Die Landesregierung verspricht einen Abbau der Bürokratie im Südwesten. Profitieren soll unter anderem der Wohnungsbau. Aber es geht auch um die Frage, ob der Jägerzaun ums Grundstück erlaubt wird.

Politik/Baden-Württemberg: Rainer Pörtner (pö)

Stuttgart - Die baden-württembergische Regierung will staatliche Vorschriften und Verfahren im Land deutlich vereinfachen und verbessern. Sie erhofft sich davon unter anderem große Fortschritte im Wohnungsbau. „Ich will systematisch Verwaltungs- und Genehmigungsverfahren hinterfragen und dabei die Mängel-Hinweise aus der Gesellschaft ernst nehmen“, sagte Klaus-Peter Murawski, neuer Koordinator der Landesregierung für Bürokratieabbau, unserer Zeitung.

 

Als Beispiel nennt Murawski das Baurecht. Heute werde „ganz unterschiedlich entschieden, wie jemand sein Grundstück einfrieden darf“ – mit Mauer, mit Jägerzaun oder ganz anders. Der Staat solle jedoch dem Bürger an dieser Stelle mehr Freiheit einräumen. „Deshalb brauchen wir Regeln, die dafür sorgen, dass von den jeweils zuständigen Beamten möglichst einheitlich und möglichst unbürokratisch entschieden wird.“

Weniger Kosten durch Häuser aus Holz-Modulen?

Murawski ist seit Januar 2018 offiziell „Koordinator der Landesregierung für Bürokratieabbau“. Er fordert die Städte und Gemeinden auf, stärker als bisher den Bau von Häusern in industrieller Holz-Modulbauweise zu ermöglichen. Dies werde zu einer deutlichen Kostenreduzierung führen. „Wir reden hier über einen Preisunterschied von 3200 Euro zu 1357 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche“, sagte der Chef der Staatskanzlei. „So könnten wir die Wohnungsbaukosten in Baden-Württemberg nahezu halbieren.“

Mit Blick auf die Kommunen regt Murawski eine Übersicht an, in der freie Bauplätze im Land zu finden sind. „Warum ist es eigentlich nicht möglich, dass die Kommunen in eigener Regie ein landesweites Kataster erstellen, in dem jeder, der Wohnungen bauen will, sehen kann, wo baureife Grundstücke zur Verfügung stehen?“, fragt Murawski. Das gebe es bisher nicht. „Hier sperren sich noch viele Kommunen. Offensichtlich wollen sie sich bei der Grundstücksvergabe nicht zu sehr in die Karten schauen lassen.“

Streit um Fahrradstellplätze und begrünte Dächer

In der grün-schwarzen Koalition selbst schwelt zur Zeit ein Konflikt um die Änderung der Landesbauordnung. Umstritten ist insbesondere die Begrünungspflicht für Dächer und Häuserfassaden und die Fahrrad-Stellplatzpflicht bei Wohnungen. Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) hat die Grünen gerade aufgefordert, hier ihre „Blockadehaltung aufzugeben“ und Erleichterungen zu ermöglichen. Der Grünen-Politiker Murawski verteidigte die bestehenden Regelungen. Für die Wohnungsbauer seien „das vernachlässigbare Randprobleme“.

Lautstarke Klagen aus der Wirtschaft

Murawski betonte, er wolle sich für einen gut funktionierenden Staat einsetzen, „in dem Bürger und Firmen die Verwaltung möglichst wenig als Last und möglichst stark als Unterstützer erleben“.

Aus der Wirtschaft kommen jedoch weiterhin lautstarke Klagen über staatliche Überregulierung. „Die Bürokratie ist noch immer eines der größten Ärgernisse für Einzelhändler im Südwesten“, sagt beispielsweise Hermann Hutter, Präsident des Handelsverbands Baden-Württemberg.

Den größten Ärger verursacht zurzeit die Datenschutzgrundverordnung der EU. Sie regelt die Verarbeitung personenbezogener Daten in Unternehmen und öffentlichen Stellen neu. „Aus unserer Sicht gab es noch nie einen größeren bürokratischen Einschnitt in die Wirtschaft und damit auch in den Einzelhandel“, sagt Verbandschef Hutter. „Insbesondere die kleinen Unternehmen werden überfordert.“