Die Hoffnung auf Wandel durch Handel ist dahin. Ein Rückzug auf Europa ist aber unmöglich, meint Wirtschaftsredakteurin Barbara Schäder.
Vor 20 Jahren protestierten gegen das Weltwirtschaftsforum in Davos tausende linke Globalisierungsgegner. Später stand in Gestalt von US-Präsident Donald Trump der wohl bekannteste Globalisierungsgegner nationalistischer Gesinnung auf der Konferenzbühne. Mit seiner Abwahl verband sich die Chance auf eine Wiederbelebung von Multilateralismus und Freihandel, bei verstärkter Rücksichtnahme auf die Globalisierungsverlierer.
Doch der Krieg in der Ukraine hat eine Polarisierung bewirkt: Zwischen dem Westen und Russland herrscht weitgehend Funkstille. China wiederum weigert sich, von Russland abzurücken, und ist in einen Handelskrieg mit den USA verstrickt.
Der Klimawandel kennt keine Grenzen
„Kooperation in einer fragmentierten Welt“ lautet denn auch das Motto des diesjährigen Weltwirtschaftsforums. Der Titel beschreibt eine Notwendigkeit. Denn etliche Probleme müssen Politiker aus aller Welt gemeinsam anpacken. Am augenfälligsten ist dies beim Kampf gegen den Klimawandel, der vor Grenzen natürlich nicht halt macht. Aber auch der Kampf gegen Hunger und Kinderarbeit in Entwicklungsländern bedarf einer weltweiten Anstrengung.
So wahr es auch ist, dass die Globalisierung mit der wirtschaftlichen Ausbeutung ärmerer Länder einherging – mit einem Rückzug westlicher Unternehmen wäre den dortigen Arbeitnehmern nicht gedient. Umgekehrt gilt: Zwar müssen Firmen in Europa nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre ihre Lieferketten diversifizieren. Doch eine vollständige Rückverlagerung der Produktion ist schon allein wegen des Fachkräftemangels keine sinnvolle Option.
Internationale Mindeststandards auch durchsetzen
Umso wichtiger wäre, dass internationale Mindeststandards bei Arbeitnehmer- und Menschenrechten konsequent durchgesetzt werden. Initiativen wie das Lieferkettengesetz weisen in die richtige Richtung. Gleichzeitig ist dieses Gesetz ein Beispiel dafür, mit welchen Schwierigkeiten nationale oder auch auf die Europäische Union begrenzte Auflagen verbunden sind: Wie bei den EU-Klimaschutzregeln befürchten viele Unternehmen Wettbewerbsnachteile gegenüber Firmen aus den USA und anderen Weltregionen.
Bemühungen, Nicht-EU-Staaten von den Vorteilen eines gemeinsamen Emissionshandels zu überzeugen, kommen nicht voran. Stattdessen setzt Washington auf milliardenschwere Subventionen für Investitionen in klimafreundliche Produktionsstätten in den USA. Als Reaktion darauf wirbt nun die EU-Kommission für einen neuen Fonds, um auch der europäischen Wirtschaft mehr Geld für den Klimaschutz zur Verfügung zu stellen. Damit steigt die Gefahr eines Subventionswettlaufs.
Europa braucht Partner, darf aber nicht naiv sein
Besser wäre, in eine Verbesserung der europäischen Standortbedingungen zu investieren: In Glasfasernetze, Brücken und Eisenbahnschienen. In gute Schulen und starke Universitäten und in die Integration der Flüchtlinge, die in den vergangenen Jahren nach Deutschland und in andere europäischen Staaten gekommen sind. Das wäre auch ein ganz konkreter Beitrag zur Verminderung der sozialen Ungleichheit innerhalb Europas.
Nach außen bleibt den Europäern gar nichts anderes übrig, als sich weiter um Kooperationen zu bemühen. Dabei müssen sie die Lehren der Vergangenheit beherzigen: Einseitige Abhängigkeiten – wie beim russischen Gas – sind zu vermeiden. Auch gilt es von unrealistischen Erwartungen Abschied zu nehmen: Die Hoffnung auf einen politischen Wandel durch Handel hat sich in China nicht bewährt. Trotzdem hat die Wirtschaft auf beiden Seiten profitiert. Die Globalisierung ist weder Heilsbringer noch Teufelszeug – sie muss gestaltet werden.