Dieter Zetsche und Winfried Kretschmann setzen zwei neue Klima-Kanäle in Betrieb.

Sindelfingen - Beim Testen seiner Prototypen kann der Autobauer Daimler künftig beliebige Wetterextreme bequem daheim am Standort Sindelfingen simulieren. Konzernchef Dieter Zetsche und Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) setzten am Montag zwei neue Klima-Kanäle in Betrieb.

 

Die 50 Millionen Euro teure Anlage im Mercedes-Benz-Technologie-Zentrum liefert den Ingenieuren Temperaturen von minus 40 bis plus 60 Grad Celsius sowie Wettereinflüsse von orkanartigem Sturm über sintflutartige Regenfälle oder arktische Schneestürme bis hin zu wüstenähnlicher Trockenheit.

Der Autobauer will seine Fahrzeugentwicklung mit der Neuerung deutlich effizienter gestalten. So sollen Zeit und Kosten gespart und die Umwelt geschont werden. Reale Tests etwa in den Wüsten der USA oder dem eiskalten Nordschweden entfallen zwar nicht komplett. Die Entwickler ersparten sich aber viel Zeit an den extremen Orten, sagte Daimler-Forschungsvorstand Thomas Weber. Der Großteil der Vorarbeit für die Tests laufe nun in den Kanälen. So werde die Arbeit etwa im Bereich Thermik von bisher 14 Tagen auf künftig 14 Stunden reduziert.

"So stelle ich mir die ökologische Modernisierung vor"

Kretschmann lobte das Konzept: „So stelle ich mir die ökologische Modernisierung Baden-Württembergs vor.“ Nach der Wahl von Grün-Rot wird mit Spannung erwartet, was aus dem Anspruch der neuer Regierung wird, ökonomischen und ökologischen Fortschritt stärker zu vereinen. Konzern-Lenker Zetsche kündigte schon einmal an: „Wir werden unsere Autos so grün machen, dass unsere Wettbewerber gelb vor Neid werden.“

Insgesamt steckt Daimler nach eigenen Angaben 230 Millionen Euro in die Hochtechnologie am Forschungsstandort Sindelfingen. Ein neuer Fahrsimulator arbeitet schon und neben den zwei neuen Klima-Kanälen wird derzeit ein Windkanal gebaut - wichtig für das Optimieren der Strömungsgeräusche und des Fahrtwiderstandes an den Fahrzeugen.

In den Klima-Kanälen der Mercedes-Benz-Forschung werden vom Smart bis zum Kleinbus Sprinter alle Neuentwicklungen getestet. In dem 18 Meter hohen Gebäude voll mit moderner Messtechnik will Daimler gerade auch seine Elektroautos voranbringen. Die neue Antriebsform stellt für die Entwickler nämlich vieles auf den Kopf: So hilft etwa bisher die Abwärme der Verbrennungsmotoren beim Heizen. Bei den E-Motoren muss ein anderer Weg her - etwa wirkungsvollere Innenraumisolierung.

"Mobilität der Zukunft muss umweltfreundlicher werden“

Solche Ideen mussten - wenn sie beinahe ausgereift waren - bisher in extremen Klimazonen weltweit auf ihre Alltagstauglichkeit geprüft werden. Das entfällt nun, zumindest anfangs. „Wir können hiermit das Klima der ganzen Welt erzeugen“, sagte Zetsche. Neben der bloßen Fahrtüchtigkeit der Autos unter extremen Wetterbedingungen spielen beim Entwicklungsprozess des Premium-Fahrzeugherstellers auch Feinabstimmungen eine Rolle - etwa das Justieren der Klimaanlage, die an einem Sommertag auf eine plötzliche Tunnelfahrt reagieren muss.

Ministerpräsident Kretschmann sieht Daimler als Vorbild. Was der Konzern mit seiner Forschung erreiche, werde der gesamten Branche zugutekommen. „Es führt kein Weg daran vorbei: Die Mobilität der Zukunft muss umweltfreundlicher werden“, sagte der Grünen-Politiker. Zwischen den Zielen des Luxuswagenherstellers und seiner Politik gebe es keinen Widerspruch - im Gegenteil könne die Daimler-Kundschaft Pionierarbeit unterstützen. „Warum sollen Leute, die 50.000 Euro und mehr für ein Auto ausgeben, nicht besonderen Wert darauflegen, dass ihr Fahrzeug auch besonders umweltfreundlich ist“, sagte er. Einer möglichen Prämie für E-Autokäufe erteilte er aber eine Absage.