Die beiden Häuser von Le Corbusier auf dem Stuttgarter Weißenhof sollen zusammen mit weiteren internationalen Bauten des Architekten in die Unesco-Kulturerbeliste aufgenommen werden. Ob das gelingt, entscheidet sich in den nächsten Tagen.
Stuttgart - Stuttgart hat beste Chancen, sich demnächst im Glanz eines Welterbetitels zu sonnen. Wenn das Welterbekomitee bei seiner Sitzung vom 10. bis zum 20. Juli in Istanbul über die Einschreibung neuer Stätten in die Kulturerbeliste berät, kommt auch wieder ein gemeinsamer Antrag von sieben Staaten auf den Tisch, das Werk des Architekten Le Corbusier als herausragenden Beitrag zur Moderne anzuerkennen und unter Schutz zu stellen. Zu den insgesamt siebzehn Gebäuden, für die der Antrag läuft, zählen auch die beiden Wohnhäuser, die Le Corbusier 1927 in der Stuttgarter Weißenhofsiedlung baute. „Diesmal sieht es gut aus“, frohlockt Friedemann Gschwind, früherer Leiter des Stadtplanungsamts Mitte, der als Vertreter der Stadt Stuttgart den Antrag mitausgearbeitet hat.
Das Welterbe-Siegel verdient man sich nicht en passant, der Weg bis zu diesem Adelsprädikat ist lang und steinig. Das mussten auch die Länder erfahren, die auf Initiative Frankreichs 2008 erstmals den Versuch wagten, für Le Corbusiers wichtigste Bauten Welterbe-Status zu erlangen. Zweimal wurde der „transnationale serielle Welterbeantrag“, wie solche länderübergreifenden Bewerbungen im Unesco-Jargon genannt werden, in den vergangenen acht Jahren vom Welterbekomitee abgeschmettert. Zweimal mussten sich Frankreich, die Schweiz, Argentinien, Belgien, Japan und Deutschland neu zusammenraufen und ihr Konzept grundlegend überarbeiten. Indien, der siebte im Bunde, der 2008 in letzter Sekunde abgesprungen war und so sicherlich dazu beigetragen hatte, dass Le Corbusier sich wieder ganz hinten anstellen musste, ist inzwischen wieder an Bord. Erst durch diese Beteiligung werde die Bewerbung richtig „rund“, meint Friedemann Gschwind, denn ohne Le Corbusiers Regierungsbauten im indischen Chandigarh würde das Spätwerk des Architekten im Erbe-Kanon fehlen.
Der Optimismus der Ländergemeinschaft, dass es im dritten Anlauf mit der Nominierung nun endlich klappt, kommt nicht von ungefähr. Icomos (International Council on Monuments and Sites), der internationale Rat für Denkmalpflege, der für die Unesco Fachgutachten zu den Welterbeanträgen erarbeitet, spricht sich – anders als bei den früheren Bewerbungen – in seinem jüngsten Bericht dafür aus, das architektonische Werk von Le Corbusier in die Welterbeliste aufzunehmen. Die beiden Häuser der Weißenhofsiedlung werden dabei uneingeschränkt als bedeutende Bestandteile der Serie anerkannt, ihr Beitrag zum „herausragenden universellen Wert“ des Oeuvres bestätigt. Geltung besäßen sie besonders als Prototypen für zwei unterschiedliche Wege der Standardisierung im Wohnungsbau.
Die Denkmalpfleger sind zufrieden
Auch mit dem Erhaltungszustand der Häuser sind die Denkmalpfleger zufrieden. Dem denkmalgerecht sanierten Doppelhaus, in dem sich heute das Weißenhofmuseum befindet, bescheinigen sie einen „guten“, dem benachbarten Einfamilienhaus allerdings nur einen „zufriedenstellenden“ Zustand. Für dieses kleinere Gebäude des Stuttgarter Corbusier-Duos werden darum ein Restaurierungskonzept und Regeln gefordert, wie das Haus nach einem Mieterwechsel instandgehalten werden soll – was die Stadt und die oberste Denkmalschutzbehörde auch schon zugesagt haben. Positiv heben die Gutachter hervor, dass durch die Ausweisung einer Pufferzone ausreichend Abstand zur baulichen Entwicklung auf dem angrenzenden ehemaligen Messegelände gehalten wird.
Kritisch beurteilt Icomos dagegen die Situation in Ronchamp. Das Empfangsgebäude und das Mini-Kloster, das der italienische Architekt Renzo Piano 2011 in unmittelbarer Nähe der Wallfahrtskirche, Le Corbusiers wohl bekanntestem Bau, errichtet hat, betrachten die Denkmalexperten als schwerwiegende Beeinträchtigung der Stätte. Vor allem die architektonische Grundidee eines abgeschiedenen Pilgerorts werde durch die späteren Ergänzungsbauten beschädigt. Ebenso wie bei dem Wohnhaus an der Porte Molitor in Paris, das von einem umgebauten Stadion neuerdings stark bedrängt werde, beanstandet Icomos vor allem, dass die Veränderungen ausgerechnet während der Laufzeit des Antragsverfahrens durchgeführt wurden – was nicht unbedingt auf den Willen schließen lasse, die Bauten wirksam zu schützen. An Frankreich ergeht deshalb die Aufforderung, die Mängel zu beseitigen oder zumindest für Verbesserungen zu sorgen. Insgesamt bewerten die Gutachter Authentizität, Erhaltungszustand und Schutz der siebzehn gelisteten Bauten aber als gut oder ausreichend.