Das ZDF hat aus Samuel Kochs Unfall und Thomas Gottschalks Abschied bei „Wetten, dass..?“ die richtigen Konsequenzen gezogen. Der Neuanfang mit Markus Lanz soll der Show wieder mehr Schwung geben. Ein Rückblick und Ausblick.

Stuttgart - Eigentlich kann einer Fernsehsendung nichts Besseres passieren, als ständig in den Schlagzeilen zu sein. Das garantiert meist auch hohe Zuschauerzahlen. Beim ZDF aber hätte man vermutlich gern auf diese Form der Aufmerksamkeit verzichtet. Erst verletzte sich im Dezember 2010 der damals 23-jährige Samuel Koch bei dem Versuch, auf Sprungfedern über ein Auto zu hüpfen, derart schwer, dass er nun an den Rollstuhl gefesselt ist. Dann kündigte der zutiefst betroffene Thomas Gottschalk seinen Rücktritt an. Und schließlich schafften es die Mainzer mit ihrer monatelangen Suche nach einem Nachfolger, dass der neue Moderator schon beschädigt war, bevor er überhaupt „Guten Abend“ gesagt hatte.

 

Mittlerweile sind zehn Monate seit Gottschalks Abschiedsshow vergangen. Das ZDF hat die Zeit genutzt, um das Konzept zu überarbeiten. Zuletzt war die Show in Routine erstarrt. Das lag auch am Moderator. Die Wetten wirkten teilweise wie Pflichtübungen, die Plaudereien auf dem Sofa waren uninspiriert und langweilig. Von Gottschalks Nachfolger erwartet man daher einen Neustart – in jeder Hinsicht. Markus Lanz versteht sich ähnlich wie der Show-Erfinder Frank Elstner in erster Linie als Journalist, und so wird er „Wetten, dass . .?“ auch präsentieren.

Die Unterhaltungen mit den Kandidaten sollen sich ausdrücklich nicht auf die üblichen Gottschalk-Fragen „Wie kommt man auf so eine Idee?“ und „Wen willst du grüßen?“ beschränken. Die Show wird sich zumindest in dieser Hinsicht wieder stärker an ihren Wurzeln orientieren. Frank Elstner hatte einen viel besseren Draht zu den Wettanbietern als Gottschalk, und Lanz ist das ebenfalls zuzutrauen. Für ihn war die Show immer ein „edel inszenierter Kindergeburtstag für die ganze Familie“. Diesen Kern will er wieder freilegen.

Gewisse Ermüdungserscheinungen waren nicht zu übersehen

Der Moderatorenwechsel und die Überarbeitung des Konzepts kommen ohnehin gerade recht. Seit mehr als dreißig Jahren fasziniert „Wetten, dass . .?“ so viele Leute wie keine andere Unterhaltungssendung. Dass die Zuschauerzahl in letzter Zeit auch aufgrund der Konkurrenz von RTL-Quotenknüllern wie „Deutschland sucht den Superstar“ und „Das Supertalent“ unter die magische Zehn-Millionen-Grenze gerutscht war, hing keineswegs nur mit den veränderten Freizeitgewohnheiten gerade des jüngeren Publikums zusammen.

Selbst wenn Gottschalk in einer eigenen Liga spielt als alle Show-Kollegen – Ausnahme: Günther Jauch –, gewisse Ermüdungserscheinungen waren in den letzten Jahren nicht zu übersehen. „Wetten, dass . .?“ lahmte, die Sendung war montags immer seltener Gesprächsthema.

Deshalb fühlte sich Gottschalks Ehrung mit dem Grimme-Preis 2011 für sein Lebenswerk auch wie eine viel zu späte Wiedergutmachung an. In der Begründung hieß es, er verkörpere „als Entertainer seit gut drei Jahrzehnten in einzigartiger Form eine unverwechselbare Rolle. Mit einer immer wieder verblüffenden und frischen Mischung aus Fröhlichkeit, Schlagfertigkeit, Unbefangenheit und intelligentem Witz schafft er das, was manchen schon als überholt oder gar unmöglich galt und gilt: Menschen mit ganz unterschiedlichen Hintergründen und aus verschiedenen Generationen zusammenzubringen und blendend zu unterhalten.“ Genau dies war ihm zuletzt immer seltener gelungen.

Akrobatische Wetten soll es nicht mehr geben

Darüber hinaus hat das ZDF aus Kochs Unfall die richtigen Konsequenzen gezogen. Akrobatische Wetten, die als gefährlich eingestuft werden, soll es nicht mehr geben. Dabei waren einige der früheren Hochspannungswetten ungleich halsbrecherischer als Kochs Idee: 1999 sprang ein Mann mit seinem Motorrad von der Olympia-Skisprungschanze in Garmisch-Partenkirchen, 2002 raste ein anderer mit einem Auto die Rodelbahn in Unterammergau hinunter, 2009 fuhr ein Mann sein Motorrad auf dem Hinterrad, während seine Freundin das Vorderrad wechselte. Weil die Bremse nachließ, war der Fahrer mit sechzig Stundenkilometern doppelt so schnell unterwegs wie während der Proben – und das ohne Vorderrad.

Das Publikum bevorzugt ohnehin die skurrilen und originellen Ideen: ein Zehntonner auf vier Biergläsern, 18 Menschen in einem Smart, zwei Männer, die sich umziehen, während sie mit Keulen jonglieren. Und natürlich Tierwetten: ein Bauer erkannte seine Kühe am Schmatzen, der Collie Rico wurde zum Star, weil er seinen 77 Spielzeugen das jeweils richtige Wort zuordnen konnte. Manche Kandidaten probieren es mit Köpfchen, andere mit Muskelkraft. Eine unvergessene Kombination bot ein Kandidat, der Musikstücke erkannte, weil zwei Freunde im richtigen Takt mit den Brustmuskeln zuckten.

Markus Lanz wird seinen Teil dazu beitragen, dass sich das ZDF wieder mit solchen legendären Momenten ins Gespräch bringt. Der Südtiroler kann eigentlich nur gewinnen. Niemand erwartet Wunderdinge von ihm, manche warten womöglich bloß darauf, dass er Fehler macht. Den Gefallen wird er ihnen nicht tun. Trotzdem rechnet er „mit dem Schlimmsten“, wie er gesteht. Egal, was er anstelle, die Presse werde kein gutes Haar an ihm lassen. Stärker würde es ihn allerdings treffen, wenn „die Zuschauer, für die wir das alles machen, das Programm nicht wollen.“