Die Christdemokraten aus Baden-Württemberg hadern mit dem schwindenden Einfluss ihres Landesverbandes in der künftigen Bundesregierung. Es geht um das Mitwirken im Zentrum der politischen Macht.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Auf der Bühne des CDU-Parteitags in Berlin sitzt Thomas Strobl ziemlich nah bei Angela Merkel, der immer noch mächtigsten Frau in der CDU. Im Regierungsalltag, der nach dem Wunsch der Union möglichst bald beginnen soll, wird sich dieser Zustand verstetigen. Dabei geht es weniger um Strobl selbst als um die Nähe seiner Südwest-CDU zum Zentrum der politischen Macht. Annette Widmann-Mauz soll dafür zuständig sein. Die Christdemokratin aus Tübingen, designierte Bundesbeauftragte für Migration, Flüchtlinge und Integration, werde „Tür an Tür mit der Kanzlerin“ arbeiten, so Strobl.

 

In der Groko I und II unter Merkel hatte die Südwest-CDU jeweils zwei Minister

Widmann-Mauz ist allerdings auch die einzige aus der baden-württembergischen CDU, die überhaupt am Kabinettstisch Platz nehmen darf – und das nicht auf einem der wichtigen Sessel. Sie darf sich künftig zwar Staatsministerin nennen, wenn sie sich um Integrationspolitik kümmert. Der Posten rangiert aber nur dem Namen nach auf Ministerebene. Faktisch bleibt Widmann-Mauz, was sie bisher war: Staatssekretärin. Ein Bundesminister aus Baden-Württemberg wird der künftigen Regierung, sofern sie denn zustande überhaupt kommt, nicht angehören. Das gab es schon lange nicht mehr. In der ersten großen Koalition unter Merkels Regie durften noch zwei Minister aus dem Südwesten mitregieren: Annette Schavan (Bildung und Forschung) und Wolfgang Schäuble (Innen). So war das auch in der zweiten Merkel-Groko – bis Schavan 2013 wegen ihrer Doktoraffäre zurücktreten musste.

Was den politischen Einfluss der Südwest-CDU in Berlin angeht, so gibt es zwei Lesarten im Kreis der Betroffenen. Strobl verweist auf seinen Schwiegervater Wolfgang Schäuble, jetzt Präsident des Bundestags, auf Volker Kauder, der seit zwölf Jahren die Unionsfraktion führt, und wirft auch den EU-Kommissar Günther Oettinger in die Waagschale. Gegen diese drei Namen lasse sich schwer andiskutieren, räumen seine Kritiker ein. Strobls Hinweis auf die räumliche Nähe des künftigen Büros von Annette Widmann-Mauz zum Büro der Kanzlerin ist für viele allerdings wenig überzeugend. Der Job im Kanzleramt sei „ein verlorener Posten“, so ein CDU-Mann aus Baden-Württemberg, der von eben diesem Job viel versteht. Eben deshalb wurmt es ihn, dass die Vorsitzende der Frauenunion nach seiner Erwartung „Merkel in keinem Punkt widersprechen“ werde. „Davon gibt es schon zu viele.“

„In Seehofers Schatten zu stehen, ist kein Vergnügen“

Unter den christdemokratischen Bundestagsabgeordneten aus dem Südwesten wird der Verzicht auf ein erstrangiges Ministeramt als „geostrategischer Nachteil“ gewertet. Schmerzlich sei dieser Nachteil zudem, da in der Person Schäubles die baden-württembergische CDU bisher großes Gewicht in der Regierungspolitik hatte: zunächst in der Innenpolitik, später als eiserner Kassenwart der Republik. Damit seien Kabinettsposten in der zweiten Reihe nicht zu vergleichen. Widmann-Mauz werde als Regierungsbeauftragte für Integration zudem im Schatten des künftigen Innenministers Horst Seehofers stehen, zu dessen Ressort auch die Heimatpolitik zählen wird. „Und in Seehofers Schatten zu stehen, ist kein Vergnügen“, sagt ein erfahrener Mann aus der Bundestagsfraktion.

Welchen Widerhall Strobls Lesart der Machtgeografie aus baden-württembergischer Perspektive findet, lässt auch Rückschlüsse auf seine Autorität unter den Parteitagsdelegierten aus dem Südwesten zu. Da gibt es etliche, die ihm den schwindenden Einfluss in Berlin höchst persönlich anrechnen. In diesem Kontext wird auch der Wert seines Postens als Stellvertreter Merkels an der Spitze der CDU hinterfragt. Die Nähe zur Kanzlerin auf der Bühne des Parteitags habe sich machtarithmetisch nicht ausgezahlt.