Reis, Reis und nochmals Reis: Damit die chinesischen Spitzenartisten sich wie zuhause fühlen, vertrauen sie während ihrer Deutschland-Tournee nur auf ihren eigenen Koch aus China.

Ludwigsburg - Es ist später Vormittag, auf einem Tisch in den Katakomben der Ludwigsburger MHP-Arena stehen Schüsseln voller frisch geschnittener Chilischoten und Ingwer. Ein Fünf-Kilo-Sack Reis mit der Aufschrift „Slow Dragon“ steht in der Ecke der Küche, zwei junge Männer sitzen auf den Stühlen und spielen mit ihren Smartphones. Plötzlich fliegt die Tür auf, hereingestürmt kommt Liu Yu – beladen mit Einkaufstüten. „So, es kann losgehen, Leute“, sagt der 47 Jahre alte Chinese, zieht seine Jacke aus, fährt sich schnell noch durch die Haare und lacht.

 

Traditionelles Essen für die Muskeln

Seit Mitte Dezember tourt Liu Yu als Koch mit der knapp 40-köpfigen Truppe des Chinesischen Nationalcircus’ durch Deutschland. Am Wochenende machen die Artisten Station in der MHP-Arena. Während der zweistündigen Show müssen die 32 Darsteller eine enorme körperliche Leistung erbringen. Und weil es im Chinesischen Zirkus keine Tiere gibt, ist hier die reine Muskelkraft der Akteure gefragt.

Diese erreicht man neben einem harten, achtstündigen Training pro Tag offenbar nur mit echter, chinesischer Hausmannskost. Genau die auf den Tisch zu bringen, ist Liu Yus Job. „Wir kommen aus dem Süden Chinas, aus der Provinz Hunan. Bei uns isst man richtig schön scharf“, erklärt er.

Gutes Essen gleich gute Leistung

Weshalb er extra mit aus China angereist ist, und nicht etwa in Deutschland lebende, chinesische Köche für die Truppe brutzeln können, ist schnell erklärt. „Die Zutaten sind zwar schon dieselben. Sobald ein chinesischer Koch aber einige Zeit in Deutschland lebt und arbeitet, würzt er das Essen ganz anders, und es schmeckt nicht mehr so, wie wir es in China kennen. Wenn es aber nicht richtig traditionell schmeckt, hapert es auch mit der Leistung der Artisten. So einfach ist das.“

Dass die Tänzer und Akrobaten tatsächlich extrem scharf essen, riecht man schon wenige Minuten später. Liu Yu hackt eingelegtes Gemüse klein, brät es in viel Öl an, und streut schließlich mehrere Handvoll getrocknetes Chili darüber, das er extra aus China mitgebracht hat. Eine würzige Schärfe steigt in Nase und Rachen. „Möchtet ihr mal probieren?“, fragt er und hält den Löffel in die Höhe. Der Zeitungsfotograf ist mutig und kostet eine Löffelspitze voll. Kurz herrscht Schweigen in der Küche. Schließlich sagt der Fotograf schwer atmend: „Ok. Das ist gut, wirklich sehr gut. Aber auch wirklich hart an meiner Schmerzgrenze.“ Die Chinesen lachen.

Zum Frühstück gibt es Nudeln

Seit vielen Jahren arbeitet Liu Yu als Koch für die Truppe, und wenn er nicht gerade mit den Künstlern durch die Lande tourt, schwingt er in der Kantine der Zirkusakademie die Kochlöffel. Dann kauft er säckeweise die Zutaten, brät Kartoffeln, allerhand Gemüse und Fleisch, er kocht Reis und versorgt seine Jungs und Mädels mit ausreichend Tee, Wasser und Cola light. Ob die Chinesen denn nicht zwischendurch auch einmal europäische Nudeln essen, damit sie genügend Kohlenhydrate für ihre Muckis zugeführt bekommen? „Wieso? Sie essen doch Reis. Unser Reis sind eure Nudeln“, sagt Liu Yu. Nur zum Frühstück, da gebe es häufiger mal Nudeln – die asiatischen, versteht sich.

Gekocht wird im Übrigen gemeinsam. Jeden Tag teilt Liu Yu die Kochteams neu ein, jeder Artist kommt an die Reihe. Dann wird nebeneinander Fleisch und Gemüse geschnippelt, Knoblauch geschält und der Reis gewaschen. Damit soll einerseits Zeit gespart werden, andererseits möchte Liu Yu den jungen Menschen etwas vermitteln. „Ich möchte, dass sie sich später einmal selbst versorgen können.“