Der Medienwissenschaftler Gerd Hallenberger erklärt, warum die ZDF-Show „Wetten, dass . . ?“ ausgedient hat und warum eine neue Samstagsshow vermutlich nicht an die früheren Erfolge von „Wetten, dass . . ?“ anknüpfen wird.

Stuttgart - Nach der Show ist vor der Show: Norbert Himmler, der Programmdirektor des ZDF, kündigte an, man suche nach neuen Ideen für den Samstagabend. Das ZDF werde außerdem alle Rechte an der Marke „Wetten, dass . . ?“ behalten und sie gegebenenfalls wieder aktivieren. Vorsorglich widersprach er schon mal etwaigen Spekulationen: „Wir suchen aber weder einen neuen Moderator noch planen wir eine Fortsetzung in absehbarer Zukunft.“

 

Eigentlich schade, denn spätestens beim Austüfteln neuer Konzepte wird man in Mainz feststellen, dass „Wetten, dass . . ?“ die perfekte Show war. Fernsehunterhaltung besteht schon seit Jahrzehnten aus den immergleichen Bausteinen: Gespräch, Spiel, Musik und Humor. Kein Wunder, dass der ZDF-Klassiker ein derartiger Erfolg war. Entsprechend ernüchternd klingt die Analyse des Marburger Medienwissenschaftlers Gerd Hallenberger: „Man kann diese Bausteine beliebig neu variieren und an einen anderen kulturellen oder medialen Rahmen anpassen, aber es wird nicht möglich sein, das Fernsehen neu zu erfinden. Das ist schon oft versucht worden, und das Ergebnis war immer eine Variation des Bekannten.“

Hallenberger gilt hierzulande nicht zuletzt dank solcher Publikationen wie „Hätten Sie’s gewusst?“ oder „Gute Unterhaltung?!“ als einer der bedeutendsten Unterhaltungsexperten. Seine Ausführungen werden dem ZDF wenig Mut machen, wenn es tatsächlich eine neue Samstagsshow plant, die an den Erfolg von „Wetten, dass . . ?“ anknüpfen soll: „Nicht nur das Fernsehen, auch das Freizeitverhalten hat sich verändert. Dass sich wie früher drei Generationen vor dem Gerät im Wohnzimmer versammeln, gibt es nicht mehr, und das nicht allein, weil die drei Generationen längst nicht mehr unter einem Dach leben. Samstags vergnügen sich viele Menschen ohnehin außer Haus. Dafür bleibt man am Sonntag daheim, weil man am nächsten Tag arbeiten muss oder in die Schule geht.“

Hochaltar der Fernsehunterhaltung

Jürgen von der Lippe war einst regelrecht beglückt, als er mit seiner Spielshow „Geld oder Liebe?“ (ARD) vom Donnerstag auf den Samstag umziehen durfte: Für ihn wie für viele andere Unterhaltungsgrößen galt der Samstagabend stets als „Hochaltar der Fernsehunterhaltung“. Mitleidlos stellt Hallenberger fest, dass diese Zeiten vorbei seien: „Das ist ein Mythos, den man einmotten muss.“ Tatsächlich ist das neue Lagerfeuer der Nation, wenn man davon überhaupt noch sprechen kann, mittlerweile der Sonntagsfilm im „Ersten“. Gerade der „Tatort“ hat regelmäßig 10 Millionen Zuschauer, die Krimis aus Münster mit Jan Josef Liefers und Axel Prahl oder aus Hamburg mit Til Schweiger liegen oft jenseits der 12-Millionen-Marke.

Laut Hallenberger gibt es einen weiteren Grund, warum eine neue Samstagsshow des ZDF vermutlich nicht an die früheren Erfolge von „Wetten, dass . . ?“ anknüpfen werde: „Große Zuschauerzahlen erreicht man heute nicht mehr mit einem Angebot für die ganze Familie. Die Individualisierung der Gesellschaft hat dazu geführt, dass nicht nur alle Altersgruppen, sondern auch die Mitglieder dieser Altersgruppen völlig unterschiedliche Interessen haben. Das gilt vor allem für Jugendliche, aber in ähnlichem Maß auch für Menschen um die vierzig, fünfzig oder sechzig.“ Abgesehen von den Übertragungen großer Sportereignisse hätten im Fernsehen vor allem solche Sendungen Erfolg, „denen die Kumulation von Teilzielgruppen gelingt: Man konzipiert ein Programm, das einige Zuschauer aus dieser und andere aus jener Zielgruppe anspricht.“ In der Musik gebe es derartige „Crossover“-Produktionen lange: „Man kombiniert beispielsweise Heavy Metal und Hiphop und spricht auf diese Weise Käufer aus beiden Segmenten an. Das ist mittlerweile der einzige Weg zum Massenerfolg.“ Als aktuelles Beispiel führt der Medienwissenschaftler den Hit „Get Lucky“ von Daft Punk an: „klassischer Funk kombiniert mit französischem Techno.“

Man will wissen, wer am Ende gewinnt

RTL und die Produktionsfirma UFA Show (früher Grundy Light Entertainment) haben mit „Deutschland sucht den Superstar“ gezeigt, wie das im Fernsehen funktionieren kann. Den Teenagern bietet die Show Protagonisten, mit denen sie sich identifizieren können, aber auch Eltern und Großeltern sind angetan, weil sie den einen oder anderen Teilnehmer besonders sympathisch finden und ihm den Sieg gönnen. Nicht zu unterschätzen ist zudem der Wettbewerbsfaktor, der ähnlich wie im Sport für Spannung sorgt. Man will wissen, wer am Ende gewinnt. Dass es dabei um Musik geht, ist letztlich beinahe Nebensache. Jede Gruppe hat also einen anderen Grund, die Show anzuschauen.

Dem ZDF rät Hallenberger, in Ruhe nach einer guten Idee zu suchen. Die Mainzer müssten sich aber von der Hoffnung verabschieden, an frühere Erfolge mit 10 Millionen Zuschauern anzuknüpfen: Angesichts der Konkurrenz auf dem Fernsehmarkt sei es bereits bemerkenswert, wenn eine Sendung 5 oder gar 6 Millionen Zuschauer erreiche. „DSDS“ hatte am Samstag übrigens nur halb so viele Zuschauer wie „Wetten, dass . . ?“.