Mit Verzögerung besetzt das Parlament seine Gremien neu. An diesem Mittwoch soll die restlichen der insgesamt 23 Ausschüsse eingesetzt werden, am Donnerstag werden die Mitglieder des wichtigen Kontrollgremiums für die Sicherheitsbehörden gewählt.

Berlin - Es ist die erste volle Sitzungswoche seit der Bundestagswahl. Wegen der schleppenden Regierungsbildung hatte der Bundestag zunächst immer nur kurz getagt und auch nicht alle 23 Ausschüsse besetzt. Obwohl noch immer keine Koalition zusammengefunden hat, wird nun an diesem Mittwoch und Donnerstag damit begonnen, die restlichen für die parlamentarische Arbeit so wichtigen Anhörungs- und Beratungsgremien einzusetzen.

 

Die prestigeträchtigen Vorsitzendenposten sollen dann nächste Woche zwischen den Parteien ausgehandelt werden. Hier wird etwa dem scheidenden Grünen-Parteichef Cem Özdemir nachgesagt, gerne den Auswärtigen Ausschuss leiten zu wollen. Für mehr politischen Zündstoff sorgt jedoch die Frage, wer dem einflussreichen Haushaltsausschuss vorstehen darf. Die parlamentarischen Gepflogenheiten sehen vor, dass der Posten der größten Oppositionspartei zusteht. Das wäre im Falle einer erneuten großen Koalition von Union und SPD, was aber auch nächste Woche nicht endgültig sicher sein kann, die AfD. Stefan Müller, der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU, bestätigte am Dienstag, dass die Union nicht mit dieser Tradition brechen will. Und auch die FDP will „die AfD so normal wie möglich behandeln und keinen Märtyrerstatus verleihen“, wie es in der liberalen Fraktion hieß.

AfD-Personalie sorgt für Diskussionen

Eine AfD-Personalie spielt auch bei der Besetzung des wichtigen Parlamentarischen Kontrollgremiums, das über Geheimdienste und Sicherheitsbehörden wacht, eine Rolle. Die AfD will den ehemaligen Leitenden Berliner Oberstaatsanwalt Roman Reusch in das geheim tagende Gremium schicken. Reusch war in Berlin einer größeren Öffentlichkeit bekannt geworden, als er zwischen 2003 und 2008 die neu gegründete Intensivtäterabteilung der Staatsanwaltschaft leitete. Damals polarisierte der als juristischer Hardliner geltende Reusch mit öffentlichen Forderungen nach härterer Strafverfolgung von kriminellen Jugendlichen aus Einwandererfamilien – bis hin zu Ausweisungen. Unter CDU-Justizsenator Thomas Heilmann wurde Reusch 2016 zum Leitenden Oberstaatsanwalt befördert, was die Vereinigung der Berliner Strafverteidiger kritisierte. Als AfD-Politiker plädierte er dafür, im Ausland Gefängnisse einzurichten, in denen in Deutschland straffällige Ausländer ihre Strafe verbüßen könnten.

Ob Reusch am Donnerstag gewählt wird, ist offen. Die anderen acht von ihren Fraktionen Nominierten müssen indes nicht mit Überraschungen rechnen. Die Unionsfraktion entsendet Stephan Mayer, Armin Schuster und Patrick Sensburg, die SPD Burkhard Uli Grötsch und Burkhard Lischka. Bei den Grünen soll Konstantin von Notz ein ungeschminktes Bild von der aktuellen Sicherheitslage bekommen, bei der FDP Stephan Thomae, bei den Linken André Hahn. Der Lörracher CDU-Abgeordnete Schuster hat gute Chancen auf den Vorsitz, wenn die Union ihn stellen darf.