Die Stuttgarter Polizei atmet auf: In den ersten sieben Monaten des Jahres deutet sich an, dass weniger eingebrochen wird in der Landeshauptstadt.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Bei den Einbruchszahlen deutet sich in Stuttgart ein deutlicher Rückgang an: Nach Informationen unserer Zeitung hat die Polizei bis Ende Juli in der Landeshauptstadt 336 Einbrüche registriert, im ersten Halbjahr 2015 waren es 656 gewesen. Das wäre grob gerechnet eine Halbierung. Offiziell gibt die Polizei noch keine Zahlen heraus – sie zieht immer erst im darauffolgenden Frühjahr Bilanz. Rüdiger Winter, der Chef der Kriminalpolizei, bestätigt aber den Trend: „Wir sind sehr, sehr zufrieden. “

 

In den zurückliegenden Jahren hatte das Thema Einbruch der Kriminalpolizei viel Kopfzerbrechen bereitet. Jahr für Jahr stieg die Zahl der in Stuttgart verübten Taten. Erstmals waren die Zahlen im Jahr 2015 wieder rückläufig. Im vergangenen Jahr zählte die Polizei in ihrer offiziellen Statistik 903 Fälle. Schon das war als kleiner Erfolg zu werten, denn davor hatte die Zahl für 2014 mit 1277 Fällen einen Rekordwert nach einem mehrere Jahre andauernden Aufwärtstrend bedeutet. Die 1000-Fälle-Marke war 2013 zum ersten Mal überschritten gewesen (1025), 2013 hatte man in Stuttgart 882 Fälle gezählt. Mit 581 Fällen war 2008 am wenigsten belastet im Zehn-Jahres-Vergleich.

Der Kripochef ist zurückhaltend mit Entwarnungen

Die Werte, das betont der Kripochef, sind so nicht direkt vergleichbar. In die Kriminalstatistik, aus der die genannten Zahlen der Vorjahre stammen, fließen Fälle ein, die abgeschlossen und an die Staatsanwaltschaft abgegeben sind – das kann sich natürlich auch über einen Jahreswechsel hinziehen. Die Zahl für das aktuelle Jahr ist die der von der Polizei aufgenommenen Fälle. Winter warnt zugleich davor, die Zahlen, die er konkret nicht kommentiert, zu früh als Entwarnung zu interpretieren. „Es beginnt die dunkle Jahreszeit, da kann in einem Monat so viel passieren, dass wir schnell wieder auf dem Vorjahresniveau sind“, sagt er. Die Fachleute bei der Polizei haben hingegen am Ende der Sommerferien festgestellt, dass sich ein Trend der zurückliegenden Jahre nicht bestätigt hat: Seit zwei, drei Jahren hatte es den Sommer über keine Entwarnung gegeben. Das war in diesem Sommer nicht so.

Trotz dieser statistischen Unschärfe und der Warnung des Chefs hört man auf den Fluren der Kripo allenthalben ein erleichtertes Aufatmen. Mit den bald täglichen Meldungen über Eindringlinge, die selbst dann ohne Scheu einstiegen, wenn die Bewohner nachts schliefen, sank das Sicherheitsgefühl der Stuttgarter – und das ist indirekt immer auch eine Kritik an der Polizeiarbeit. So heißt es im aktuellen Präventionsbericht der Stadt, dass sich zwar 92 Prozent der Bürger sicher fühlen würden, jedoch die Angst, Opfer eines Einbruchs zu werden, groß sei.

Polizei hofft, dass Bürger weiterhin rechtzeitig wichtige Hinweise geben

Winter ist sich sicher, dass der Rückgang auch der Polizeiarbeit zu verdanken ist. „Das spricht sich in den Kreisen der Täter herum“, sagt er. Seit Anfang 2014 hat die Polizei die Bearbeitung der Einbruchsfälle gebündelt. Bei den Experten laufen alle Informationen zusammen, von der aktuellen Lage bis zu übereinstimmenden Spurenfunden. „Wir haben das immer weiter verbessert: Bei zehn Einbrüchen kommt in acht bis neun Fällen die Kriminaltechnik mit professionellen Spurensicherern vorbei“, sagt Winter. Wichtig sei auch, dass die Ermittler nach einem Einbruch die Nachbarschaft aufsuchen würden, um nach verdächtigen Wahrnehmungen zu fragen. „Oft kommt dann noch raus, dass jemand ein Auto oder Personen gesehen hat, die dort sonst nicht unterwegs sind. Das können wichtige Hinweise sein“, sagt Winter. „Da erfährt man im Nachhinein, dass ein Nachbar ein verdächtiges Auto sogar fotografiert hat. Das ist dann natürlich auch noch wertvoll, besser wäre es aber, uns gleich zu informieren – nicht erst, wenn der Einbrecher schon da war“, sagt Winter. Jede Identifikation und erst recht jede Festnahme der Tatverdächtigen helfe, die Einbruchskriminalität einzudämmen. Denn oft verüben die Täter keine einzelnen, zufälligen Taten. Die Polizei hat in den zurückliegenden Jahren häufig festgestellt, dass ganze Gruppen systematisch vorgehen. Viele von ihnen kamen aus Osteuropa. Zur Abschreckung zählt für Winter, dass Einbrecher zu erheblichen Haftstrafen verurteilt werden.

Welche Rolle genau bei der Einbruchsbekämpfung das Computerprogramm „Precobs“ spielt, könne man noch nicht sagen: „Die wissenschaftliche Auswertung steht noch aus. Wir haben gute Erfahrungen mit dem Programm gemacht“, sagt Winter. Die Software errechnet auf der Grundlage der Daten bereits verübter Einbrüche, wo eine weitere Tat wahrscheinlich ist. Dem liegt die Theorie der „Near Repeats“, der Wiederholungsfälle in der Nähe, zugrunde: Wenn ein Täter eine Gegend als lohnenswert erachtet und sich auch die Fluchtwege bewährt haben, ist er oft dort mehrmals tätig. Erkennt die Software derlei Strukturen, löst sie einen Alarm aus. Kenner der Szene sagen, dass nur in Städten, in denen die Falldaten – anders als in Stuttgart – noch nicht zentral gesammelt wurden, dem Programm eine bedeutende Rolle bei der Verbesserung der Polizeiarbeit zugeschrieben wird, wenn sie es verwenden.