Am 21. Dezember endet der 5200 Jahre alte Mayakalender. Manche sehen an diesem Datum den Weltuntergang kommen. In Deutschland gibt es Partys zur Apokalypse, in Russland Panikkäufe. Unser Autor Roland Knauer stellt Szenarien der Zerstörung vor – und prophezeit, dass es so schlimm gar nicht werden kann.

Stuttgart - Die Uhr läuft. Am 21. Dezember könnte die Welt untergehen, so interpretieren manche das Ende des Mayakalenders in Zentralamerika. Seriöse Naturwissenschaftler können zwar keineswegs ausschließen, dass die Apokalypse irgendwann stattfindet. Schließlich kennen Astrophysiker, Geoforscher und Klimawissenschaftler eine ganze Batterie von Szenarien, die die Menschheit, aber auch das gesamte Leben auf der Erde in Gefahr bringen könnten. Nur treten solche Ereignisse so selten ein, dass die Chancen auf ausgelassene Silvesterfeiern auch in den folgenden Jahren sehr gut stehen.Es sei denn, die Menschheit nimmt ihren Untergang selbst in die Hand. Der renommierte britische Astrophysiker Martin Rees aus Cambridge hält das Risiko, dass große Teile der Zivilisation durch einen Atomkrieg oder Bioterrorismus mit Killerviren vernichtet werden, für mindestens hundert Mal wahrscheinlicher als einen Weltuntergang durch eine natürliche Katastrophe. Trotzdem behalten Wissenschaftler auch die Gefahren aus dem Inneren der Erde oder den Tiefen des Weltraums mit im Auge, denn zumindest einige dieser Risiken haben dem Leben auf dem Globus bereits früher Probleme bereitet, auch wenn das viele Millionen Jahre her ist.

 

Droht eine Supernova? Unwahrscheinlich

Explodiert zum Beispiel in der kosmischen Nachbarschaft der Erde ein Stern und wird zur „Supernova“, würde ein gigantischer Schauer von tödlichen Gammastrahlen auf die Lufthülle der Erde prasseln. Ein großer Teil dieser Strahlung bleibt zwar in der Atmosphäre hängen, erzeugt dabei Stickoxide. Diese Verbindungen zerstören die Ozonschicht, die normalerweise die starke kurzwellige ultraviolette Strahlung von der Sonne unschädlich macht. So dringen diese UV-Strahlen ungehindert zum Erdboden durch, vernichten einen großen Teil der Vegetation und so auch die Nahrungsgrundlage von Tier und Mensch.

Allerdings gibt es nur wenige Sterne, die sich in den nächsten Jahrmillionen zu einer Supernova entwickeln könnten. Sternenexplosionen sollten uns also keine Probleme bereiten – außer sie erzeugen gleichzeitig einen sogenannten Gammablitz. Genau diese Ereignisse untersucht Thomas Janka vom Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching. „Gammablitze entstehen zum Beispiel, wenn sehr große Sterne explodieren“, erklärt der Forscher. Für solche Explosionen sollte ein Stern mindestens zwanzigmal größer als die Sonne sein – was extrem selten ist. Laut Statistik sollte trifft ein verheerender Gammablitz die Erde nur alle 200 Millionen Jahre einmal. Auch dieses Szenario ist also sehr unwahrscheinlich.

Ein Asteroideneinschlag? Unwahrscheinlich

„Realer ist die Gefahr eines Asteroideneinschlages“, sagt Janka. Für solche kosmischen Volltreffer gibt es nämlich ein wissenschaftlich belegtes Beispiel eines Weltuntergangs. Vor 65,5 Millionen Jahren donnerte ein Asteroid mit der zehnfachen Geschwindigkeit eines Kampfpanzergeschosses in den Golf von Mexiko. Der kosmische Brocken war mit einem Durchmesser von zehn Kilometern größer als der Mount Everest. Als er mit seinem Gewicht von 3000 Milliarden Tonnen auf die Erde traf, setzte er so viel Energie wie eine Milliarde Atombomben frei, von denen eine 1945 die Großstadt Hiroshima zerstörte.

Diese Wucht sprengte einen Krater in die Region, der am Ende mit einem Durchmesser von 200 Kilometern beinahe die Fläche der Schweiz hatte. Der Einschlag löste vermutlich Erdbeben mit einer Stärke von 12 oder 13 aus. Sie übertrafen das stärkste bisher gemessene Erdbeben 1960 in Chile mit einer Stärke von 9,5 um Größenordnungen.

