Die Stuttgarter freuen sich gerade über stabiles Frühsommerwetter. Auf viele wirkt es wie eine Erleichterung, nachdem das Jahr bislang gefühlt viel zu kühl war. Da ist auch was dran.

Der Sommer ist in Stuttgart angekommen: Seit anderthalb Wochen liegen die Temperaturen im Kessel beständig über 25 Grad, dazu scheint quasi permanent die Sonne. Viele freuen sich über das stabile Frühsommerwetter, zumal nach dem oft schlechten und kühlen Wetter im laufenden Jahr.

 

Stimmt das Bauchgefühl überhaupt? Ist 2023 bislang zu kühl? Die Antwort steckt in den Daten unseres Projekts Klimazentrale, mit dem wir die aktuellen Werte mit dem Normalbereich der vergangenen sechzig Jahre vergleichen (Hinweise zur Methodik hier). Wir betrachten für diese Analyse die täglichen Temperaturhöchstwerte am Stuttgarter Schnarrenberg, wo der Deutsche Wetterdienst (DWD) eine Wetterstation unterhält.

War 2023 bislang zu kühl? Nein. Das zeigt das folgende Schaubild. Es gab mehr ungewöhnlich warme als ungewöhnlich kühle Tage.

Deutlich wird auch, dass sich der Normalbereich verschoben hat. 1961 bis 1990 waren die Temperaturen niedriger als in den vergangenen dreißig Jahren. Verglichen mit diesem Zeitraum lagen die Höchsttemperaturen an deutlich mehr Tagen über dem Normalbereich als wenn man den Zeitraum 1991 bis 2020 betrachtet.

Wo das Bauchgefühl stimmt – und wo nicht

Auch nachts war es seit Januar häufiger zu mild als zu kühl. Verglichen mit dem Frühjahr, wie es die heutige Großeltern- und Elterngeneration als junge Menschen erlebt hat, war es bislang an 56 Tagen milder (37 Prozent) und an 16 Tagen kühler (elf Prozent). Verglichen mit den vergangenen drei Jahrzehnten hat sich das Verhältnis angenähert. Wie bei den Tageshöchstwerten lag aber weiterhin der Großteil der Werte im zu erwartenden Normalbereich.

Der detaillierte Blick auf die einzelnen Monate bestätigt dann doch das Bauchgefühl, das viele zum Frühjahr 2023 haben. Januar und Februar waren noch deutlich zu mild. Am Schnarrenberg war es an zwölf Tagen im Januar und an zehn Tagen im Februar über dem Normalbereich. Der März war regenreich, brachte aber immer noch mehr vergleichsweise milde als kühle Tage. Der April war dann durchweg kühler als zu erwarten wäre und im Mai halten sich zu milde und zu kühle Tage die Waage.

Bislang ist 2023 also zu warm, was aber vor allem mit den ersten drei Monaten des Jahres zu tun hat. Dass April und Mai vielen so kühl vorkamen, hat auch mit einem Gewöhnungseffekt zu tun. Der Normalbereich der Temperaturen hat sich in den vergangenen Jahrzehnten nach oben verschoben, wir haben uns an höhere Temperaturen gewöhnt – auch im Frühjahr. Bundesweit, das hat der DWD ausgerechnet, war es im Frühjahr verglichen mit 1961 bis 1990 ein Grad zu mild. Verglichen mit den vergangenen drei Jahrzehnten war es dagegen 0,2 Grad zu kühl.

Auch ohne Hitzerekord zu warm

Spektakuläre Wärmeperioden sind anders als 2022 bislang ausgeblieben. Die seit Ende Mai typischen Parameter Sonne und 25 Grad tagsüber wären für die heutigen Großeltern noch ungewöhnlich gewesen, liegen mittlerweile aber im Bereich des Erwartbaren.

Im ganzen Frühjahr liegt die Temperaturkurve meistens im Normalbereich, aber sie schwankt heftig. So wurden im Mai, als die Temperaturen erstmals über 25 Grad kletterten und der DWD damit die ersten meteorologische Sommertage verzeichnete, an einem Tag trotzdem ein nächtlicher Kälterekord gemessen.

Die Klimaerwärmung zeigt sich in diesem Jahr also bislang nicht durch Dauerhitze. Selbst kühlere Perioden sind möglich. Zu warm ist aber auch das Jahr 2023.