Athleten, Medien, Sponsoren und Fans: Die Chinesen dominieren den Tischtennis-Sport seit Jahren – auch bei der Weltmeisterschaft in Düsseldorf ist das nicht anders.

Chef vom Dienst: Tobias Schall (tos)

Düsseldorf - Chinas Exklave beginnt an den Stockumer Höfen, wie die Straße am Nordeingang der Messe Düsseldorf heißt. Wer dieser Tage die Hallen vor den Toren der Rhein-Metropole betritt, begibt sich auf eine Reise ins Reich der Mitte.

 

Gleich links in Halle 6, in der die Tischtennis-WM noch bis Montag ausgetragen wird, hat man das Gefühl, in Peking zu sein. In der Ecke gibt es asiatische Wok-Spezialitäten, es riecht wie in einer Garküche, entsprechend anziehend ist der Platz für die zahllosen Gäste aus China. Etwas weiter hat die chinesische Schule Düsseldorf einen Stand, überall in der Halle sind chinesische Fahnen und Schriftzeichen zu sehen. Tischtennis spricht chinesisch.

Und Tischtennis spielt chinesisch. In Brasilien. Spanien. Luxemburg. Österreich. In keiner anderen Sportart prägt eine Nation so das Bild. Bei Olympia in Rio im vergangenen August waren 54 in China geborene Athleten am Start, sechs davon spielten für China. Ähnlich ist das Bild in Düsseldorf. Die Nation ist der Exportweltmeister. China bildet Klasse in Masse aus, und wer es dort nicht ganz nach oben schaffen, wird andernorts gerne eingebürgert. Die legendären Bootcamps des Verbandes mit einem atemberaubenden Niveau im Training spucken Weltklasse am Fließband aus – es ist ein Kreislauf des Erfolgs.

433 Millionen TV-Zuschauer aus China

Nirgends wird so hart trainiert, nirgends so wissenschaftlich gearbeitet, nirgends ist das Wissen über diesen komplexen Sport größer. Chinas Trainer sind die Universalgelehrten des Tischtennissports. Seit 1999 haben die Spieler in den roten Trikots alle WM-Titel im Einzel bei den Männern und Frauen gewonnen – bis auf 2003 (Werner Schlager). China dominiert das Bild des Tischtennis aber auf allen Ebenen. Bei den Fans. Medien. Sportlern. Trainern. Sponsoren.

China ist für den Weltverband der wichtigste Wirtschaftsfaktor. Die ITTF würde sich gerne breiter aufstellen, doch Asien und allen voran China sind unersetzlich. Wenn Tischtennis in China einen Schnupfen bekommt, liegt der Sport weltweit mit Lungenentzündung im Krankenhaus. Die Währung im Tischtennis sind offiziell Dollar, inoffiziell sind aber Yuan der Treibstoff der Bewegung. Der Tischtennisartikelhersteller DHS ist ebenso Sponsor der ITTF wie das staatliche Mobilfunkunternehmen China unicom oder Handy-Hersteller Huawei und Tata, Chinas größter Holztürenhersteller. Man muss sich das ein bisschen vorstellen wie den Wintersport, der am deutschen Geld-Tropf hängt.

Das verdeutlicht auch ein Blick auf die TV-Zahlen: Addiert hatten die Tischtennis-Übertragungen der Olympischen Spiele vergangenes Jahr laut ITTF in China 433 Millionen Zuschauer, im Rest der Welt zusammen 180 Millionen. Aus Düsseldorf überträgt der Staatssender CCTV täglich mehrere Stunden live. Das Doppel von Timo Boll mit Ma Long gegen Xu Xin und Fan Zhendong am Donnerstag sollen bis zu 100 Millionen Menschen gesehen haben.

Tischtennis-Stars sind Popstars

Diese Popularität in China macht Tischtennis wiederum auch für andere Firmen interessant, das Unternehmen Liebherr aus Biberach ist auch deshalb seit vielen Jahren dem Tischtennis verbunden und Titelsponsor der WM. Timo Boll wiederum dient Firmen als Repräsentant in China. Es steckt viel Geld im Tischtennis, speziell in China. Viel mehr als die meisten glauben.

Tischtennis-Stars sind heute Multimillionäre: 60 Millionen Yuan hat zum Beispiel Zhang Jike laut der Geldrangliste der großen chinesischen Sportzeitung „Titan Sports“ im Jahr 2016 verdient (7,8 Millionen Euro). Der Weltmeister (2011, 2013) und Olympiasieger (2012) war damit Chinas Nummer zwei, mehr Yuan bekam nur noch der Schwimmer Sun Yang, Olympiasieger in Rio (68 Millionen Yuan/8,8 Millionen Euro). Das Vermögen von Ma Long wird auf 20 Millionen Euro geschätzt.

In Düsseldorf ist die Amtssprache chinesisch

Ma Long und Co. sind Popstars, neudeutsch würde man sagen „Celebrities“, mit Bedeutung über den Sport hinaus. Der Weltranglistenerste Ma Long wurde kürzlich vom chinesischen Ableger des Magazins „GQ“ zum „Vorbild des Jahres“ gewählt, Zhang Jike ist der beliebteste Sportler des Landes. In Chinas Facebook-Pendant Weibo hat Zhang Jike mehr als acht Millionen Follower – und die Kommerzialisierung des Tischtennis und seiner Stars hat erst vor einigen Jahren angefangen, gemessen am Bevölkerungsreichtum Chinas ist noch entsprechend viel Potenzial da.

Dafür aber, das wissen Chinas Tischtennis-Bosse, dürfen sie den Sport nicht ins Wachkoma siegen. Langeweile ist schlecht fürs Geschäft. Das führt zu der grotesken Situation, dass China aus ureigenem Interesse die Konkurrenz verstärkt an seinem Wissen teilhaben lässt. In Düsseldorf ist die Amtssprache aber weiter chinesisch.