Vom gesponserten DJ-Mischpult bis zum bezahlten Tresen: Was Marken alles unternehmen, um in Stuttgarter Bars, Clubs und Restaurants für den Kunden präsent zu sein: Eine Hintergrundgeschichte.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgart - Die Wege des Wirtes sind unergründlich. Als interessierter Gast stellt man sich manchmal die Frage, warum Lokal A den Energydrink B in die komplette Inneneinrichtung einbezieht und der Marke damit quasi den halben Laden überlässt. Mit den privaten Vorlieben des Lokalbetreibers hat das meist nichts zu tun. Ein großer Teil der Marken kauft sich schlicht in die Gastronomie ein. Das Zauberwort heißt Werbekostenzuschuss: Wenn ein Gastronom eine Marke in der Getränkekarte listet oder gar mit Logo hervorhebt, erhält er nicht nur Werbemittel wie Eiswürfelbehälter. Oft fließt Geld, wenn eine besonders stark frequentierte Gastronomie bereit ist, von der einen zur anderen Marke zu wechseln.

 

Möglichst viele Gastronomen von einer Marke überzeugen

Ein Experte für dieses Thema in Stuttgart ist Kai Alexander Opferkuch. Das wäre ein guter Name für eine Romanfigur. Opferkuch geht aber einem eher unbelletristischen Beruf nach: Er ist Jägermeister-Vertreter für Stuttgart. Seit 2010 geht er dieser Tätigkeit nach, nachdem er zuvor in einem Sternerestaurant und in diversen Hotels gearbeitet und die Hotelfachschule in Heidelberg absolviert hat. Seine Aufgabe: möglichst viele Gastronomen mit möglichst unterschiedlichen Zielgruppen davon zu überzeugen, seinen Kräuterlikör auf die Karte zu nehmen. Opferkuch ist sehr erfolgreich in dem, was er tut: Soeben wurde er von seiner Firma zum Jägermeister des Jahres gekürt, da er für Stuttgart besonders gute Absatzzahlen vorweisen kann.

Dabei unterscheidet sich das Konzept des Kräuterlikör-Herstellers von dem anderer Marken: „Wir verteilen keine Werbekostenzuschüsse, sondern arbeiten auf einer anderen Ebene mit den Gastronomen zusammen, auf einer viel familiäreren“, erzählt Opferkuch im Hof der Urban Art Gallery am Rotebühlplatz und lehnt sich entspannt zurück.

Die Block Party, die kürzlich in der Urban Art Gallery stattgefunden hat, ist ein gutes Beispiel dafür, wie man zurückhaltend und doch effektiv werben kann. Opferkuch besorgte die Sitzmöbel für die Veranstaltung und durfte im Gegenzug eine kleine Jägermeister-Bar aufstellen. Die Bühne wurde regensicher gemacht von Wulle, der jungen, hippen Bier-Marke von Dinkelacker.

Opferkuch hält sich aber nicht mit ein paar Sofas oder Stühlen auf. Sein Geheimrezept lautet, individuelle Lösungen zu finden: „Im Tonstudio haben wir den DJ-Pult gesponsert, im Zwölfzehn die Theke, in der Schräglage haben wir die Kosten für eine zweite Bar übernommen und im Lokal Zum Heurigen einen Kamin eingebaut“, erzählt er. Bei allen Einbauten darf das subtile Jägermeister-Branding natürlich nicht fehlen, ein Hirschgeweih hier, ein kleiner Schriftzug da.

Den größten Coup landete Opferkuch mit einem kompletten Hotelzimmer im Jägermeister-Stil, das vor wenigen Wochen im Hotel Schwabennest im Hospitalviertel eröffnet wurde. Der Marketing-Effekt war so groß, dass die Limonaden-Firma Paloma ein zweites Zimmer im Schwabennest gestalten lassen wollte – das pink-gelbe Farbkonzept war der Hotel-Betreiberin Patricia Schöning dann aber doch eine Spur zu aufdringlich.

Werbekostenzuschüsse statt Geld von der Bank

Ortswechsel, Besuch bei Schöning im Schwabennest. In der gemütlichen Gaststube des Hotels erzählt sie über ihre Abschlussarbeit an der Hotelfachschule Heidelberg, Thema: „Werbekostenzuschüsse als alternative Finanzierungsmöglichkeiten in der Gastronomie“. Patricia Schöning kennt die Branche bestens, ihr Vater Klaus Schöning ist in der Stuttgarter Gastro-Szene eine kleine Legende. Einst hat er unter anderem den Biergarten im Schlossgarten eröffnet und das Calwer Eckbräu betrieben, heute konzentriert er sich auf die Beratung. Seine Tochter Patricia muss er nicht mehr beraten, sie könnte bald selbst eine Consulting-Firma eröffnen: „Wenn man von der Bank kein Geld bekommt, sind Werbekostenzuschüsse eine Möglichkeit, die eigene Gastronomie zu subventionieren.“

Schöning erzählt einige eindrucksvolle Anekdoten über „feindliche Marken-Übernahmen“ in der Branche: „Legendär war etwa das Geschäftsgebaren der Energydrink-Marke Schwarze Dose, die heute 28 Black heißt.“ Gerüchten zufolge zahlte die Schwarze Dose vor einigen Jahren einen beinahe obszönen Betrag an die Nobeldisco P1 in München, um Red Bull aus dem Lieblingslokal der FC-Bayern-Profis zu verdrängen. Mit Erfolg. Auf der Facebook-Seite des P1 hieß es danach „We don’t serve Red Bull, we serve Schwarze Dose“. Für die Red-Bull-Variante für Reiche war das ein riesiger Image-Gewinn. „Auch in Stuttgart hat es Schwarze Dose damals versucht, mit viel Geld und Freiware ins Rocker 33 zu kommen “, sagt Schöning.

Red Bull ist gnadenlos, wenn es um Marktmacht geht

Um Red Bull muss man sich indes keine Sorgen machen. Der Konzern aus dem österreichischen Fuschl am See ist gnadenlos in Sachen Werbekostenzuschuss, Außendarstellung und Sicherung der längst erlangten Monopolstellung. „Normalerweise gibt es fünf Cent Werbekostenzuschuss pro Dose. Wenn eine Gastronomie viel Red Bull verkauft, kriegt sie schon mal 15 Cent Rabatt“, sagt ein ehemaliger Red-Bull-Vertreter, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will.

Seinen Mitarbeitern gebe Red Bull die sogenannten „High Five Standards“ vor, berichtet er. Punkt eins ist demnach das Thema Sichtbarkeit: „Wenn der Gast ein Getränk bestellt, muss die Dose mit herausgegeben werden.“ Dazu sollten immer kleine Kühlschränke mit dem Red-Bull-Logo an der Bar präsent sein. „Wenn ein Gastronom für Red Bull besonders wichtig ist, wenn etwa Vertragsverhandlungen anstehen, wird er zu exklusiven Veranstaltungen eingeladen“, erzählt der ehemalige Vertreter weiter. So konnte man beim Konzert von Cro am Bodensee in Konstanz kürzlich zahlreiche Stuttgarter Gastronomen bewundern, die mit einem privaten Shuttle-Service vom gesponserten Hotel zur Konzertlocation kutschiert wurden .

Verkauft der Gastronom aber trotz Vertrag ein Konkurrenzprodukt, hört die Freundschaft schnell auf – dann setzt es eine Vertragsstrafe. Ein Hamburger Gastronom bekam vor einiger Zeit eine empfindliche Abmahnung ins Haus, nachdem er einem Testkäufer von Red Bull auf den Leim gegangen war und bei einer Wodka-Red-Bull-Bestellung einen anderen Energy-Drink ausgeschenkt hatte.

Warum die Gastronomie für die Markenbildung so wichtig ist und warum die Unternehmen einen so hohen Aufwand betreiben, um in bestimmten Lokalen präsent zu sein, fasst Kai Alexander Opferkuch im Hof der Urban Art Gallery prägnant zusammen: „Für den Handel setzt man die Impulse in der Gastronomie: Erlebt der Gast beim Ausgehen einen tollen Abend mit zwei Jägermeister-Shots, geht er montags in den Handel und kauft sich eine ganze Flasche.“

So unergründlich sind die Wege des Wirts also doch nicht: Wenn der Werbekostenzuschuss fließt, werden eigene Vorlieben gerne hinten angestellt.