Weltweiter Klimastreik am Freitag Wie sich Fridays for Future verändert hat

Die Politik tötet die Zukunft? Am 3. März wird wieder weltweit für Klimaschutz gestreikt. Foto: IMAGO//Alain Pitton

Am 3. März gehen wieder weltweit Menschen fürs Klima auf die Straße. Doch rund viereinhalb Jahre nach dem ersten Schulstreik von Greta Thunberg hat die Zugkraft der Bewegung nachgelassen. Das liegt nicht nur an radikaleren Organisationen.

Klima und Nachhaltigkeit: Julia Bosch (jub)

Morgen ist es zu spät. „Tomorrow is too late.“ Das ist das Motto des globalen Klimastreiks am Freitag, 3. März. Das soll bedeuten, dass die Folgen der Klimakrise immer drastischer werden, sagt Darya Sotoodeh, eine Sprecherin von Fridays for Future. Die Heidelberger Studentin hat von 2019 an Streiks besucht, seit 2020 ist sie in der Organisation aktiv. „Es geht uns nicht nur um die Zukunft. Die Folgen der Erderwärmung sind schon jetzt spürbar, vor allem im globalen Süden.“ Diese Herausforderungen würden jedoch von der Politik immer weiter in die Zukunft geschoben, kritisieren die Aktivisten.

 

In Stuttgart beginnt die Demo am Freitag um 14 Uhr am Schlossplatz, aber auch in Ludwigsburg, Esslingen, Nürtingen, Weil der Stadt, Herrenberg oder Tübingen wird gestreikt. In Baden-Württemberg rechnet die Gruppe mit Tausenden Teilnehmerinnen und Teilnehmern in mehr als 40 Städten.

Wie hat die Bewegung angefangen?

Am 20. August 2018, dem ersten Schultag nach den Ferien in Schweden, setzt sich eine 15-jährige Schülerin mit zwei Zöpfen vor den Reichstag in Stockholm. In den Händen trägt Greta Thunberg ein Schild mit der Aufschrift „Skolstrejk för klimatet“ („Schulstreik für das Klima“). Es ist mitten in der Hitze- und Dürreperiode 2018, außerdem drei Wochen vor der Reichstagswahl in Schweden. Von nun an protestiert Greta Thunberg jeden Freitag, als Hashtag in den sozialen Netzwerken verwendet sie #FridaysForFuture (FFF). In Deutschland demonstrieren junge Menschen erstmals im Dezember 2018. Von 2019 an wird dann weltweit gestreikt.

Ist FFF im Mainstream angekommen?

Das könne man so sagen, meint Franz von Lucke, Politikwissenschaftler an der Uni Tübingen. Er beobachtet die Klimaschutzbewegung von Beginn an und erinnert sich noch gut daran, wie sich am Anfang darüber echauffiert wurde, dass Kinder und Jugendliche die Schule schwänzten. „Dieses Aufregertum hat sich abgenutzt“, sagt er. Die Akzeptanz in der Bevölkerung für die Bewegung sei stark gewachsen.

„Wir werden von der Politik ernster genommen als früher“, sagt Darya Sotoodeh. Inzwischen würden sie oft gefragt, wenn es ums Klima gehe, „das ist ein großer Schritt“. Manche Politiker würden aber auch versuchen, „uns zu vereinnahmen und zufriedenzustellen“. Oft stecke dahinter Greenwashing.

Beobachtet die Bewegung FFF von Beginn an: der Politikwissenschaftler Franz von Lucke. Foto: privat

Franz von Lucke spricht von einer „Zu-Tode-umarmt-Strategie“. Damit meint er: Auch konservativere Politiker hätten ständig betont, dass man den jungen Menschen zuhören müsse und ihr Anliegen wichtig sei – aber es wäre dann nicht viel getan worden. „Das wurde mit der Zeit zum Problem: Schnelle Erfolge sind nicht mehr so sichtbar.“ Wenngleich es durchaus welche gab.

Was waren die größten Erfolge?

