Die ersten fünf Kinder kamen im Abstand von jeweils einem Jahr. Sprich: es gab eine Zeit, da hatte ich vier Kleinkinder und einen Säugling. Wie schafft man so was?, werde ich manchmal gefragt. Man steht früh auf und geht abends spät ins Bett, sage ich dann. Und dass man vermutlich ein ganzes Zimmer füllen könnte mit den Möhren, die ich in all den Jahren gekocht habe. Viele Arbeitsschritte optimiert man. Oft gab ich zwei Fläschchen gleichzeitig.

 

Und oft war ich dabei in der Früh so kraftlos, dass ich die Kinder auf den Küchentisch legte, sonst wären sie mir aus dem Arm geglitten. Die Waschküche war unten im Hof, nie hätte ich ein Kind auch nur in die Nähe der kochend heißen Lauge gebracht. Wenn die ersten am Morgen wach wurden, war alles schon zum Aufhängen bereit. Steif gefroren, aber sauber hab ich die Wäsche im Winter von der Leine geholt. Wie schafft man so was? Eigentlich hat die Antwort noch einen zweiten Teil. Über meinen Bruder und einen Onkel, beides erfolgreiche Turner, war ich schon als junges Mädchen mit dem Sport in Kontakt gekommen. Geräteturnen, Leichtathletik – für Frauen die absolute Ausnahme zu der Zeit. Es war nach der Geburt meines dritten Kindes, wie eine tiefe Sehnsucht fühlte es sich an. Ich wusste: wenn mein Mann am späten Nachmittag von der Arbeit kam und soweit alles gerichtet war, gäbe es ein Zeitfenster von ein, zwei Stunden. Warum nicht?, hieß es beim Volksbildungswerk, als ich mit dem Vorschlag kam: eine Gymnastikgruppe für Frauen. Sie strömten in Scharen zu mir, erst zwei-, dann drei-, dann viermal die Woche. Und wenn ich dann abends heimkam, ging es weiter: Socken stopfen, Brei kochen . . . Einfach gemacht hab ich, vielleicht auch nicht so viel hinterfragt.

Und alles ohne Waschmaschinen und Wegwerfwindeln

Die jungen Frauen heute haben doch so viel. Waschmaschinen. Wegwerfwindeln. Zeit, ihre Kinder intensiv zu bespielen, während meine in der Gruppe zuweilen unterzugehen drohten. Gewissenlos würden viele das heute wohl nennen, wenn eine Siebenjährige mit einem Baby zur Kinderärztin käme. Oder eine Fünfjährige mit einer Tasche am Lenker allein zum Bäcker. Anders wäre es für uns aber nicht gegangen.

Sie sind schon recht selbstständig – das war dann auch einer meiner ersten Gedanken, als mein Mann mit Mitte 50 überraschend starb. 14, 15 und 16 waren die Jüngsten zu dem Zeitpunkt, alles Jungs. Dann aber kam 1968, und die Kinder drohten mir zu entgleisen. Hinter verschlossenen Zimmertüren wurde geraucht und Rockmusik gehört, was sonst noch . . . ich will es gar nicht wissen. Es ist ja tatsächlich alles gut gegangen. Zehn meiner Kinder haben ein Staatsexamen, zwei sind heute Professoren – wie stolz ich bin. Auch auf meinen Körper, der elf Kinder getragen und geboren hat.

Maria Imorde sagt, sie sei nie unglücklich gewesen. Foto: privat
Bis zum vierten Kind hatten wir nur zwei Zimmer im Haus meiner Schwiegereltern, ausgebaut haben wir später. Eng war es, wir hatten wenig zu essen, aber den Blick nach vorn, wie gesagt. Und in Aufbruchsstimmung zu sein und gleichzeitig das Leben kontrollieren und planen zu wollen, das wäre ein Widerspruch gewesen. Der Alltag freilich, der wollte organisiert sein. Stundenlang musste ich 1946, dem Geburtsjahr unseres ersten Kindes, bei eisiger Kälte für ein bisschen Kohle anstehen. Das Baby ließ ich zu Hause, das Bettchen hatte ich mit Wärmflaschen ausgekleidet, erfroren wäre es sonst. Schlimm, würde man heute sagen: so ein kleines Wesen über Stunden allein.

Wir hatten ein Dach überm Kopf, ein Gehalt und am Abend meistens eine warme Stube. Vorbei die Zeiten, in denen mein Mann als Kriegsgefangener nicht wusste, wann und ob er je wieder nach Hause kam. Vorbei die Bombenangriffe, die schwere Arbeit beim Bauern auf dem Feld, weil die Fabrik, in der ich als Näherin gearbeitet hatte, zerstört war.

