Zentrale Bestandteile des Erbguts wie der Zucker Ribose sind zusammen mit den Planeten entstanden.

Stuttgart - Als sich vor knapp 4,6 Milliarden Jahren das Sonnensystem bildete, entstanden vermutlich wichtige Grund-Bausteine des Lebens gleich mit, zeigen Uwe Meierhenrich und Cornelia Meinert von der Universität Nizza mit ihren Kollegen im Magazin „Science“. Bereits im Jahr 2002 haben die Forscher gezeigt, dass dabei erste Aminosäuren entstanden sein könnten, aus denen sich noch heute die Proteine in allen Lebewesen aufbauen. In einem neuen Experiment bilden sich unter ähnlichen Bedingungen wie in dieser Wiege unseres Planetensystems jetzt auch Ribose und andere Zucker, die das Rückgrat der Erbsubstanz formen.

 

Als Zutaten nehmen Uwe Meierhenrich und Cornelia Meinert Wasser, Methanol und Ammoniak. Diese einfachen Moleküle gab es auch in der riesigen Scheibe reichlich, die vor 4,6 Milliarden Jahren die gerade entstandene Sonne umkreiste. Allerdings war es damals bitterkalt. Bei Temperaturen von wenigen Grad über dem absoluten Nullpunkt von minus 273 Grad Celsius bildeten sich damals um winzige Staubkörner aus Silikaten Hüllen aus Wassereis, in das Methanol, Ammoniak und andere Substanzen wie Kohlenmonoxid und Kohlendioxid eingefroren waren. Die Forscher kühlen daher ihre Zutaten mit flüssigem Stickstoff auf minus 196 Grad Celsius und bestrahlen die Eiskügelchen im nahezu luftleeren Kammern mit ultraviolettem Licht, in dem auch die neugeborene Sonne die Scheibe badete, aus der sich im luftleeren Weltraum bald die Planeten zusammen ballten.

Bei diesen Temperaturen zerlegt die energiereiche UV-Strahlung die einfachen Moleküle in kleinere Bestandteile, die Chemiker als „Radikale“ bezeichnen und die normalerweise blitzschnell mit anderen Verbindungen reagieren. „Bei den tiefen Temperaturen im flüssigen Stickstoff aber frieren die entstandenen Radikale praktisch im Eis ein“, erklärt Uwe Meierhenrich. Nähern sich die Eiskörner dann der Sonne oder ballen sich zu größeren Brocken zusammen, wärmen sie sich auf und die eingefrorenen Radikale beginnen wieder zu reagieren.

Staunen über das Ergebnis

In ihrem Experiment ahmen die Forscher diese Vorgänge nach, wenn sie die im flüssigen Stickstoff ultraviolett bestrahlten Zutaten auf Zimmertemperatur aufwärmen. Danach analysieren sie das Gemisch mit modernen physikalisch-chemischen Methoden, die ihnen die entstandenen Verbindungen zeigen. „Über das Ergebnis staunten wir nicht schlecht“, erinnert sich Uwe Meierhenrich an die ersten Versuche. 2002 hatten sie unter einer Million Moleküle wenige Aminosäuren gefunden. Verglichen damit finden sie nun riesige Mengen verschiedener Zucker, Zuckersäuren, Zuckeralkohole und damit verwandten Substanzen. „Mehr als 3,5 Prozent der gesamten Masse besteht daraus.“

Ein kleiner Teil dieser Zuckermischung wiederum besteht aus Ribose, einem Zucker aus fünf Kohlenstoff-Atomen. Biochemiker erkennen dieses Molekül sofort als einen der Eckpfeiler des Lebens: Aus Ribose und zwei weiteren Molekülen besteht das gesamte Rückgrat der Ribonukleinsäure RNA, die in allen lebendigen Zellen auf der Erde als Blaupause der Erbsubstanz DNA eine Art Bauplan für die Herstellung von Proteinen aus einzelnen Aminosäuren liefert. DNA wiederum entsteht in einer einfachen Reaktion aus RNA: Am Ribose-Rückgrat wird nur eine Gruppe aus einem Sauerstoff- und einem Wasserstoff-Atom durch ein Wasserstoff-Atom ersetzt. Biochemiker vermuten daher schon lange, dass am Anfang des Lebens RNA die Erbinformation speicherte und erst später durch die ähnliche, aber deutlich stabilere DNA ersetzt wurde. Cornelia Meinert und Uwe Meierhenrich stellen in ihrem Experiment daher einen zentralen Bestandteil des ersten Lebens her.

Allerdings gibt es zur Ribose als Rückgrat der Erbsubstanz durchaus Alternativen wie zum Beispiel den Zucker „Threose“, der nur vier Kohlenstoff-Atome besitzt. Einige Biochemiker vermuten, die erste Erbsubstanz hätte anstelle von Ribose diese Threose als Rückgrat verwendet. Diese „TNA“ wäre dann später durch RNA und DNA ersetzt worden und aus dem Bereich des Lebens wieder verschwunden. In den Versuchen der deutschen Forscher in Nizza entsteht auch diese Threose genau wie andere Substanzen wie die Zuckeralkohole Glycerin oder Mannitol reichlich, die ebenfalls als Rückgrat einer Ur-Erbsubstanz in Frage kommen.