Armin Laschet hat sich durchgesetzt. Doch es bleibt rätselhaft, wie er erfolgreich sein kann, meint Joachim Dorfs.

Chefredaktion: Joachim Dorfs (jd)

Stuttgart - Nun also Armin Laschet. Viele Mitglieder der Parteienschwestern, die einmal die Union waren, nehmen die Entscheidung für den CDU-Vorsitzenden als Kanzlerkandidaten mit der Faust in der Tasche zur Kenntnis, und auch bei den Unterstützern kommt keine Euphorie auf. Ja, Laschet hat sich durchgesetzt, ja, er hat gewonnen, weil er mehr zu verlieren hatte als sein Widersacher Markus Söder. Doch zu groß sind selbst in der CDU die Zweifel an ihm als Zugpferd für die anstehende Bundestagswahl, zu tief die machtpolitischen Gräben, die sich aufgetan haben, zu frisch die Wunden, die sich die Kontrahenten und ihre Unterstützer zugefügt haben.

 

Machtkampf ja bitte, doch Regeln müssen sein

„Regieren ist eine Stilfrage“, plakatierten die Südwest-Grünen im Landtagswahlkampf vor fünf Jahren. Wie unterschiedlich der Weg zum Regieren im Bund zwischen den C-Parteien und den Grünen verlaufen ist, wurde schon hinlänglich beschrieben. Damit kein Missverständnis aufkommt: Der politische Wettbewerb auch zwischen Kandidaten aus der gleichen Parteienfamilie ist nicht verwerflich, sondern geradezu gewünscht. Zwar kann er auch Verletzungen hinterlassen, aber er schärft den Blick auf Persönlichkeit und Positionen und belohnt das bessere Argument. Voraussetzung ist jedoch: Er muss, etwa wie bei den Vorwahlen in den USA, offen, auch an Inhalten orientiert und regelgebunden ablaufen. Und wenn es vorbei ist, müssen sich alle hinter dem Gewinner versammeln.

Der Machtkampf in der Union erfüllte bis jetzt kein einziges dieser Kriterien. Umfragewerte und Charakter als einzige Sachargumente sind ein bisschen dünn für eine Partei, deren Anspruch es ist, den Kanzler zu stellen. Oder weiß nach den vergangenen Wochen irgendjemand, welche Konzepte Laschet oder Söder für die Zukunft dieses Landes haben? Entscheidend zur Zerrüttung bei trug auch der chaotische Prozess, von dem heute noch nicht einmal endgültig feststeht, dass er abgeschlossen ist. Stattdessen fand die für die Kandidatenkür mutmaßlich entscheidende Sitzung einerseits hinter verschlossenen Türen statt, die dann andererseits via sozialer Medien so weit offen standen, dass die Öffentlichkeit sich als Teil eines Public Viewings fühlen durfte. Sinnbildlich für alles, was in der Union passiert, steht der kolportierte Satz Wolfgang Schäubles, als im entscheidenden Moment auch noch die Abstimmungstechnik versagt: „Jetzt geht alles schief.“

Millennials gegen Boomer

Nur Stunden zuvor haben die Grünen nicht nur ihre perfekt choreografierte Kür von Annalena Baerbock präsentiert. Sie haben mit einer Interview-Inszenierung am Abend einen neuen, jüngeren Politikstil vorgeführt, der die streitenden CDU-Männer besonders alt aussehen ließ. Neudeutsch würde man sagen: Da treten die frischen „Millennials“ gegen die alten „Boomer“ an. Hinzu kommt: Das Wahlprogramm der Grünen ist fertig und muss nur noch beschlossen werden. Die Pläne für die Transformation der Industriegesellschaft, Digitalisierung, Steuerpolitik; alles nachzulesen. Das muss man nicht gut finden. Aber jeder weiß, woran er ist. Bei der CDU dagegen bis heute: Fehlanzeige.

Bis zur Bundestagswahl sind es noch fünf Monate und fünf Tage, in denen noch sehr viel passieren kann. Es ist also alles andere als ausgemacht, dass die nächste Kanzlerin eine Grüne wird und die Union eine krachende Niederlage einfährt – in diesen turbulenten Zeiten zumal. Armin Laschet, auch das lehren die vergangenen Tage, hat beachtliche Nehmerqualitäten und kann sich gegen Widerstände durchsetzen. Doch Stand heute ist nicht zu erkennen, wie ein gemeinsamer Wahlkampf gelingen soll. Warum die Union bei der nächsten Wahl erfolgreicher sein soll als in den vergangenen zwei Monaten, bleibt völlig ungewiss.