Einfach machen, nicht so viel hinterfragen

Die ersten fünf Kinder kamen im Abstand von jeweils einem Jahr. Sprich: es gab eine Zeit, da hatte ich vier Kleinkinder und einen Säugling. Wie schafft man so was?, werde ich manchmal gefragt. Man steht früh auf und geht abends spät ins Bett, sage ich dann. Und dass man vermutlich ein ganzes Zimmer füllen könnte mit den Möhren, die ich in all den Jahren gekocht habe. Viele Arbeitsschritte optimiert man. Oft gab ich zwei Fläschchen gleichzeitig.

Und oft war ich dabei in der Früh so kraftlos, dass ich die Kinder auf den Küchentisch legte, sonst wären sie mir aus dem Arm geglitten. Die Waschküche war unten im Hof, nie hätte ich ein Kind auch nur in die Nähe der kochend heißen Lauge gebracht. Wenn die ersten am Morgen wach wurden, war alles schon zum Aufhängen bereit. Steif gefroren, aber sauber hab ich die Wäsche im Winter von der Leine geholt. Wie schafft man so was? Eigentlich hat die Antwort noch einen zweiten Teil. Über meinen Bruder und einen Onkel, beides erfolgreiche Turner, war ich schon als junges Mädchen mit dem Sport in Kontakt gekommen. Geräteturnen, Leichtathletik – für Frauen die absolute Ausnahme zu der Zeit. Es war nach der Geburt meines dritten Kindes, wie eine tiefe Sehnsucht fühlte es sich an. Ich wusste: wenn mein Mann am späten Nachmittag von der Arbeit kam und soweit alles gerichtet war, gäbe es ein Zeitfenster von ein, zwei Stunden. Warum nicht?, hieß es beim Volksbildungswerk, als ich mit dem Vorschlag kam: eine Gymnastikgruppe für Frauen. Sie strömten in Scharen zu mir, erst zwei-, dann drei-, dann viermal die Woche. Und wenn ich dann abends heimkam, ging es weiter: Socken stopfen, Brei kochen . . . Einfach gemacht hab ich, vielleicht auch nicht so viel hinterfragt.

Und alles ohne Waschmaschinen und Wegwerfwindeln

Die jungen Frauen heute haben doch so viel. Waschmaschinen. Wegwerfwindeln. Zeit, ihre Kinder intensiv zu bespielen, während meine in der Gruppe zuweilen unterzugehen drohten. Gewissenlos würden viele das heute wohl nennen, wenn eine Siebenjährige mit einem Baby zur Kinderärztin käme. Oder eine Fünfjährige mit einer Tasche am Lenker allein zum Bäcker. Anders wäre es für uns aber nicht gegangen.

Sie sind schon recht selbstständig – das war dann auch einer meiner ersten Gedanken, als mein Mann mit Mitte 50 überraschend starb. 14, 15 und 16 waren die Jüngsten zu dem Zeitpunkt, alles Jungs. Dann aber kam 1968, und die Kinder drohten mir zu entgleisen. Hinter verschlossenen Zimmertüren wurde geraucht und Rockmusik gehört, was sonst noch . . . ich will es gar nicht wissen. Es ist ja tatsächlich alles gut gegangen. Zehn meiner Kinder haben ein Staatsexamen, zwei sind heute Professoren – wie stolz ich bin. Auch auf meinen Körper, der elf Kinder getragen und geboren hat.

Mit dem Sport hat sie Freude ins Leben anderer Frauen gebracht

Jetzt nennen sie mich eine ,Pionierin’. Zweimal die Woche unterrichte ich weiter Gymnastik an der Volkshochschule. Pionierin, weil ich über den Sport Freude ins Leben so vieler Frauen gebracht hätte. Aber Freude, das ist mir zu wenig. Ich sag immer: er will nicht krank sein, euer Körper, er will gesund sein, will, dass das Leben nach vorn geht, nicht zurück – spürt ihr das nicht?

Und wenn ich zurückschaue, dann weiß ich: erschöpft war ich oft, unglücklich aber nie. Das ist ein Unterschied, den viele heute nicht zu kennen scheinen, in einer Zeit, in der alles perfekt funktionieren soll. Aber so kann sich keine Freude einstellen, fürchte ich. Aber so was erklären zu wollen ist aussichtslos. Die Freude teilen – das bringt da mehr. 24 Enkel hab ich und zwölf Urenkel. Zu meinem 80. Geburtstag waren sie alle da. Und zu meinem 90. kommen sie hoffentlich wieder, mit ihren Lieben. Einen großen Saal will ich mieten. An die hundert, so viel sind wir: die engste Familie.“