Der Bauingenieur und Architekt Werner Sobek hat beim Neujahrsempfang des Bezirksbeirats Degerloch gesprochen. Seine Visionen zur elektrischen Stadt begeisterten das Publikum – und könnten Folgen im Bezirk haben.

Degerloch - Es liegt in der Natur eines Neujahrsempfangs, dass der Blick der Redner gen Zukunft geht. Doch so visionär wie am Donnerstag bei der leicht verspäteten Degerlocher Version ist er wohl doch eher selten: Der Architekturprofessor und Inhaber der gleichnamigen Gruppe Werner Sobek mit Niederlassungen weltweit und an der Albstraße sprach vor circa 150 Gästen über die elektrische Stadt. Und wenn künftig weniger SUVs und mehr Fotovoltaik-Zellen im Bezirk zu sehen sein sollten, geht das vermutlich auf seine Kappe.

 

„Wissen Sie, wie weit Sie mit ihrem SUV fahren könnten, bis sie die tägliche Bindungskapazität einer Platane erreicht haben?“, fragte der Bauingenieur in den Saal des Bezirksrathauses hinein. Auf die 300 Meter, die es sind, kam niemand. Doch damit der erstaunlichen wie erschreckenden Zahlen nicht genug: Sobek rechnete vor, dass auf der Welt bei einem jährlichen Nettozuwachs von 125 Millionen, die einen gebauten Lebensraum brauchen, 60 Milliarden Tonnen Bausubstanz pro Jahr nötig sind. Oder mit Werner Sobek anschaulicher ausgedrückt: so viel Material wie es bräuchte, um jedes Jahr eine 30 Zentimeter dicke und 2000 Meter hohe Betonwand entlang des 40 000 Kilometer langen Äquators zu bauen.

Kein Energieproblem

Vom Ressourcenproblem kam Sobek auf „das sogenannte Energieproblem“ zu sprechen: „Ich habe kein Energieproblem“, sagte er und meinte, „das Problem, was wir haben, ist, dass wir wertvolle fossile Materialien zur Energiegewinnung verbrennen – und dabei gasförmigen Abfall erzeugen.“ Dabei strahle die Sonne 10 000 Mal mehr Energie auf die Erde, als die Menschheit für alles bräuchte.

Nachdem Sobek nicht nur vorgerechnet, sondern auch mit der Politik abgerechnet hatte, ging er darauf ein, was nun zu tun sei: mit weniger Material mehr bauen; voll rezyklierbar bauen, emissionsfrei bauen, das heißt, auf fossil erzeugte Energie vollkommen verzichten.

Aktivhaus B 10

Dass das und noch mehr möglich ist, will die Werner Sobek Group beispielsweise mit dem Aktivhaus B 10 in der Weißenhofsiedlung zeigen. Das Projekthaus versorgt sich selbst, zwei Elektroautos und das Nachbarhaus mit Energie und hat auch sonst verblüffende Eigenschaften, zum Beispiel eine hochklappbare Terrasse, die auch vor Einbruch schützt.

Ob eine solche auch für den von den Bezirksbeiräten am Agnes-Kneher-Platz gewünschten Treffpunkt Degerloch denkbar wäre, muss sich weisen. Beim Stehempfang äußerten sich jedenfalls einige überaus empfänglich für die Idee.