Mit dem Wechsel von Wolfgang Schäuble sieht es zwar zunächst so aus, als könne die Union auf das Finanzressort verzichten. Das ist nicht ausgemacht.

Berlin - Einigkeit besteht in einem Punkt: „Es ist ja unbestritten, dass das Finanzministerium ein sehr zentrales Ministerium auf Augenhöhe mit dem Kanzleramt ist“, sagte die stellvertretende FDP-Vorsitzende Katja Suding. Mit der Entscheidung, dass Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) Bundestagspräsident wird, hat die Kanzlerin das Personalkarussell eröffnet. In der Union wird die Entscheidung als atmosphärisches Entgegenkommen gewertet. Stephan Harbarth, Vizechef der Unionsfraktion: „Ich habe den Eindruck, dass die FDP ein starkes Interesse am Finanzministerium hat – vergeben werden die Ressorts aber erst ganz am Schluss der Koalitionsverhandlungen.“

 

In der FDP ist die Freude groß: „Das wäre ein tolles Angebot für die FDP“, sagt ein liberaler Bundestagsabgeordneter. An der Basis der Partei gilt es noch immer als Fehler, dass der frühere FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle 2009 anstelle des Finanzressort das Auswärtige Amt ansteuerte. Dennoch sind die Liberalen vorsichtig.

Schäuble ließ den Liberalen früher keinen Spielraum

In der FDP überschlugen sie sich nach Bekanntwerden der Personalie Schäuble die Lobeshymnen. Als „herausragende Persönlichkeit“ würdigte ihn Parteichef Christian Lindner. Viele Beobachter betrachteten dies als Zeichen, die FDP wolle nun, womöglich sogar schon in Absprache mit Kanzlerin Angela Merkel, nach dem Finanzministerium greifen. Aber sicher ist das nicht. Aus der erweiterten Parteispitze hat bisher nur Vorstandsmitglied Alexander Hahn offen dafür plädiert – mit der Konsequenz, höchstrichterlich von der übrigen Parteispitze in den Senkel gestellt worden zu sein. Fest steht, dass das Ende der Kabinettszugehörigkeit Schäubles den Anfang von Jamaika erleichtern würde. Bei keinem anderen Unionspolitiker sind die Vorbehalte in der FDP so groß wie bei Schäuble. Er gilt den Älteren als mitverantwortlich für den Absturz der FDP 2013, weil er den Liberalen in Sachen Steuerentlastung keine Handbreit Spiel gelassen habe.

In FDP-Führungskreisen wird betont, dass es bisher keine diesbezüglichen Absprachen oder Signale der Kanzlerin gebe. Die FDP habe auch nicht den Zugriff auf dieses Ressort als Bedingung für Jamaika gemacht, heißt es. Entscheidend sei am Ende, dass sich aus einem Koalitionsvertrag und aus der Zusammensetzung eines Kabinetts eine Erzählung ablesen lasse, die zu den Wahlkampfforderungen der Partei passe. Diese gruppierten sich um die Themenkreise Innovation, Infrastruktur und Bildung. Klar ist allerdings auch, dass die FDP, sollte Kanzlerin Angela Merkel ihr das gewichtige Ressort tatsächlich überlassen wollen, sofort zugreifen würde, sofern der Preis, der dann zu zahlen ist, stimmt.

Ersten Zugriff hätte Parteichef Lindner

Ersten Zugriff hätte naturgemäß Fraktionschef Christian Lindner. Dem wurde allerdings vor der Wahl immer nachgesagt, eher Fraktionschef bleiben zu wollen. Das hätte für ihn den Vorteil, als Generalist flexibel auf die aktuelle politische Agenda reagieren zu können. Ob er bei einem Hochkaräter wie dem Finanzministerium tatsächlich widerstehen könnte, ist freilich ungewiss.

Als ein möglicher Kandidat wird bei den Liberalen der rheinland-pfälzische Wirtschaftsminister Volker Wissing genannt. Er war von 2009 bis 2010 Vorsitzender des Bundestags-Finanzausschusses. Danach war er Fraktionsvize. Wissing gilt als fachkundig und verfügt als Landesminister über die nötige Verwaltungserfahrung. Neben Wissing wurde zuletzt auch der Name Wolfgang Kubickis kolportiert, der in der Tat mehrfach den Reiz des Finanzministeriums herausgestellt hatte. Aber zum einen zählen Finanzen nicht zum Spezialgebiet des Top-Juristen und zum zweiten geht man bis hinein in die Parteispitze davon aus, dass Kubicki „zu viel Spaß am Geldverdienen“ habe, als dass er für einen Ministerposten seine Anwaltskanzlei aufgeben würde.

In Berlin wird es für möglich gehalten, dass es sich bei Schäubles Weggang um ein abgestimmtes Unionsmanöver handelt. Schäuble könnte den Chefsessel an der Berliner Wilhelmstraße auch deshalb räumen, um der Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) Platz zu machen. Beide Politiker schätzen sich. Der baden-württembergische CDU-Landesgruppenchef Andreas Jung sagte unserer Zeitung: „Die Union hat nach wie vor ein hohes Interesse daran, das Finanzressort zu besetzen – es gibt keinerlei Automatismus in Richtung einer anderen Partei.“

Auch bei den Grünen gilt die Frage nach dem künftigen Finanzminister nach der Schäuble-Rochade als völlig offen. Die Besetzung werde bis zum Schluss ein heiß begehrter Zankapfel bleiben, heißt es hinter den Kulissen. Aus dem Rennen um das wichtige Steuer- und Steuerungsressort nehmen die Grünen sich dezidiert nicht. Schon gar nicht wollen sie damit leben, dass nur einer der beiden kleineren Partner mit einem „Veto-Ministerium“ bedacht werde. Ginge das Ressort an die FDP, dann würden die Grünen im Gegenzug eine satte Kompensation erwarten. Dass mit Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt beide Spitzenkandidaten als ministrabel gelten, ist in der Partei unumstritten. Wer welchen Job am Ende bekommt? „Erst Inhalte – dann Posten“, ist die Leitlinie für die Gespräche.