Gefühlt kommt ist der Frühling 2023 noch nicht in Stuttgart angekommen. Wetterdaten zeigen, das dieser Eindruck teilweise stimmt.

Auf viele Menschen wirkt das Frühjahr 2023 deutlich zu kühl. Die Heizungen laufen weiterhin, und draußen ist die Luft ist im wahrsten Sinne des Wortes sehr frisch. Allerdings bestätigen die Daten des Deutschen Wetterdiensts diese gefühlte Wahrheit nicht wirklich. Wir werten sie kontinuierlich für unser Projekt Klimazentrale aus.

 

Für die Einschätzung vergleichen wir die gemessenen Tageshöchstwerte am Stuttgarter Schnarrenberg mit dem Normalbereich der letzten 60 Jahre (Hinweise zur Methodik hier). Tatsächlich lag die Tageshöchsttemperatur deutlich häufiger über dem Normalbereich für den jeweiligen Tag und relativ selten darunter. An der Mehrzahl der Tage lagen die Werte im Normalbereich.

Etwas weniger eindeutig ist die Lage, wenn man die 2023 gemessenen Werte mit der mittleren Tageshöchsttemperatur der vergangenen Jahrzehnte vergleicht. An 62 Tagen war es bislang wärmer als seit 1991 im Mittel üblich, an 54 Tagen kühler. Verglichen mit dem Frühjahr, wie es die heutige Großelterngeneration als junge Menschen erlebt hat (1961 bis 1990) war es bislang an 70 Tagen wärmer und an 47 Tagen kühler.

April war zu kühl

Wertet man ausschließlich die Daten für die letzten vier Wochen aus, dann zeigt sich: der April 2023 ist deutlich zu kühl. Um 1,8 Grad, hat der Deutsche Wetterdienst (DWD) errechnet. Nur an sechs Tagen war die Tageshöchsttemperatur höher als im Mittel der zurückliegenden dreißig Jahre, an 21 Tagen gleich oder darunter:

Der Grund dafür sind die Wetterlagen, die in diesem Jahr häufiger aus nördlicher und westlicher Richtung auf Baden-Württemberg einwirkten. Das erklärt die kühle Witterung. „In den letzten Jahren war der März kälter und der April meist wärmer“, sagt der DWD-Meteorologe Andreas Pfaffenzeller.

Die Monate Januar bis März waren dagegen deutlich milder als üblich – und nasser. Im März sind beispielsweise rund 40 Millimeter Niederschlag normal, also 40 Liter pro Quadratmeter – dieses Jahr gab es knapp 55 Liter Niederschlag. Im April gab es rund 65 Liter pro Quadratmeter, normal sind um die 36. Der viele Regen sollte aber eher Grund zur Freude sein: „Denn wir kommen aus einem deutlich zu trockenen Winter“, sagt Pfaffenzeller. Durch den vielen Niederschlag könne zumindest ein Teil der Trockenheit wieder ausgeglichen werden.

Häufiger Wechsel von mild zu kühl

Dass der Frühling gefühlt nicht in die Gänge kommt, kann auch mit dem häufigen Wetterwechsel zu tun haben. Das folgende Schaubild zeigt die Temperaturkurve seit Jahresbeginn (gelb) und den Normalbereich für die Jahre 1961 bis 1990 beziehungsweise 1991 bis 2020 (grau):

Die Kurve liegt meistens im Normalbereich, aber sie schwankt heftig. Auf einzelne wärmere Tage folgen regelrechte Wetterstürze, in denen das Thermometer auf klar einstellige Werte fällt. Der ständige Wechsel zwischen mild und kühl lässt keinen Eindruck von stabilem Frühlingswetter entstehen. Und nach einem Tag mit um die zwanzig Grad fühlen sich acht Grad eben ziemlich frisch an.

Insofern ist das Frühjahr 2023 ein gutes Beispiel dafür, wie sich Klimaerwärmung nicht zwingend in Dauer-Wärmestress ausdrückt. Vielen kommt die Witterung seit Wochen zu kühl vor. Für den April trifft diese Wahrnehmung zu, insgesamt ist 2023 aber bislang deutlich zu mild. Womöglich hat die Wahrnehmung vor allem damit zu tun, dass wir uns in den vergangenen Jahren an sehr milde Temperaturen im Frühjahr gewöhnt haben. Normal sind sie dadurch noch lange nicht.