Der Landtag ist mal wieder Schauplatz einer kontroversen Debatte rund um das Thema Luftreinhaltung. CDU und FDP werfen den Grünen Enteignung vor, weil sie Fahrzeuge im Straßenverkehr reduzieren wollen.

Stuttgart - igentlich sind die Argumente ausgetauscht. Doch noch immer gerät der Landtag beim Thema Fahrverbot derart in Wallung, dass die wechselseitigen Beschimpfungen in einer Lärmwolke verschwinden. „Ich muss erst im Protokoll nachschauen, ob nachträgliche Ordnungsrufe nötig sind“, seufzte am Donnerstag Präsidentin Muhterem Aras, nachdem erneut die Fetzen geflogen waren.

 

Der übliche Reflex, die Grünen für die Auflagen an Dieselfahrer verantwortlich zu machen, erhielt noch dadurch Nahrung, dass unsere Zeitung am selben Tag getitelt hatte: „Grüne kritisieren privaten Autobesitz“. Dabei geht es um eine Studie über „Autonomes Fahren im öffentlichen Verkehr“, die von den Grünen-Fraktionen in Bund und Ländern in Auftrag gegeben worden war. Darin heißt es: „Kerngedanke einer Verkehrswende ist, dass sich der individuelle Verkehrswunsch vom Eigentum an einem Fahrzeug löst und durch die Nutzung eines vielfältigen Fahrzeugparks ersetzt wird.“ Eine Kombination von ÖPNV, automatisierten Autos und Zweirädern lasse die Zahl der Kfz in Großstädten von derzeit 500 auf 150 pro tausend Einwohner reduzieren, hatte Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz die Studie kommentiert.

Ein Stöckchen von FDP und SPD

Für Hans-Ulrich Rülke war das natürlich ein gefundenes Fressen. „Die Grünen wollen das Automobil kaputt machen“, legte der FDP-Fraktionschef vor. Diese Absicht stecke auch hinter dem Fahrverbot für Euro-4-Diesel, das pure Willkür sei.

Da Rülke weiß, dass dies auch die Sicht einiger Christdemokraten ist, die es aus Koalitionsdisziplin aber verheimlichen, setzt er gern grobe Keile in diese Kerbe: „Wie lange will sich die CDU das noch bieten lassen?“ Also hielt er zusammen mit seinem SPD-Kollegen Andreas Stoch der Regierung ein Stöckchen hin: Wenn Fahrverbote für Euro 5 wirklich flächendeckend ausgeschlossen seien, wie die CDU verspricht, dann möge man dies doch nun in namentlicher Abstimmung beschließen. Doch darüber sprangen weder CDU noch Grüne. Sie beschlossen vielmehr, sie wollten weitere Fahrverbote „rechtssicher“ vermeiden.

Abscheu und Genugtuung

„Die CDU will eine Mobilitätspolitik, die sich an den Bedürfnissen der Menschen orientiert“, gab sich CDU-Mann Thomas Dörflinger verbindlich. Sein einziger Kommentar zur Studie lautete, man dürfe die Bürger nicht bevormunden. Hinter vorgehaltener Hand artikulieren die Christdemokraten jedoch eine Mischung aus Abscheu und Genugtuung: „Wenn das Ziel ist, dass nur 150 Autos auf 1000 Menschen kommen, dann müssen 70 Prozent der Autos verschwinden“, rechnet einer vor. Das nenne man Enteignung. Schwarz rechtfertigte sich: Die Studie untermauere seine Position, dass das autonome Fahren eine Chance sei, aber eng mit dem ÖPNV verzahnt werden müsse.

Verkehrsminister Winfried Hermann, der über weite Strecken der Debatte als Zielscheibe gedient hatte, gab sich davon unbeeindruckt. Nüchtern zählte er auf: Euro-5-Fahrverbote ließen sich vermeiden, wenn Beschränkungen für Euro 4 eingehalten würden, die Fahrzeugflotte erneuert und der ÖPNV ausgebaut werde – und wenn jeder Einzelne seinen Beitrag zur Luftverbesserung leiste.