen. Der Tremor, das prägnante Zittern, sei bei ihm indes weniger ausgeprägt, sagt er, während er seine Hände knetet. „Es tut total gut“, sagt er über Pinpong. Nach dem Training sei er zwar stets total K.o., aber während des Spiels seien die Symptome beherrschbar.

Sportliche Aktivität ist immer gut

Für Trainer Steffen Neumann, der hauptberuflich als Sportkoordinator beim Württembergischen Behinderten- und Rehabilitationssportverband arbeitet, ist das auch nach einem Jahr immer noch erstaunlich. „Ich habe schon Leute auf Krücken reinlaufen sehen, die dann gespielt haben.“ Er betont: Egal welches Alter oder welche Erkrankung, sportliche Aktivität sei immer gut.

Für etliche Teilnehmer des Trainings ist Tischtennis der verbliebene Sport, den sie noch ausüben können. Beate Diener (58) aus Leinfelden etwa ist früher Mountainbike-Rallyes und -Marathons gefahren. „Das musste ich aufgeben“, sagt sie. Sie war es auch gewesen, die beim DJK Sportbund Stuttgart angeklopft und nach Pingpong bei Parkinson gefragt hatte. „Ich habe allein angefangen, im Internet zu suchen. Ich habe überlegt, was kann ich noch machen“, sagt sie. Von den Auswirkungen auf ihren Körper sei sie überzeugt, und Spaß mache das Ganze sowieso. Das Soziale ist ein wichtiger Aspekt beim Parkinson-Pingpong. Raus aus der Isolation, rein ins Sportoutfit – und unter Leute. Der PPP-Sprecher Michael Weinmann bestätigt das. „Das ist für die Parkinson-Leute sehr wichtig, denn viele ziehen sich nach der Diagnose erst mal zurück.“

Zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung