Eine prominente Werbeträgerin hat Sat1 mit Kylie Minogue gefunden, ein neues Profil noch nicht. Das Personalkarussell dreht sich.

Stuttgart  - Kylie Minogue hat ein Herz für Kinder - besonders für solche, die ihren Eltern Sorgen bereiten. Wie sonst wäre zu erklären, dass der internationale Popstar ausgerechnet für Sat1 wirbt, einem Sender, der sich in jüngster Zeit eher mit Pleiten, Pech und Pannen als mit erfolgreichen Programmen profiliert hat? Andreas Bartl, der Fernsehvorstand der ProSiebenSat1Media AG und seit mehr als einem Jahr kommissarischer Geschäftsführer von Sat1, hat dafür eine ebenso verblüffende wie entlarvende Antwort: Sat1 und Kylie Minogue, die beiden hätten zwei Dinge gemeinsam: Größe und Glamour.

 

Bedenkt man, dass sich Kylie Minogue im Supermarkt auf die Zehen stellen muss, um ihre leeren Pfandflaschen in den Automaten zu stecken, weil sie ohne High Heels nur 1,53 Meter misst, dann trifft der Größenvergleich zu. Seit Bartl den schlingernden Sat.1-Dampfer übernommen hat, ist der Marktanteil des Senders von 10,8 Prozent auf 10,3 Prozent gesunken. Mitte der neunziger Jahre waren es noch fünfzehn Prozent.

Verkaufsgerüchte weist der Sender zurück

Mit dem Glamourvergleich wird es schwieriger. "Come on, Boys. Kick it like Kylie", ruft die neue Werbeträgerin in einem der Trailer, bevor sie den Ball aus dem Logo des Senders mit High Heels in in die Luft schießt: ein symbolträchtiges Bild für das Auf und Ab in dem Sender, der vor zwei Jahren zweihundert Mitarbeiter entlassen und seinen Sitz von Berlin nach München-Unterföhring verlegt hat - um Synergieeffekte mit der Konzernschwester Pro Sieben zu bündeln, wie es offiziell hieß.

Dabei mehren sich die Zeichen, dass der Sender auf Rendite getrimmt werden soll, um den Verkauf der ProSiebenSat1Media AG im Herbst vorzubereiten. Ein reines "Verkaufsgerücht", sagt die Konzernsprecherin Diana Schardt, "das kommentieren wir nicht." In der Pressestelle erfährt man lediglich, dass der Konzern seinen Gewinn 2010 verdoppelt und dass zu diesem Ergebnis auch Sat1 beigetragen habe.

Sat1 kann eine Nische besetzen

Schaut man sich das Programm an, stellt sich jedoch die Frage, was Werbekunden außer den neuen Trailern mit der piepsigen, aber immer noch bildhübschen Kylie Minogue dazu bewegt hat, in diesem unsortierten Tante-Emma-Laden Reklame für Produkte zu platzieren. Auf den "dritten Weg zwischen Pro Sieben und RTL" will Andreas Bartl Sat1 bringen und sein Haus als familienfreundliche Alternative zu den beiden jüngeren und krawalligeren Sendern positionieren. Das sagt man eben so, wenn man die Scherben eines Programms zusammenkehren muss, in dem die Information auf die fünfzehnminütigen Sat-1-News um 20 Uhr eingedampft worden ist. Ohne die Übertragungsrechte für Champions- und Europa-League, so steht zu vermuten, wäre Sat1 womöglich schon in die Bedeutungslosigkeit gesunken.

Immerhin hat die Beförderung von Fiktion-Chef Joachim Kosack zum stellvertretenden Geschäftsführer die Hoffnung genährt, dass die angekündigte Qualitätsoffensive bei Spielfilmen und Serien auch auf die restliche Unterhaltung abfärbt. Mit eigenproduzierten TV-Events wie "Die Säulen der Erde" nach dem Bestseller von Ken Follett, der vielgelobten Anwaltsserie "Danni Lowinski" oder der Verfilmung der Geschichte von "Marco W. - 247 Tage im türkischen Gefängnis" hat der Sender demonstriert, dass er auf diesem Gebiet tatsächlich eine Nische besetzen könnte. Auch konnte er sich mit Formaten wie "Die perfekte Minute" mit Ulla Kock am Brink und der Länderduellreihe "Deutschland gegen..." mit Johannes B. Kerner als Wegbereiter für neue Spielshows profilieren.

Harald Schmidt soll es richten

Sonst aber gibt es noch viel zu tun. Der Nachmittag ist noch immer fest in der Hand der TV-Richter Barbara Salesch und Alexander Hold. Hier hat Sat1 den Anschluss an die gescripteten Realityformate verloren, mit denen der Konkurrent RTL traumhafte Quoten einfährt. Und dann ist da noch das Personalkarussell, das sich schneller als sonst dreht. Kai Pflaume? Ist zur ARD gegangen - gerade wird ein Nachfolger für ihn als Moderator der schwächelnden Sat-1-Kuppelshow "Nur die Liebe zählt" gesucht. Oliver Pocher? Sollte auch Zuschauer unter 49 Jahren an den Sender binden - ein Kalkül, das nicht aufging. Erst wurde seine sogenannte Late Night kaputtgespart, dann eingestellt. Dieses Format übernimmt im Herbst ein Mann, der sich schon als Late-Night-Talker bei Sat1 bewährt hat: Harald Schmidt.

Passt Pocher noch zu Sat1?

Pocher, so munkelt man, soll sich als Kinderschreck "Onkel Olli" an noch jüngere Zuschauer anwanzen. Ob der Rüpel vom Dienst bei Sat1 bleibt, ist jedoch offen. Andreas Bartl hat jüngst angedeutet, möglicherweise passe Pocher besser zu einem anderen Sender des börsennotierten Konzerns. Infrage kämen also Pro Sieben, Kabel 1, 9 Live und der Frauensender Sixx.

Und was ist mit Kerner? Er kriecht auch auf dem neuen Sendeplatz am späten Donnerstagabend nur langsam aus dem Quotenkeller. Die Zuschauer können, wie es scheint, weder mit dem ehemaligen ZDF-Mann noch mit seiner ambitionierten, aber handwerklich schlecht gemachten Kopie des RTL-Magazins "Stern TV" etwas anfangen. Ironie des Schicksals: Einst als neues Aushängeschild für Sat1 eingekauft, verkörpert ausgerechnet Johannes B. Kerner nun das Dilemma des Bällchensenders: Keiner weiß genau, wofür er steht - außer für den Traum von Größe und Glamour.