Unvorstellbare Tsunamis rasten durch die Weltmeere und verwüsteten die Küsten. Minutenlang herrschten in der Karibik wohl Temperaturen von wenigen hundert Grad Celsius, die viele Pflanzen ausdörrten. Waldbrände zerstörten im weiten Umkreis die Vegetation. Gleichzeitig fingen die in die Luft geschleuderten Materialien das Sonnenlicht so effektiv auf, dass die Temperaturen praktisch von einem Tag auf den anderen weltweit um zehn Grad fielen. Als sich das Klima nach Jahren wieder aufwärmte, waren vermutlich alle Wälder der Erde zerstört und die meisten Tiere verhungert. Die prominentesten Opfer waren die Dinosaurier.

Die Auswirkungen ähnelten also denen eines Gammablitzes oder einer Supernova. „Die Statistik lässt alle hundert Millionen Jahre einen ähnlichen Einschlag wie vor 65 Millionen Jahren vermuten“, sagt Ralf Schmitt, der am Berliner Museum für Naturkunde solche „Impakte“ untersucht. Auch kleinere Einschläge sind fatal, treffen aber nur bestimmte Gebiete. Das wäre dann zwar kein Weltuntergang, aber eine regionale Katastrophe unvorstellbaren Ausmaßes.

Ein Supervulkan-Ausbruch? Auch unwahrscheinlich

In der gleichen Liga spielen auch die Supervulkan genannten Ausbrüche überdimensionaler Vulkane. Vor 75 000 Jahren explodierte auf Sumatra im heutigen Indonesien ein solcher Riese und katapultierte mit 2800 Kubikkilometer genug Material in die Atmosphäre, um die Stadtfläche von Berlin mehr als 3100 Meter hoch zu bedecken. Dabei wurde viel Schwefeldioxid in die Atmosphäre geschleudert, das in der Luft sehr viel Sonnenlicht reflektierte. Nach diesem Toba-Supervulkan-Ausbruch folgte eine besonders kalte, tausend Jahre lange Phase der Eiszeit. Vermutlich wurde auch der damals noch jungen Menschheit die Nahrung knapp, bald lebten wohl nur noch um die 2000 Menschen auf der Erde.

Solche Supervulkane gibt es unter dem Yellowstone-Gebiet in den USA, ein anderer schlummert unter der Nordinsel Neuseelands. Gewaltige Eruptionen sind zwar nur nach einigen Hunderttausend oder wenigen Millionen Jahren fällig. Dann kommt auch kein Weltuntergang, die Menschheit wird ihn wohl ähnlich wie vor 75 000 Jahren überleben. Weltweit aber würden durch die drastische Abkühlung viele Menschen verhungern, in der Nähe der Eruption würde wohl alles Leben vernichtet.Andere Weltuntergangsszenarien sind dagegen Peanuts. So gibt es etwa gewaltige Sonnenstürme, von denen einer 1859 wütete. Er erzeugte in Telegrafenleitungen so starke elektrische Ströme, dass in einigen Stationen das Telegrafenpapier Feuer fing. „Würde ein ähnlicher Sonnensturm heute die Erde treffen, würde er elektronische Teile in den betroffenen Regionen weitgehend zerstören. Weltweit könnten so Schäden in Höhe von 1000 bis 2000 Milliarden US-Dollar entstehen“, berichtet Achim Gandorfer vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Katlenburg-Lindau. Das wäre zwar verheerend und würde etliche Menschenleben kosten. Ein Weltuntergang aber wäre es sicher nicht.

Deutschland: Live im Fernsehen und auf T-Shirts

Wenn am 21. Dezember das Ende naht, ist das ZDF live dabei. In der Sendung „Abenteuer Forschung spezial“ wird Harald Lesch Apokalypsetheorien auseinandernehmen und erklären, warum uns scheinbar unerklärliche Phänomene derart faszinieren. Korrespondenten berichten am Tag X live von den „Brennpunkten“ aus aller Welt, etwa von den Mayatempeln in Mexiko, wo der Abschluss des Kalenders geheimnisvoll zelebriert wird.

Auch das Reiseportal Travelzoo hat das Thema für sich entdeckt. Es listet immerhin augenzwinkernd zehn Orte auf, die man einmal im Leben, also noch in den nächsten zehn Tagen gesehen haben sollte: die Jurassic-Küste in Südengland, Lake Louise in Kanada oder St. Peter-Ording. Wärmstens empfohlen wird Globetrottern die heiße Quelle Furou Fushi Onsen in Japan, denn ein Bad im heiligen Wasser soll das Altern, ja sogar den Tod verhindern.

