Die Kanzlerin hat bei der WHO in Genf nicht mit Kritik wegen der zögerlichen Ebola-Bekämpfung gespart. Merkel gab die erfahrene Staatsfrau, die ihre Agenda vorstellt – zum Wohle der Weltbevölkerung.

Korrospondenten: Jan Dirk Herbermann (jdh)

Genf - Trotz des innenpolitischen Ärgers wegen der NSA-Affäre wirkte Angela Merkel am Montag bei ihrem Besuch in Genf entspannt und locker. Die Kanzlerin genoss den Beifall, den sie von der Weltgesundheitsversammlung erhielt, bevor sie überhaupt gesprochen hatte. Die Generaldirektorin der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Margaret Chan, zeigte sich erfreut, dass die Spitzenpolitikerin als Hauptrednerin erschienen war. Die Krise um den BND interessierte kaum einen der Delegierten aus den 194 Mitgliedsländern der WHO.

 

Merkel gab die erfahrene Staatsfrau, die ihre Agenda vorstellt – zum Wohle der Weltbevölkerung. Sie verlangte von der WHO, einen globalen Katastrophenschutzplan zum Kampf gegen Epidemien aufzustellen. „Die Ebola-Katastrophe in Westafrika hat uns schmerzlich vor Augen geführt, wie dringend der internationale Handlungsbedarf in Krisen ist“, sagte Merkel. Eine bessere Kooperation sei erforderlich, um Menschenleben zu retten. „Die Gesundheit des einen ist auch die Gesundheit des anderen“, betonte die Kanzlerin, wieder brandete Applaus auf. Eine reformierte WHO müsse eine „zentrale Rolle“ spielen. Die Kanzlerin sagte, dass Deutschland als Gastgeber des diesjährigen G-7-Gipfels – dem Treffen der sieben stärksten Industrieländer – das „Menschenrecht auf Gesundheit“ weltweit stärker verankern wolle. Deutschland habe es sich auch zur Aufgabe gemacht, zur Eindämmung der vernachlässigten Tropenkrankheiten beizutragen. Es sei nicht hinnehmbar, dass 1,4 Milliarden Menschen an solchen Krankheiten leiden, obwohl sie relativ einfach zu heilen seien.

Ein Menschenrecht auf Gesundheit sei nur durchsetzbar, „wenn in allen Ländern der Erde ein nachhaltiges Gesundheitssystem“ bestehe. Für den Aufbau von Gesundheitssystemen in armen Ländern werde Berlin 200 Millionen Euro bereitstellen, davon allein 70 Millionen für Liberia. Ein Anliegen der deutschen G-7-Präsidentschaft sei auch ein „Aktionsplan“ gegen die zunehmende Antibiotika-Resistenz, als deren Folge laut WHO jährliche 700 000 Menschen sterben.

Die Kanzlerin kritisiert die schleppende Reaktion

Am Ende ihrer Rede gab es von Merkel einige Vorhaltungen an die WHO: Sie kritisierte ihre schleppende Reaktion auf die Ebola-Seuche, mit der sich fast 27 000 Menschen infizierten und an der mehr als 11 000 Menschen gestorben sind. Die dezentrale Struktur der WHO mit Regionalbüros und den vielen Länderbüros behindere einen entschlossenen Kampf gegen Epidemien. Dezentralität könne zu Entscheidungsunfähigkeit führen.

WHO-Direktorin Chan ließ die Schelte regungslos über sich ergehen. In den letzten Monaten hatte sie noch härtere Missbilligungen schlucken müssen: Von tödlicher Schlamperei war die Rede. Chan versprach fundamentale Veränderungen, mit denen die WHO in die Lage versetzt werde, „ihren Job anständig zu erledigen“. So soll ein Krisenreaktionsfonds eingerichtet werden, mit dem Sofortmaßnahmen bei Ausbrüchen gefährlicher Erreger bezahlt werden. Nach ihrer Rede traf Merkel Chan zum Gespräch: ein Treffen von zwei mächtigen Frauen unter Druck.