Nach dem Anschlag auf die geplante Flüchtlingsunterkunft muss die ausgebrannte Turnhalle abgerissen werden. Nach Wertheim sollen nach Angaben der  Landesregierung nun keine weiteren Flüchtlinge mehr kommen.

Wertheim - Wir müssen aufgrund der Spurenlage von Brandstiftung ausgehen“, sagt der Stadtbrandmeister Ludwig Lehrmann. Ein zehnköpfiges Ermittlerteam der Polizei sucht nach dem Brandanschlag auf die geplante Flüchtlingsunterkunft in einer Turnhalle in Wertheim (Main-Tauber-Kreis) nach dem Täter oder den Tätern. Zwei Zeuginnen haben angegeben, in der Nacht zum Sonntag eine dunkel gekleidete Gestalt gesehen zu haben, die in einem Wagen davonfuhr. Die Beamten befragen Anwohner. Bei dem Feuer in der Nacht zum Sonntag war die Turnhalle zerstört worden, die kurz zuvor für knapp 400 Flüchtlinge hergerichtet worden war. Verletzt wurde niemand. Ein fremdenfeindlicher Hintergrund wird nicht ausgeschlossen.

 

Land: Keine weiteren Flüchtlinge für Wertheim

Nach Wertheim sollen nach Angaben der  Landesregierung nun keine weiteren Flüchtlinge mehr kommen. Die 22 400-Einwohner-Stadt sieht sich wie kaum eine andere Kommune Baden-Württembergs mit einem Zustrom konfrontiert. In der ehemaligen Polizeiakademie im Stadtteil Reinhardshof waren vor einer Woche kurzfristig 600 Menschen untergebracht worden. Das drei Hektar große Gelände und die Gebäude sollen nach dem Willen der Landesregierung bis zum 15. Oktober zu einer Landeserstaufnahme (Lea) umgebaut werden. Das bedeutet: staatliches Personal, klare Strukturen und Registrierungsmöglichkeiten für Flüchtlinge, damit sie ihr Asylbewerberverfahren starten können. Weil die vorhandenen Räume bereits belegt sind, wollte das Land darüber hinaus weitere Flüchtlinge unweit in einer Turnhalle unterbringen. Der Oberbürgermeister Stefan Mikulicz (CDU) hatte daraufhin einen Hilferuf an die Landesregierung gerichtet, die Stadt und die freiwilligen Helfer seien an der Grenze der Belastbarkeit angelangt.

„Wir sind in einer Art Schockstarre“, sagt Walter Hörnig, der Vorsitzende vom Verein „Willkommen in Wertheim“, am Montag. Mehr als 60 feste Mitglieder und 250 Helfer des Vereins kümmern sich seit Wochen um die Unterbringung und Betreuung der Flüchtlinge in ihrer Stadt. „Es gibt viele Frustrationen“, so Hörnig, „wir sind an unsere Grenzen gestoßen.“ Trotz des Brandanschlags ist sich der SPD-Mann sicher: „Der größte Teil der Wertheimer steht dem Projekt zustimmend gegenüber.“ Die Zustimmung in den sozialen Netzwerken sei enorm. „Schwachköpfe! Aus Angst davor, dass sich Parallelgesellschaften ehemaliger Flüchtlinge in Deutschland bilden könnten, tut man alles, diese armen Menschen einzuschüchtern und genau dafür zu sorgen, dass sie sich zurückziehen in Parallelgesellschaften“, postet einer auf der Facebook-Seite des Vereins. Eine andere Userin schreibt: „Was für Verbrecher!! Wie erbärmlich ihr seid!! Ich schäme mich für euch!!!“ Rund 1500 Menschen hatten am Sonntagabend mit einer Schweigeminute am Brandort und einem spontanen Marsch zur künftigen Lea unter dem Motto „Wertheim zeigt Flagge“ gegen die Gewalt demonstriert.

OB glaubt nicht, dass ein Wertheimer das Feuer gelegt hat

Auch der OB Mikulicz ist mitmarschiert und versichert mit Nachdruck: „Ich glaube nicht, dass Wertheimer den Brand gelegt haben.“ Er macht aber auch keinen Hehl daraus, dass er die Flüchtlingspolitik des Landes kritisch sieht. „Es muss doch jedem klar sein, dass in einem Stadtteil mit 900 Einwohnern nicht 1000 Flüchtlinge untergebracht werden können.“ Man müsse bei aller Not, Menschen unterzubringen, auch den städtebaulichen Kontext sehen: „Es geht nicht ums Wollen.“ Beim Besuch von Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) am Samstag in Wertheim habe er versucht, die Situation in seiner Stadt deutlich zu machen. Die Ministerin habe zwar Verständnis gezeigt, aber keine Entwarnung gegeben. Nun muss die ausgebrannte Turnhalle abgerissen werden, in der die Flüchtlinge im Winter Sport hätten treiben können. „Das Land wird sich etwas einfallen lassen müssen“, sagt Mikulicz, „im Moment können die Kinder noch draußen spielen.“

Auch Flüchtlingshelfer Hörnig sieht sich und die Seinen im Stich gelassen. Private Mobiltelefone, Computer, Fahrzeuge würden genutzt, Urlaubstage genommen, ohne dass es eine Kompensation gebe. „Wir würden uns wünschen, dass wir nicht nur gelobt, sondern auch wirklich unterstützt werden.“

„Vor dem Hintergrund steigender Flüchtlingszahlen stellt sich für die einen die Frage ,Schaffen wir das?‘, für andere stellt sich aber offenbar die Frage ,Wollen wir das?‘. Solche Fragen kann man immer diskutieren“, teilte Öney am Montag mit. „Aber Brandanschläge sind hinterhältige und gemeingefährliche Straftaten, die jeder verabscheuen muss, auch derjenige, der kritisch eingestellt ist.“