Und natürlich melden sich auch Wichtigtuer und Geschäftemacher zu Wort, die raten, schnell noch das Konto leer zu räumen oder, wie auch immer das funktioniert, eine Versicherung gegen den Weltuntergang abzuschließen. Andere Tüchtige verkaufen T-Shirts mit Sprüchen. Manche sind lustig, zum Beispiel „2012 – Game over“ oder, das hoffnungsvolle Gegenteil, „22.12.2012 – I survived!“. Carolin Leins

Italien: Mayas und Inkas unter einer Decke

Sie hatten vor dem Kolosseum in Rom gespielt, in kunterbunten Andenkostümen. Etwas Gitarre, verhauchte Töne aus der Panflöte, viel Hall aus einem tragbarem Verstärker, „El Condor pasa“ und so was. Und einer hatte mir einen Prospekt in die Hand gedrückt, auf dem stand: „Warum denken Sie bei 2012 immer nur an die Mayas? Kommen Sie zu den Inka! Kommen Sie nach Peru! Zum einmaligen Sonderpreis!“ Die letzte Zeile war mit gelb-orangefarbigen Flammen unterlegt: „Aber nur bis zum 21. Dezember!!!“

Als mir dieser Nachsatz so richtig bewusst wurde, hatte ich den Zettel schon weggeworfen. Steckten sie alle unter einer Decke? Hatten sich Maya und Inka gemeinsam gegen diese Welt verschworen?

Ich wollte bei der Reisefirma nachfragen. Nur hatte ich den Namen vergessen, und Google half nicht weiter. Viel schlimmer: Google verstärkte meine Unruhe immens. Wie viele Reiseveranstalter gibt es, die ihre Angebote am 21. Dezember enden lassen! Einer nach dem anderen! Tausende!

Es kam mir aber auch ein anderer Verdacht, und als ich die Peruaner neulich wieder am Kolosseum traf, fragte ich den Jungen. „Ist doch logisch!“, rief er und schüttelte sich vor Lachen: „Sonderangebote können nur bis zum 21. Dezember laufen. Am 22. beginnt die touristische Weihnachtssaison, und was meinst du, wie die Preise dann steigen!“ Paul Kreiner

Russland: Hamstern gegen die Finsternis

Das Fernsehen hat Science-Fiction-Produktionen, die Endzeitstimmung verbreiten, aus dem Programm genommen. Ärzte, Abgeordnete und Politiker riefen zu Ruhe und Besonnenheit auf. Und der Katastrophenschutzminister Wladimir Puschkow verkündete, dass Russland womöglich auch künftig Naturkatastrophen drohten, der Mayakalender aber sei keine Gefahr.

Doch es hilft nichts. In einem Frauenknast nahe der Grenze zu China wurden die Häftlinge von einer kollektiven Psychose erfasst. Erst ein vom Vollzugspersonal gerufener Pope konnte sie beruhigen. In einem anderen Provinzkaff brach Panik aus: In der Lokalzeitung hatte ein tibetischer Mönch die Apokalypse prophezeit, gefolgt von einer viertägigen Finsternis. Und im südsibirischen Nowokusnezk attackierten aufgebrachte Einwohner die Behörden: Diese seien ungenügend vorbereitet auf Stromausfälle und Plünderungen nach dem Weltende. Wie geplündert sehen gleich in mehreren Regionen auch die Supermärkte aus. In Barnaul hamstern die Einwohner Konserven und Kerzen, Taschenlampen und Thermosflaschen. Reißenden Absatz finden auch Notfallsets, die all das bereits enthalten, dazu Kondome, Wodka für die Herren und Sekt für die Damen.

Gott dürfte ergrimmt sein über jene, die es wagen, voll bepackt mit irdischen Kram beim Jüngsten Gericht zu erscheinen, an das auch die Russen glauben. 80 Prozent der Bevölkerung sind Christen. Doch schon im 19. Jahrhundert hielt der Nationaldichter Tjutschew der Masse vor, sie sei nicht gläubig, sondern abergläubisch. Elke Windisch

Schweiz: Die Uhr, die in der Spalte verschwindet

Alle Indizien deuten darauf hin, dass die Welt auch nach dem 21. Dezember weiter bestehen wird. Doch eine Schweizer Uhrenmarke hat sich dieses Datum für ihr freiwilliges Ende vorgemerkt. „Le Garde-Temps de la Fin des Temps wird mit derselben Geschwindigkeit untergehen, mit der wir sie gegründet haben“, verspricht Jean-Marc Bosque, ein Genfer Uhrmacher mit katalanischen Wurzeln. Und noch mehr: „Am 21. Dezember werde ich eine Mayapyramide besteigen, auf der einst Menschenopfer erbracht wurden. Dort werde ich den Prototyp der Uhr in eine Spalte fallen lassen“, zitiert die spanische Zeitung „Expansión“ Herrn Bosque.