Zunächst einmal generell die „Wiederbelebung des Klimathemas“, wie Franz von Lucke sagt. Das Klima erhalte immer wellenförmige Aufmerksamkeit: So sei 2009 rund um die UN-Klimakonferenz in Kopenhagen viel über Klimaschutz diskutiert worden, ebenso rund um das Abkommen in Paris von 2015. Laut Darya Sotoodeh habe sich durch FFF die Aufmerksamkeit aufs Klima bis heute gehalten, „der Druck auf die Politik kann nicht mehr ignoriert werden“.

Außerdem trage die Bewegung einen erheblichen Anteil an den Ergebnissen der Grünen bei der Europawahl 2019, meint Franz von Lucke. Damals erzielten die Grünen in Deutschland 20,5 Prozent der Stimmen, mehr als doppelt so viel wie 2014. Bei den Erstwählern wählten damals 36 Prozent die Partei.

Als dritter entscheidender Erfolg für FFF wertet der Politikwissenschaftler das Urteil des Bundesverfassungsgerichts 2021. Damals bestätigten Richter, dass das deutsche Klimaschutzgesetz von 2019 in Teilen nicht mit den Grundrechten vereinbar war. Die Gefahren des Klimawandels würden zulasten der jüngeren Generation verschoben, hieß es. Mehrere Klimaschützer hatten damals Verfassungsbeschwerde eingereicht.

Wie hat sich die Gruppe verändert?

Sie ist professioneller geworden. Es gibt feste Sprecher, mehr als 6000 Ortsgruppen in Deutschland sowie Untergruppen wie Scientists for Future, Psychologists for Future oder Parents for Future. Einige Aktivistinnen sind zu Promis geworden: Luisa Neubauer, Carla Reemtsma, Greta Thunberg sowieso.

Ist die Hochphase von FFF vorbei?

Manche der Schüler oder Studierenden, die vor drei, vier Jahren bei Fridays for Future mit demonstrierten, arbeiten inzwischen, haben heute weniger Zeit. „Und es kann auch eine Desillusionierung sein, wenn man als junger Mensch bei vielen Demonstrationen dabei ist und sich dann aber wenig in kurzer Zeit ändert“, sagt von Lucke.

Zwischen 2020 und 2022 hat die Coronapandemie der Bewegung zudem einiges an Zugkraft genommen. „Unsere präsenteste Aktionsform war der Streik auf der Straße“, sagt Sotoodeh. Diese Massenzusammenkünfte funktionierten nicht mehr. Auch der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und die Inflation überschatten die Klimakrise. Ein weiterer Faktor ist, dass die Letzte Generation derzeit mehr Aufmerksamkeit erhält – wenngleich die Forderungen gar nicht so weit auseinanderliegen.

Darya Sotoodeh betont, dass man nicht sagen könne, dass die Hochphase von FFF vorüber sei, „denn die Hochphase der Klimakrise ist leider auch noch nicht vorbei“. Die gesamte Bewegung sei nach wie vor sehr aktiv und vernetzt. „Das ist auch nötig, weil die Krise sonst immer fataler wird.“

Wird die Bewegung wieder größer?

„Ich schätze den Einfluss nach wie vor relativ hoch ein“, sagt Franz von Lucke. Vielleicht nicht an den eigenen Erwartungen der Aktivisten gemessen, aber daran, was gewesen wäre, wenn es FFF nicht gegeben hätte, meint er. Und immer wenn es um konkrete Entscheidungen geht, erhalte die Gruppe mehr Aufmerksamkeit. Der Abriss Lützeraths im rheinländischen Braunkohlerevier habe viele Menschen mobilisiert.

Von Lucke rechnet auch damit, dass bei Wahlen oder wenn ein Klimapaket verabschiedet werde, wieder mehr mit und über die Aktivisten gesprochen werde. „Und wenn die Aufmerksamkeit für die Letzte Generation sich etwas abnutzt, kann das auch dazu beitragen, dass FFF wieder in den Fokus rückt.“

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