Im Januar 2009 brach Graham Hughes auf, um alle 201 souveränen Staaten der Erde zu besuchen. Eindrücke einer vierjährigen Reise.  

Mr. Hughes, Wie kamen Sie auf die Idee, um die Welt zu reisen - ohne zu fliegen?
Ich wollte immer schon die Welt bereisen. Außerdem wurde ich von einer britischen Fernsehserie namens „Around the World in 80 days“ inspiriert. Wie Jules Vernes‘ Phileas Fogg musste auch der Hauptdarsteller dieser Serie um die Welt reisen, ohne zu fliegen. Im Sommer 2008 kontaktierte ich also Lonely Planet Television in Australien und stellte ihnen mein Konzept vor. So entstand „Graham’s World“, eine achtteilige Fernsehsendung, die von BBC Worldwide vertrieben und auf dem Kanal von National Geographic Adventure ausgestrahlt wurde.

 

Sie kamen vier Jahre lang mit nur 100 Dollar pro Woche aus. Wie ging das?
Wann immer ich konnte, nutzte ich die Internetplattform Couchsurfing, um kostenlos bei Einheimischen zu übernachten statt in teuren Hotels. Um günstig von einem Fleck zum anderen zu kommen, war ich auf Frachtschiffen, Kreuzfahrtschiffen und mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs. Zudem war ich sehr diszipliniert und gab nur Geld aus, wenn ich wirklich musste. Ich wollte den Leuten zeigen, dass man kein Millionär sein muss, um seine Träume zu verwirklichen.

Stand die Route vor der Abreise fest?
Oh ja! Ich wollte in Uruguay starten. Von dort aus schlug ich mich nach Norden durch, besuchte Zentralamerika und die Karibik. Anschließend ging es in die USA und ab Kanada mit dem Schiff nach Island. Europa wollte ich relativ schnell „abhaken“ - in den meisten Ländern war ich schon -, um erst die Westküste und dann die Ostküste Afrikas zu bereisen. Schließlich standen noch der Nahe Osten, Asien, Südostasien, Papua-Neuguinea und die pazifischen Inseln auf dem Plan. Nach Australien sollte Neuseeland eigentlich das letzte Land auf meiner Liste sein. Sieben Länder fehlten zu diesem Zeitpunkt allerdings noch. Mit diesen Ländern hatte es auf der Reise Schwierigkeiten gegeben - in Eritrea und dem Sudan zum Beispiel war die politische Lage heikel und die Grenze für Ausländer gesperrt. In Neuseeland war ich deshalb kurz davor aufzugeben.

Aber Sie haben weitergemacht.
Ja. Meine Familie und meine Freunde ermutigten mich dazu. Schließlich fuhr ich mit einem Kreuzfahrtschiff nach Australien und weiter nach Nauru, einem kleinen Inselstaat im Pazifik. Von dort aus konnte ich jedoch nicht einfach weiter nach Mikronesien reisen: Es gab keine Verkehrsverbindung. Ich musste erst wieder zurück nach Australien. Wegen solcher Umwege habe ich 70 Länder mindestens zweimal besucht. Nach Narau und Mikronesien fehlten dann nur noch Palau, Sri Lanka, die Seychellen, die Malediven und der Südsudan - der war übrigens noch gar kein souveräner Staat, als ich aufbrach.

Hatten Sie oft Schwierigkeiten, in ein neues Land einzureisen?
Die hatte ich, doch komischerweise waren es nicht Länder wie der Irak oder Afghanistan, wo man Schwierigkeiten erwartet. Im Irak konnte ich ganz einfach über die Türkei einreisen und bekam problemlos ein zehntägiges Visum ausgehändigt. Auch in Afghanistan musste ich nur über die Grenze laufen. Schwierig war eher die Einreise in die pazifischen Inselstaaten. Das Gebiet gilt als Risikogebiet für somalische Piraten, kein Schiff wollte mich mitnehmen - entweder waren sie nicht gegen Piratenangriffe versichert oder sie hatten keinen Platz mehr an Bord. Deshalb schob ich diese Staaten immer wieder auf. Sri Lanka erreichte ich zum Beispiel erst im Mai 2012.

