Weltmusikalisches Sahnestück Jazz trifft Indien im Weil der Städter Klösterle

Nahezu klassisch am Klavier und am Sopransaxofon die beiden europäischen Musiker – dazu vier indische Spitzenmusiker Foto: Bernd Epple

Zwei ehemalige Landesjazzpreisträger und vier klassische indische Musiker auf außergewöhnlichen Instrumenten und mit sehr besonderen Stimmen verzaubern ihr Publikum. Das Ensemble tritt am Wochenende auf dem Landesjazzfestival in Tübingen auf.

Quasi auf deren Weg zum Landesjazzfestival nach Tübingen konnte der Kulturverein Manufaktur aus Weil der Stadt noch rechtzeitig die Angel auswerfen, um Frank Kroll (Sopransaxofon), Patrick Bebelaar (Piano) und das indische Maharaj - Ensemble an Land zu ziehen. Vor genau 10 Jahren spielte Maharaj im Klösterle mit Patrick Bebelaar und Frank Kroll bereits ein fulminantes Konzert, das die Zuschauer zu Begeisterungsstürmen hinriss. Jetzt hat es Patrick Bebelaar wieder geschafft, die indischen Spitzenmusiker noch einmal nach Deutschland zu holen.

 

Ende der Neunziger trafen die virtuosen Musiker zum ersten Mal aufeinander, um gemeinsam Weltmusik zu produzieren. Obwohl Maharaj als Trio, bestehend aus Pandit Viskash Maharaj mit seinen beiden Söhnen Prabash (Tabla) und Abikesh an der Sitar angekündigt war, brachte der indische Sarod-Meister zur aktuellen Tournee noch einen weiteren Sohn mit. Das war dem Umstand geschuldet, dass Abikesh kurz vor Abreise einen Autounfall hatte und Verletzungen davontrug, die ein Sitarspiel unmöglich machten. Kurzerhand beschloss das Trio, die Sitar mit den beiden Gesangsstimmen von Abikesh und eines weiteren Bruders, zu ersetzen.

Pandit Vikash Maharaj gehört mit seiner Sarod (indische Langhalslaute) zu den wichtigsten Musikern der indischen Klassik. Er spielte auf allen großen Festivals und stand zusammen mit Jazzikonen wie Jan Garbarek, Herbie Hancock und John McLaughlin auf der Bühne. Nun also in der schwäbischen Provinz. Patrick Bebelaar, der ebenfalls schon mit vielen internationalen Musikern zusammenspielte, produzierte bereits 1996 mit dem WDR die CD „Raga“, die für den Preis der Deutschen Schallplattenkritik nominiert wurde. „Raga“, eine melodische Grundstruktur der klassischen indischen Musik, traf nun also auf Jazz. Wie hört sich das an? Zwei Besucherinnen aus Weil der Stadt konstatierten in der Pause: „Man muss bereit sein, eine neue Schublade in seinem Musikhirn aufzumachen.“ Der völlig ungewohnte Ablauf dieser Musik sei einfach nur schön und bewegend. „Man kann sich richtig reinlegen und die Ausstrahlung der Musiker ist einfach phänomenal“, strahlten sie.

Tabla-Spiel im Alter von zwei Jahren gelernt

In der Tat wich das Dargebotene bei den meisten Besuchern von deren sonstigen Hörgewohnheiten ab. Die sechs Meister ihres Fachs machten es dem Publikum jedoch leicht, tief in diese neue Welt einzutauchen. Nicht zuletzt, weil sie nicht nur mit Virtuosität glänzten, sondern auch mit unsichtbaren Fäden verbunden zu sein schienen. Die Schwingungen jenseits der Noten waren deutlich spürbar und schufen eine Qualität, die die Besucher, wie auf einem fliegenden Teppich, in höhere Sphären entführte. Zudem gab es nebenbei eine kleine Lehrstunde in Sachen „Indische Musik“, wenn Tabla-Spieler Prabash die Trommelsprache erklärte, die jeder Spieler lernen müsse, bevor er sie aufs Instrument überträgt. Bereits im Alter von zwei Jahren begann er das Tablaspiel von seinem Großvater zu erlernen und gewann zweimal das nationale Stipendium für den besten Tablaspieler Indiens.

Musikerlebnis der Extraklasse

Kompositionen wie Krolls „Peacock“, im 7er-Takt mit mixolydischer Skala und polyfonen Phrasen garniert, sowie Bebelaars „Raga“, in die Swing-Elemente eingeflochten und jazzige Patterns angerissen werden, unterstrichen die ganze Klasse der beiden Landesjazzpreisträger. „Cave“, eine Komposition Pandits und Hommage an die wichtigsten Elemente Wasser und Luft führte von meditativen Klängen zu einem ekstatischen Finale und schließlich setzte man mit Bebelaars „Point of View“ dem Musikerlebnis noch die Krone auf: rhythmisches Zusammenspiel mit hohem Spaßfaktor, ein extraordinäres Sopransax-Solo und äußerst anrührende Schönheit der Klänge. Zugabe? Selbstverständlich. Verzückte Besucher-Minen? Ja natürlich.

Auftritt Das Ensemble ist am Sonntag um 20 Uhr im Rahmen des Landesjazzfestivals im Tübinger Kulturwerk noch einmal zu hören. Infos: https://landesjazzfestival-tuebingen.de

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