Wenn Männer gerne putzen Saubermann im Einsatz

„Das Beste am Putzen ist nicht das Putzen selbst, sondern das Ergebnis“, sagt Julian Fischer. Foto: dusanpetkovic1 - stock.adobe.com/dusan petkovic

Männer und putzen? Das passt nicht zusammen – heißt es zumindest. Vorurteile aber spornen unseren Protagonisten an, jeden Samstag greift er zu Mikrofasertuch und Zitronen-Scheuermilch.

Julian Fischer steht dazu: Er putzt gerne und regelmäßig – meistens am Samstagnachmittag. Dann ist die ganze Wohnung dran, 90 Quadratmeter. Wenn er so gut wie fertig ist und nur noch die Putzlappen im Keller aufhängen will, trifft er oft seine Nachbarn. Sie, ein Ehepaar mit dreijährigem Kind, kommen gerade aus der Stadt zurück, haben eingekauft, Eis gegessen. Was man samstags halt so macht. Aber putzen? Sie denken sich bestimmt: Der putzt mal wieder. Glaubt Julian Fischer zumindest. Mit den Nachbarn über das Putzen gesprochen hat er nie. Ihr Lob, dass seine Wohnung immer so aufgeräumt sei, freut ihn.

 

Abschalten beim Staub wischen

Julian Fischer ist 33 Jahre alt und heißt eigentlich anders. Erkannt werden möchte er nicht. Seit siebeneinhalb Jahren ist er mit seiner Frau zusammen. Seit zwei Jahren leben sie in einer gemeinsamen Wohnung zur Miete. Es ist das erste Mal, dass er mit einer Frau zusammengezogen ist. Er hatte immer Angst, dass die Beziehung deshalb scheitert; er hat einen hohen Anspruch an Ordnung und Sauberkeit. Die Angst ist bisher unbegründet geblieben, seine Frau ist ebenfalls ordentlich und sauber. Die Fischers wechseln sich samstags mit dem Putzen ab. Das Putzen macht Julian Fischer Spaß, er kann dabei abschalten und seinen Gedanken nachhängen.

Für einen Mann ist Schmutz akzeptabler

Männer und putzen? Können sie das? Benutzen sie statt Mikrofasertuch nicht nur Klopapier, um etwas sauber zu machen? Verschiedene Studien zeigen, dass Frauen deutlich häufiger als Männer waschen, kochen, putzen. Eine Stunde und 20 Minuten je Tag machen sie das, heißt es in der Untersuchung „Good Housekeeping, Great Expectations: Gender and Housework Norms“, erschienen 2019 in den USA. Männer wenden nur eine halbe Stunde auf, zehn Minuten davon saugen oder räumen sie auf.

Die Studie widerlegte auch das Vorurteil, dass Männer Dreck nicht sehen. Die Forscher ließen 646 Probanden Fotos von mehr oder weniger sauberen und dreckigen Räumen bewerten. Beide Geschlechter beurteilten die Zustände gleich. Allerdings: Wohnte eine Frau in einem nicht ganz sauberen Raum, gab es negative Kritik. Für einen Mann wäre das Zimmer akzeptabel gewesen. Für Frauen gelten also höhere Standards.

Die Untersuchung zeigte auch, dass Frauen als eher verantwortlich für die Hausarbeit angesehen werden. In Deutschland ist das Realität: Erwerbstätige Frauen mit Kindern übernehmen einer Auswertung der Hans-Böckler-Stiftung von 2022 zufolge mit einer Wahrscheinlichkeit von 74 Prozent den Großteil der Alltagsaufgaben. Julian Fischer und seine Frau streben an, gleich viel zu tun.

Badezimmer, Gäste-WC, Schlaf-, Kinder- und Wohnzimmer mit Küche heißen in dieser Reihenfolge die ewigen Gegner im Hause Fischer. Er befreit Oberflächen von Staub und wischt den Boden. Samstags nimmt er sich normalerweise nichts vor, der Tag ist für Putzen reserviert. Er könnte sich Besseres vorstellen, aber es müsse eben gemacht werden, sagt er. Und wenn die Wohnung sauber ist, fühlt er sich gut.