Kamen Sie auch einmal in Gefahr?
Die brenzligste Situation war meine Verhaftung in der Republik Kongo. Ich wurde festgenommen, weil ich einen Bahnhof fotografiert hatte - offensichtlich ein Vorwand, um zu schauen, ob es bei mir etwas zu holen gab. Die Polizisten nahmen mir alles ab, was ich am Leib hatte, sogar meine Brille. Trotz gültigen Visums konnte die britische Botschaft erst nach fünf Tagen meine Freilassung bewirken. Das war einer der wenigen Momente, in denen ich mich fragte: „Was zum Teufel mache ich hier eigentlich?“

Wäre es zu zweit nicht sicherer gewesen?
Ich war ja nicht die ganze Zeit allein. Auf meiner Reise lernte ich viele Leute kennen, und für meine Sendung wurde ich im ersten Jahr immer wieder von einem Fernsehteam begleitet. Dann fühlte ich mich aber stets verantwortlich für die Sicherheit des Teams. Ich reise auch deshalb gern allein, weil ich so viel schneller bin: Morgens stand ich oft erst kurz vor der Abfahrt des nächsten Busses auf, hüpfte kurz unter die Dusche und rannte zur Haltestelle. So etwas geht nur alleine. Was waren Ihre Highlights ? Oh, da gab es viele - ich war ja immerhin vier Jahre unterwegs! Einer meiner Höhepunkte war Florida, wo ich den Start eines der letzten Raumschiffe beobachtete. Und Papua-Neuguinea, wo ich als einziger Abendländer mit einem Indianerstamm zusammenlebte. Auf Borneo kam im Urwald ein Orang-Utan auf mich zu, berührte mich und verschwand wieder. Und auf Palau schwamm ich in einem See voller Quallen, die Sonnenlicht absorbieren und deshalb an der Oberfläche treiben. Da sie keine Fressfeinde haben, gibt es Millionen von ihnen. Es war magisch.

Auf welche Dinge hätten Sie auf Ihrer Reise nicht verzichten können?
Einerseits natürlich auf meine Videokamera, den Laptop, das Handy, Reisepässe, das GPS-Gerät und Bankkarten. Wirklich unverzichtbar war aber mein schwarzer Cowboyhut. Ich bin ein heller Typ, der schnell Sonnenbrand bekommt - die meisten Länder sind aber nun einmal tropisch. Hätte ich meinen Hut nicht gehabt, wäre ich bestimmt verbrannt. Wenn ich jetzt noch einmal losginge, nähme ich auch eine professionelle Kamera mit, um Unterwasseraufnahmen zu machen. Außerdem würde ich - wenn ich genügend Geld hätte - jemanden einstellen, der in Großbritannien für mich arbeitet. Jemand, der sich hinter den Kulissen um Visa kümmert, der mir Übernachtungsmöglichkeiten organisiert und sich an die Schiffsgesellschaften wegen Überfahrten wendet.

Warum sind Sie nicht einfach geflogen? Das wäre sehr viel schneller gegangen.
Ich bin mir meines CO 2 -Fußabdrucks bewusst. Ich hätte ein sehr schlechtes Gewissen gehabt, wenn ich einfach von einem Land zum anderen geflogen wäre. Tuvalu etwa, eine Inselgruppe im Pazifik, ist wie viele andere Inselstaaten von Überschwemmungen bedroht. Durch die Klimaerwärmung steigt das Meer hier jedes Jahr um Zentimeter an. Das laugt den Boden aus und macht die Ernten zunichte. An manchen Stellen sickert das Salzwasser auch ins Grundwasser und verursacht Trinkwasserknappheit. Das will ich nicht verantworten.

Wie waren Sie denn dann unterwegs?
Ich nutzte öffentliche Verkehrsmittel und reiste auf 20 Frachtschiffen, vier Kreuzfahrtschiffen, einigen Segelschiffen und Bananenbooten mit. Das war fantastisch: Eigentlich mussten die Leute mir nicht helfen, aber sie taten es trotzdem. Das größte Frachtschiff, auf dem ich unterwegs war, hatte übrigens 6000 Container geladen. Ich hab’ mir das mal ausgerechnet: Wenn man die alle auf einen Zug packen wollte, wäre er 25 Kilometer lang.

Was haben Sie auf Ihrer Reise vermisst?
Käse! In den ersten Monaten daheim habe ich den ganzen Tag lang Käse gegessen - ganz egal, ob Cheddar, Brie oder Camembert!