Weltweit nur 14 Exemplare Echte Rarität in Esslingen zu sehen

Teile des „Canon missae“, dem Hochgebet der Eucharistiefeier, zieren eines der ältesten Esslinger Zeugnisse der Buchdruckkunst. Foto: Michael Saile

In Esslingen gibt es ein seltenes Ausstellungsstück zu sehen. Die Rarität existiert weltweit nur 14 Mal - jedes Exemplar ist anders.

Region: Corinna Meinke (com)

Das Jahr 1473 ist in die Esslinger Stadtgeschichte eingegangen als ein Jahr der Absicherung. Damals schlossen die Freie Reichsstadt und Graf Eberhard VI von Württemberg einen Vertrag, der den Schutz Esslingens gegen Zahlung einer Geldsumme zusicherte. In das 15. Jahrhundert fiel außerdem die Entwicklung der bahnbrechenden Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern.

 

Für diesen Meilenstein der Kulturgeschichte, der in Europa eng mit dem Namen Johannes Gutenberg, der von circa 1400 bis 1468 lebte, verbunden ist, steht auch das neue Objekt des Monats, das vom vierten November an im Städtischen Museum Esslingen gezeigt wird und als Beleg des christlichen Glaubens zu verstehen ist.

„Diese Medienrevolution, der Zuwachs und die Verbreitung von Wissen waren für Europa epochemachend und läuteten ein neues Zeitalter ein: Das Mittelalter endete und die Neuzeit begann“, schreibt Christiane Benecke, die stellvertretende Leiterin der Städtischen Museen Esslingen zum Thema Buchdruck.

Technik des Buchdrucks findet den Weg nach Esslingen

Das Wissen um die Technik der frühen Buchdrucke aus dem 15. Jahrhundert, die als Inkunabeln oder auf Deutsch als Wiegendrucke bezeichnet werden, verbreitet sich laut Benecke auch wegen des Erfolgs der weltberühmten „Gutenberg-Bibel B42“ rasch.

Im Esslinger Stadtmuseum Gelbes Haus am Hafenmarkt ist nun das Objekt des Monats November zu sehen. Foto: Roberto Bulgrin

Nur zwei Jahrzehnte später sei auch in Esslingen mit Konrad Fyner der erste Buchdrucker nachweisbar. Über dessen Leben sei leider nur sehr wenig bekannt. Er wurde wohl um die Mitte des 15. Jahrhunderts geboren, schreibt Christiane Benecke, aber zu seiner Herkunft und seiner Familie gebe es keine Überlieferungen.

Fyners „Canon missae“ in Esslingen

Fyner habe in Straßburg bei dem Buchdrucker Heinrich Eggestein das Druckerhandwerk gelernt. Ab 1473 habe Fyner eine Werkstatt in Esslingen betrieben, aber spätestens 1479 sei er weiter nach Urach gezogen, wo er bis mindestens 1482 tätig war. Vermutlich sei er dort zu der Zeit verstorben, da ihm bislang kein weiteres Werk zugeordnet werden könne, das später oder an einem anderen Ort entstand.

Laut Benecke können mindestens 32 Druckwerke Fyners Werkstatt in Esslingen zugeordnet werden, darunter auch der Titel „Canon Missae. Expositio Canonis Missae“. Dabei handele es sich um 24 Blatt, auf denen der „Canon missae“, das Hochgebet der Eucharistiefeier, abschnittsweise gedruckt und mit der Kommentierung eines anonymen Autors versehen sei.

Käufer wollten ein individualisiertes Buch

Weltweit sind lediglich 14 Exemplare dieses Fyner-Werks bekannt, das typischerweise das Thema Religion zum Inhalt hat. Zu Fyners Zeiten sei es üblich gewesen, dass die einzelnen Buchseiten ungebunden herausgegeben wurden und der Käufer die Bindung nach seinen eigenen Vorstellungen in Auftrag gab.

So komme es, dass sich die fertigen Bücher in ihrer Gestaltung unterscheiden. Den Beginn des Texts ziert bei dem hier gezeigten Exemplar eine in Rot ausgeführte Lombarde, damit ist ein Schmuckbuchstabe gemeint. Das sei jedoch nicht bei allen 14 bekannten Büchern der Fall, erklärt Benecke, da es sich bei der Zier um eine individuelle Nachbearbeitung von Hand nach dem eigentlichen Druck handle. So verwahre beispielsweise die Staatsbibliothek in München ein Exemplar mit einer blauen Lombarde.

Der Beginn jedes weiteren Abschnitts sei mit einer roten Markierung, einer Rubrizierung versehen, um Übersichtlichkeit zu gewährleisten. „Diese Arbeit konnte von einem so genannten Rubrikator („Rot-Macher“), dem Gehilfen eines Schreibers beziehungsweise Druckers, mit roter Tinte ausgeführt werden. Ob es sich in diesem Fall um Fyner selbst oder um eine weitere Person handelte, ist nicht bekannt, heißt es in der Objektbeschreibung.

Kostbare Schriften sind nicht erschwinglich

An mehreren Stellen im Buch fänden sich handschriftliche Notizen oder andere Markierungen eines Vorbesitzers. Auf eine als besonders wichtig erachtete Textstelle weise vom Blattrand aus eine gezeichnete Hand mit ausgestrecktem Zeigefinger hin. Die letzte Seite enthalte zudem eine längere handschriftliche Passage auf Latein.

Welchen Preis Konrad Fyner für ein Buch aus seiner Werkstatt verlangte, sei nicht bekannt. Man könne jedoch davon ausgehen, dass seine Ware für den größten Teil der Bevölkerung unerschwinglich war. Bei Wiegendrucken handle es sich häufig um religiöse Schriften, da sie im kirchlichen Auftrag also mit entsprechendem finanziellen Hintergrund entstanden.

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