Der italienische Fotograf Oliviero Toscani hat Furore mit provokanten Kampagnen für Benetton gemacht. Er sieht sich als Künstler, „obwohl ich abgestempelt bin.“

Stuttgart - "Ich liebe Frauen, und genau aus diesem Grund hasse ich Topmodels“, hat Oliviero Toscani einmal bekannt. Der Satz sagt einiges über sein Verständnis von Werbung aus. Der Fotograf, der in den achtziger und neunziger Jahren für das italienische Bekleidungsunternehmen Benetton drastische Fotokampagnen entwarf, hat im Lauf seiner Karriere einige drastische Sätze von sich gegeben. Meistens zielten sie darauf, die Werbebranche zu diskreditieren. Toscani beklagt unermüdlich die mangelnde Kreativität in den Werbeagenturen, die in seinen Augen zu diesem „monströsen Model-Kult“ geführt habe.

 

Er schuf seinerseits während seiner Zeit als Kreativchef bei Benetton den monströsen Kult der Schock-Werbung. Die Motive haben sich ins kollektive Gedächtnis gebrannt: Aids-Kranke, ein blutiges Neugeborenes, Häftlinge im Todestrakt. Dieses Motiv wurde Toscani zum Verhängnis. Im Jahr 2000 reagierten in den USA Befürworter der Todesstrafe mit Boykottaufrufen, was zu massivem Umsatzeinbruch und dem Verlust von Hunderten Benetton-Filialen führte. Die Firma trennte sich von ihrem Werbechef. Im gegenseitigen Einverständnis, wie Toscani betonte.

Kritiker schimpfen ihn einen falschen Propheten

Die Provokation scheint von Beginn seiner Karriere an der Antrieb für den Sohn eines Mailänder Fotoreporters gewesen zu sein. Er hat mit seinen Kampagnen, die nie etwas mit den Produkten von Benetton zu tun hatten, besonders diejenigen gegen sich aufgebracht, für die die Warenwelt und der Kunstbereich streng voneinander getrennt sind. Diese Kritiker schimpfen ihn einen falschen Propheten. Und es fällt in der Tat schwer, ihn nicht als Zyniker zu sehen, der das Leid der Welt zu Geld machte. Er schockierte den Konsumenten um des Schockeffekts willen. Was das den abgebildeten Leidenden beziehungsweise ihresgleichen genutzt hat, ist eine Frage, die man Toscani gern stellen möchte.

Doch darum ging es ihm nie. Schließlich sieht er sich als Künstler, „obwohl ich abgestempelt bin“. Kunst sei immer mit Propaganda einhergegangen, so verteidigte er sich gegen die massenhaft vorgebrachte Kritik. Er handle nicht im Auftrag irgendwelcher Management-Strukturen. Er brauche sich weder um Marktanalysen noch um Käuferprofile zu kümmern. Er habe ein exklusives Verhältnis mit einem „intelligenten Boss“, der ihm freie Hand lasse, seine Ideen zu verwirklichen. Wie weit diese Exklusivität ging, haben die Konsequenzen aus der Todeskandidaten-Kampagne gezeigt. Heute wird Toscani siebzig.