Der Weiler Unternehmer Ralf Boppel hat eine Online-Petition gestartet, um das System der Wertstoffhöfe abzulösen. Die Resonanz ist riesig. Der Vize-Landrat Wolf Eisenmann verteidigt das System, es werde von den Bürgern akzeptiert.

Kreis Böblingen - Ralf Boppel ist Familienvater. Ein Kind ist neun Monate alt, die Zwillinge knapp zwei Jahre. Eigentlich hätte er den Balkon seiner Eigentumswohnung in Weil der Stadt gerne als Spielfläche für die Kids. Stattdessen steht dort Restmüll. Genau genommen müssten dort 23 verschiedene Behälter sein – denn so viele Verpackungssorten gibt es im Kreis Böblingen. Am Samstag drängelt er sich mit Hunderten anderer Bürger auf den Wertstoffhöfen um die Müllsheriffs herum.

 

Doch darauf hat er keine Lust mehr und hat eine Online-Petition gestartet, über das Portal www.openpetition.de. Sie läuft noch 30 Tage. Bereits mehr als 2100 Bürger haben schon unterzeichnet, quer über den ganzen Landkreis verteilt. „Das System ist unsozial, unökologisch, unfair und unsinnig“, sagt der 38-Jährige. Die vielen Autofahrten, die sich nicht jeder leisten könne, das Ausspülen der Hohlkörper und das undurchschaubare Sammelsystem, für Ralf Boppel ist es ein Horror. Neu Zugezogene staunen nicht schlecht. Der Manager des Leo-Centers, Christian Andresen, etwa erzählt: „Als ich meine Wohnung in Höfingen angeschaut habe, hat mir der Vermieter gleich mal den Keller mit den Containern gezeigt.“

Eigenes Drei-Säcke-System auf dem Balkon

Ralf Boppel hat, um auf dem Balkon Platz zu sparen, ein eigenes Drei-Säcke-System eingeführt: Einen eigenen „Gelben Sack“ mit Plastik, was nicht Folie oder Flasche ist. Einen „Roten Sack“ für Folien oder Verpackung, über DIN-A4-Größe. Und einen „Schwarzen Sack“, um Flaschen und PET-Hohlkörper zu sammeln – aber nur bis drei Liter. Ein aus seiner Sicht irrsinniges System. „Als ich auf dem Wertstoffhof mal gefragt habe, warum das alles, war die Antwort: ,Des isch halt so.’“ Die Unfreundlichkeit der Mitarbeiter dort sei Legion. „Das geht zu weit“, findet Boppel.

Nicht wenige Bürger fahren in den Nachbarkreis Calw und entsorgen dort den Plastikmüll. Oder werfen ihn gleich in den Restmüll. Seine Forderung daher: ein Abholsystem wie in fast allen anderen Landkreisen. Nicht unbedingt ohne Wertstoffhöfe, aber mit Gelben Säcken oder Gelber Tonne.

Die „Orangene Tonne“, die der Kreis seit einigen Jahren anbietet, ist für ihn keine Alternative. „Sie kostet 3,50 Euro je Leerung, und eigentlich darf man dort keine Verpackungen hineinwerfen“, sagt der 38-Jährige. Es werde zwar geduldet, doch sei das letztlich nicht die Lösung.

Der Kreis Böblingen gehört zu einer Minderheit. „Bundesweit haben 90 Prozent aller Landkreise den Gelben Sack oder die Gelbe Tonne“, sagt Norbert Völl, der Sprecher des Dualen Systems (DSD), das 1990 als Recyclingunternehmen für alle Landkreise gegründet wurde.

Viele Kreise mit Sammelsystem wie in Böblingen geben auf

In Bayern gebe es noch einige Kreise mit Sammelsystem, viele gäben das aber auf. Hamburg, Köln oder Bielefeld hätten Wertstofftonnen eingeführt – dort seien aber explizit Verpackungen erlaubt. Was sagt der Erfinder dieses Systems, der lang gediente Vize-Landrat Wolf Eisenmann? Er erinnert sich noch gut daran, wie in den 90-er Jahren die Wertstoffhöfe aufgebaut wurden. Der Kreis habe damals gegen einen Sondermüllofen protestiert, Müllsparen war angesagt, die Bürgerinitiative „Vermeiden statt verbrennen“ habe die Massen mobilisiert.

Es gab ein strenges Restmüllsystem mit kleinen Tonnen. „Da war uns klar: Wenn wir den Gelben Sack einführen, wird er zur Hälfte mit Restmüll aufgefüllt“, sagt Eisenmann. So entstanden die Wertstoffhöfe, mit 30 Vollzeit und 200 Teilzeitangestellten, insgesamt gibt es 31 im ganzen Kreis. „Ich hätte es auch kaum geglaubt, aber die Bürger akzeptieren das System“, sagt der Erste Landesbeamte. Das Müllabgeben am Samstag sei fast ein kommunikativer Akt, wie früher im Tante-Emma-Laden.

Eisenmann verweist auf eine Umfrage der Universität Stuttgart, die der Kreis 2009 in Auftrag gegeben hatte. „Da waren zwar 70 Prozent für den Gelben Sack, aber nur, wenn er kostenlos ist“, erklärt Eisenmann. Wenn es etwas koste, wollten ihn nur noch 22 Prozent. Der Kreis profitiere vom Bringsystem, jährlich bekomme er vier Millionen Euro vom Dualen System überwiesen – das die Wertstoffe abholt, obwohl es keinen Gelben Sack im Kreis gibt.

Nein, eine Abkehr vom Sammelsystem hält er für falsch, zumal gerade jetzt: „Das Duale System steht vor der Insolvenz.“ Da sei es geradezu riskant, jetzt umzuschwenken. Ralf Boppel indes sammelt weiter Unterschriften – und will vom Landratsamt angehört werden. Das ist das Ziel der Petition – und eine Debatte anzustoßen.

Zur Petition
unter www.GelberSackBB.de