Wer hält es länger im Dreck aus?

Männer und putzen, das ist mit Vorurteilen belastet. Beispiel Junggesellenbude: Ein Mann wohnt allein, in einer spartanisch eingerichteten Wohnung, keine Deko, Kleidung liegt auf dem Fußboden und dem Sofa, im Waschbecken Bartstoppel und Haare. Zweites Beispiel: Letztens war Julian Fischer auf einer Fortbildung, man kam vom Thema ab und redete übers Aufräumen. Die Dozentin sagte, dass Ordnung schaffen bei Männern bedeute, dass sie die Kaffeetasse von links nach rechts schieben. Sie machte das auf ihrem Tisch vor. Drittes Beispiel: ein Zeitungsartikel, Autorin ist eine Frau. Sie schreibt, dass eine Beziehung aus viel schnödem Alltag besteht, in dem sich die Frage stellt: Wer hält es im Dreck länger aus? Die Antwort gibt die Autorin selbst: „Es ist selten die Frau.“

Diese Vorurteile spornen Julian Fischer an. Wenn er putzt, geht es mit einem besonders schwierigen Raum los: dem Badezimmer. Er schaltet dann an seinem Handy das Radio an. Von 14 bis 18 Uhr läuft häufig Fußball, Erste und Zweite Bundesliga, Live-Konferenz, dazwischen Popmusik. Er räumt das Badezimmer komplett leer, Kosmetikeimer, Handtücher, Zahnbürstenglas, Waage, alles raus. Zunächst wischt er mit einem Trockentuch über die Oberflächen. Der erste Staub ist weg.

Das Beste am Putzen ist das Ergebnis

Danach saugt er den Boden ab, ehe er die Toilettenschüssel mit einem WC-Putzmittel einsprüht. Mit einem Lappen putzt er über und unter der Toilettenbrille. Das Innere macht er mit der Toilettenbürste sauber. Den Rest trocknet er mit dem Trockentuch. Danach lässt er Zitronen-Scheuermilch in das noch feuchte und von der Woche mit Flusen versehene Waschbecken tropfen. Mit einem Schwamm alles verreiben und die Armaturen putzen. Man sieht das Ergebnis schnell, Kalkflecken verschwinden so schnell wie schwüle Luft bei einem Gewitter, das Waschbecken glänzt. Herrlich. Danach: Boden wischen, trocknen lassen und alle Gegenstände gesäubert wieder einräumen. „Das Beste am Putzen ist nicht das Putzen selbst, sondern das Ergebnis“, sagt Julian Fischer. „Dass es wieder sauber ist.“

Putzen ist körperlich anstrengend, Fischer geht dabei in die Hocke und auf die Knie. Ein Freund sagte einmal, dass Putzen wie eine Sporteinheit ist. Besonders deutlich wird das beim Putzen von bodentiefen Fenstern, Julian Fischer macht dann Kniebeugen, nur mit einem Abzieher in der Hand. Die Hausarbeit könnte weniger hart sein, wenn Julian Fischer sie nicht an einem Stück erledigen würde. Das aber bevorzugt er. Wenn er erst mal angefangen hat, kommt er in einen Flow, sagt er. Die Stimmung werde nach 15 Minuten immer besser, er schalte mehr und mehr ab. Und motiviere sich selbst: weiter, immer weiter, Raum für Raum. Mit dem Putzen fertig ist Julian Fischer zwischen 19 und 20 Uhr – wenn sich andere für die Kneipe fertig machen.

Er kommt in einen Flow

Das Finale: Mit dem roten Mikrofasertuch wischt Julian Fischer über die Sohle seiner Hausschuhe. Dort hat sich die ganze Woche über Staub angesammelt. Er legt sie mit der Sohle nach oben zum Trocknen in den Eingangsbereich, zieht die Strümpfe aus und läuft barfuß über den sauberen Boden. Schönes Gefühl.

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