Im neuen Film von Jon Favreau "Cowboys &Aliens" mit Daniel Craig und Harrison Ford vermischen sich die beiden Genres Western und Science Fiction.

Stuttgart - Eine Westernlandschaft. Aber irgendetwas fehlt noch, das Panorama wirkt seltsam unbespielt. Hätte da nicht längst der Held einreiten müssen? Jetzt wird auch die Kamera unruhig, schwenkt nach rechts, wie in einer Suchbewegung. Und plötzlich schießt von unten her der Kopf von Daniel Craig ins Bild, seine stahlblauen Augen mustern erkenntnislos die Umgebung, er stöhnt auf, entdeckt eine Wunde im Bauch, aus der Blut suppt, und ein merkwürdiges Stahlarmband, das sich nicht abstreifen lässt. Nein, dieser noch namenlose Mann ist nicht genregerecht eingeführt worden, er weiß selber nicht, wer, was und wo er ist, ja, er könnte sogar vom Himmel gefallen sein.

 

Aber er ist dann eben doch in einem Western gelandet. Drei wüste Kerle sind nämlich aufgetaucht, als wären sie einem Film von Sam Peckinpah entsprungen, höhnisch grinsen sie von ihren Sätteln herab, wollen die scheinbar leichte Beute erlegen - und liegen auch schon selber im Staub. Ganz schnell ist das gegangen, mit zielsicherem Instinkt und einer harten, schnörkellosen Choreografie hat sich unser Mann durchgesetzt. Spätestens jetzt wissen wir: der Brite Daniel Craig macht nicht nur als James Bond gute Figur, er reitet auch mit einer Selbstverständlichkeit durch uramerikanisches Gebiet, als wäre er dort groß, sehnig und taff geworden.

Doch auch ein charismatischer Craig kann die Probleme des Westerns nicht alleine lösen. Im Grunde ist das Genre ja schon lange tot, seit fast vier Jahrzehnten entstehen nur noch Einzelstücke, und die besten von ihnen, etwa Kevin Costners "Der mit dem Wolf tanzt" (1990), Clint Eastwoods "Erbarmungslos" (1992) oder vor Kurzem das "True Grit"-Remake der Coen-Brüder sind so etwas wie Schlusssteine. Sie erzählen letzte Geschichten, und das mit einer Gelassenheit, die sich der Beschleunigung des modernen Kinos trotzig widersetzt.

 Der Film will die Westernwelt nicht lächerlich machen

Der Regisseur Jon Favreau jedoch geht mit "Cowboys & Aliens" einen anderen Weg. Wenn sich schon Genres wie etwa der Horror- und der Science-Fiction-Film beim Western bedienen (diese Holodeckausflüge und Zeitreisen nach Dodge City!), warum sollte sich dann nicht umgekehrt auch mal der Western fremde Welten einverleiben?

Zunächst aber spielt Favreau noch lustvoll ein paar klassische Western-Standardsituationen durch: ein gewaltgeiler Tunichtgut und Großranchersohn tyrannisiert das Städtchen Absolution, legt sich zu seinem Schaden auch mit dem immer noch namenlosen Helden an, der dann erfährt, dass er als Gangboss Jake Lonergan gesucht wird. Jake widersetzt sich im Saloon erfolgreich der Verhaftung, wird dann aber von einer geheimnisvollen Schönen (Olivia Wilde) niedergeschlagen. Inzwischen reitet der zornige Großrancher (Harrison Ford) mit seinen Männern in die Main Street ein, um seinen Sohn aus den Händen des Sheriffs (Keith Carradine) zu befreien - eigentlich wäre alles bereit für einen traditionellen Showdown. Bloß dass jetzt ein paar Ufos wie stählerne Riesenlibellen heranpfeifen, herunterschießen und Menschen per Stahlseil nach oben zerren, insgesamt also die Westernwelt doch ein bisschen durcheinanderbringen.

"Cowboys & Aliens" gehört somit auch in jene als Mash bezeichnete und vor allem von US-Autoren gepflegte Vermischung der Gattungen, bei der es etwa Abraham Lincoln mit Vampiren oder Jane Austens Frauen mit Zombies zu tun bekommen. Und so wie diese Romane zwar parodistische Züge aufweisen, aber doch mehr sind als nur Parodien, will auch dieser Film, trotz all seinen komischen, trashigen oder poppigen Situationen, die Westernwelt nicht lächerlich machen.

 Western siegt über Science-Fiction

"Cowboys & Aliens" ist letztlich eine große Hommage an die alten (Kino-)Zeiten, die sich hier gegen den Angriff der modernen Welt zur Wehr setzen. Die Männer des Ranchers, die Bande von Lonergan, ja, sogar die Apachen geben ihre Feindschaften für den Moment auf und verbünden sich am Ende gegen die Aliens. Man könnte es auch so formulieren: Das komplette Westernpersonal kämpft hier um seine vom Science-Fiction-Genre bedrohten Arbeitsplätze.

Das Schöne ist natürlich, dass der Western siegt! Die Science-Fiction-Szenen, die auch mal im Inneren eines als Felsnadel getarnten Raumschiffs spielen, wirken nämlich arg routiniert, die spinnenartigen Aliens sehr eindimensional. Zudem erweisen sich diese nicht nur als Menschen-, sondern auch als Goldräuber, sind damit quasi schon beruflich dem Western ein- und untergeordnet. Wie individuell dagegen die Alienjäger! Lauter veritable Westerngesichter! Wobei neben Craig natürlich Harrison Ford als knurriger Bürgerkriegsveteran die Landschaft beherrscht, ein längst zum Kinodenkmal aufgestiegener Star, der hier die Summe seiner Rollen mitbringt.

Das Finale, in dem Colts, Gewehre, Bogen, Speere, Lassos und die guten, alten Dynamitstangen zum Einsatz kommen, mag etwas ausufern. Favreau will sich einfach nicht sattsehen an pfeilgespickten Aliens! Aber er hat auch den Ehrgeiz, inmitten der Schlacht noch alle vorher angefangenen Motive zu Ende zu führen, die Sache mit dem Barmann etwa, die mit dem Hund, die mit dem Enkel des Sheriffs, die mit dem indianischen Vormann des Ranchers oder die mit der schon erwähnten geheimnisvollen Schönen, die jetzt ... Aber wir wollen nicht alles verraten. Bloß noch, dass dieser Regisseur mitten in dem ganzen Trubel auch noch Zeit für Details findet. Zum Beispiel für die Fliegen, die einen Alien, kaum dass er Leiche geworden ist, sofort liebevoll umschwärmen.

Cowboys & Aliens. USA 2011

Regie: Jon Favreau

Mit Daniel Craig, Harrison Ford, Keith Carradine

118 Minuten. Ab 12 Jahren

Cinemaxx SI, Liederhalle, Gloria, Ufa