Zwischen den beiden Staaten auf dem Balkan kommt es immer wieder zu Streit. Nun startet die EU-Kommission ein neues Vermittlungsgespräch.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Der Westbalkan kann sich im Moment über mangelnde Aufmerksamkeit nicht beklagen. Die Europäische Union hat seit Beginn des Kriegs in der Ukraine ihre diplomatischen Bemühungen verstärkt, die vielen kleinen und großen Krisen in der Region zu schlichten. Für Donnerstag hat nun der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell den kosovarischen Ministerpräsidenten Albin Kurti und Serbiens Präsident Aleksandar Vučić zu einem Vermittlungsgespräch nach Brüssel gebeten.

 

Die Einladung der EU war erfolgt, nachdem sich das Kosovo auf Bitten Borrells und der USA bereit erklärt hatte, umstrittene Reiseregeln für Serben zunächst auszusetzen. Diese sehen vor, dass an den Grenzübergängen keine serbischen Personaldokumente mehr anerkannt werden. Stattdessen sollten sich Serben dort zunächst ein provisorisches Dokument ausstellen lassen. Die kosovarischen Behörden begründeten ihr Vorgehen mit einem identischen Vorgehen serbischer Behörden beim Grenzübertritt kosovarischer Bürger.

Viele Länder erkennen das Kosovo nicht an

Das Verhältnis zwischen Serbien und dem Kosovo ist äußerst spannungsgeladen, weil sich das heute fast ausschließlich von Albanern bewohnte Kosovo 1999 mit Nato-Hilfe von Serbien abgespalten und 2008 für unabhängig erklärt hatte. Mehr als 100 Länder, darunter Deutschland, erkannten die Unabhängigkeit des Kosovos an. Andere, darunter Serbien, Russland und China, tun das bis heute nicht. Auch fünf EU-Länder (Griechenland, Rumänien, die Slowakei, Spanien und Zypern) sträuben sich – aus Angst, es könnten sich auch in ihren Ländern Gruppen abspalten, in Spanien etwa das immer wieder nach Unabhängigkeit strebende Katalonien.

Die Europäische Union vermittelt zwischen Serbien und dem Kosovo, doch der Dialog stockt seit zehn Jahren und damit auch die Annäherung an die EU. In einer Art Kräftemessen versucht gleichzeitig Russland, seinen Einfluss in der Region auszudehnen und die Annäherung der Staaten an die EU zu hintertreiben. Nach dem Überfall auf die Ukraine hat der Kreml diese Aktivitäten deutlich verstärkt und nutzt etwa die Energieabhängigkeit der Staaten ganz offen, um den Spaltpilz verstärkt zu säen.

Enges Verhältnis zwischen Serbien und Russland

Ein Dorn im Auge der Europäischen Union ist vor allem das enge Verhältnis des serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić zu seinem russischen Kollegen Wladimir Putin. Der starke Mann in Belgrad vollführt seit Jahren eine Art Schaukelpolitik zwischen Westen und Osten. So verurteilte er den russischen Überfall auf die Ukraine, schloss sich bisher aber nicht den Sanktionen gegen Moskau an.

Dem acht Millionen Einwohner zählenden Balkanstaat kommt nicht nur wegen seines großen wirtschaftlichen Einflusses in der Region eine zentrale Rolle zu. Aleksandar Vučić hat auch erheblichen Einfluss im bosnischen Gliedstaat Republika Srpska, wo Russland unverhohlen die sezessionistischen Tendenzen des Serbenführers Milorad Dodik befördert – eine Krise mit erheblicher Sprengkraft. Der serbische Präsident Vučić selbst lässt zumindest nach außen keine Unterstützung für Dodiks spalterische Spielchen erkennen – wohl auch deshalb, weil er weiß, dass er damit sein eigenes Standing in Europa deutlich schwächen würde.

Die EU agierte nicht immer geschickt

Die EU hat allerdings häufig auch selbst dazu beigetragen, dass es auf dem Balkan immer wieder zu neuen Spannungen kommt und nationalistische Gruppen Zulauf finden. Nun wurden im Juli zwar die Beitrittsgespräche mit Albanien und Nordmazedonien aufgenommen, doch auf dem Weg dorthin hat sich Brüssel nicht mit Ruhm bekleckert. Empörung in der Region rief im Oktober 2021 das für alle überraschende Veto des französischen Präsidenten Emmanuel Macron hervor, der sich damals gegen die Annäherung der beiden Balkanstaaten an die EU aussprach.

Auch Vučić sah dies als Beweis dafür, dass Brüssel nicht mit offenen Karten spiele. Aus dem serbischen Präsidenten sprach damals die Frustration, dass die EU-Beitrittsverhandlungen mit seinem eigenen Land seit vielen Jahren auf der Stelle treten. Bremsklotz ist immer wieder das Verhältnis Serbiens zum Kosovo. Die Erwartungen an das Krisentreffen in Brüssel sind eher niedrig.