Die Uhr, die der Historiker Bosque Anfang dieses Jahres auf den Markt brachte, soll eine Hommage an die Mayakultur sein. Er hat sie Kukulkan genannt, das ist der Name des Mayagottes der Wiederauferstehung in Form einer gefiederten Schlange. Das Ziffernblatt zeigt eine stilisierte Abbildung Kukulkans, die Stunden sind in der Mayazahlschrift gesetzt. Das Basismodell für den schmalen Geldbeutel kostet 12 000 Schweizer Franken (knapp 10 000 Euro), das gleiche Modell mit Diamanten besetzt 21 900 Franken und die exklusive Goldversion 365 000 Franken.

Bei diesen Preisen sollten die Uhren wohl eine halbe Ewigkeit überstehen. Aber nicht das Unternehmen, das sie in die Welt gesetzt hat. „Das Wichtige ist zu existieren“, sagt Jean-Marc Bosque geheimnisvoll. „Und sei es nur, um danach wieder vergehen zu können.“ Martin Dahms

Brasilien: Irgendwas wird schon passieren

Alto Paraíso liegt auf dem gleichen Breitengrad wie die Inkafestung Machu Picchu. Insofern könnte man erwarten, dass hier ab und zu mal ein Ufo landet, finden jedenfalls die Experten für fliegende Untertassen. Aber in Alto Paraíso kommen die speziellen Energien nicht aus dem Kosmos, sondern aus dem Untergrund, der aus einer riesigen Quarzplatte besteht. Und so ist Alto Paraíso, ein 7000-Seelen-Städtchen mit mehr als 40 mystisch-esoterischen Gruppen, auch ein schöner Ort, um dem Weltuntergang am 21. Dezember beizuwohnen.

Die Pension Alfa e Ômega bietet zum Weltuntergang ein „Mayakalender-Paket“ an, das heißt, man muss vom 20. bis zum 23. bleiben – oder wenigstens zahlen: „Es ist ein bisschen teurer, aber schon lange ausgebucht“, sagt die Empfangsdame. Fernanda Montes, die Tourismuschefin, erwartet 10 000 Gäste, 3000 mehr als sonst. Glauben die wirklich alle an das Ende? „Nein“, sagt sie, „die meisten kommen aus Neugierde.“ Aus Neugierde worauf? „Tja . . . na ja, dass irgendwas passiert“, sagt Fernanda. Immerhin macht die Stadt eine Riesenshow am 21. Dezember, mit Livemusik und Hippiemarkt. Und wem das nicht genügt, der kann, jedenfalls wenn er Alfa und Ômega gebucht hat, am 21. Dezember auch fernsehen. In der Master-Suite stehen nicht weniger als 180 Kabelkanäle zur Verfügung. Wolfgang Kunath

Frankreich: Schnell, alle auf den Felsen!

Eric Freysselinard hat für den Tag, an dem die Welt untergehen soll, Verstärkung angefordert. Auf Geheiß des Präfekten werden rund um den südfranzösischen Weiler Bugarach mehr als 250 Polizisten, Gebirgsjäger, Feuerwehrleute und Sanitäter aufmarschieren. Nicht, dass der bodenständige Franzose den Gurus Glauben schenkte, die das Ende der Welt prophezeien. Was Freysselinard Schlimmes befürchten und Gegenmaßnahmen treffen lässt, ist das zur Hiobsbotschaft gereichte Heils- und Rettungsversprechen. Es gebe einen Ort, versichern Sektenführer, der allen Erdbeben, allen Fluten trotzen werde: der Hausberg von Bugarach, den Pech de Bugarach.

Ein imposanter Kalkkoloss ist das. Auch geistig nicht erleuchtete Laien trauen einem solchen Berg Beharrungsvermögen zu. Esoteriker wollen obendrein in Erfahrung gebracht haben, dass er Außerirdischen als Ufo-Landeplatz dient, dass es am 21. Dezember nur noch den Gipfel erklimmen und beherzt einsteigen heißt.

Was dazu führt, dass ein Teil der ums Überleben bangenden Menschheit demnächst Kurs auf Bugarach nehmen dürfte. Der Präfekt sieht apokalyptische Szenen heraufziehen. Verzweifelte wie verzückte Bürger, die zu Tausenden die Steilwände des Massivs hinaufdrängen, in Spalten, Schluchten, Höhlen stürzen, im Fallen Vorder- oder Hinterleute in den Tod reißen. Es sei denn, die Sicherheitskräfte bieten der Apokalypse entschlossen Einhalt. Axel Veiel