2022 war in Stuttgart das wärmste und sonnigste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen. Zu trocken war es auch – wenn auch statistisch weniger als gefühlt.

Wenn man sich in diesen Tagen ein wenig zurücklehnt und das Wetter des vergangenen Jahres vor dem geistigen Auge Revue passieren lässt, drängt sich bei den meisten wohl eines ganz weit nach vorne – eine einzige meteorologische Enttäuschung. Im Januar und Februar fiel der Winter komplett aus, dafür musste man im April noch lange heizen. Der gesamte Sommer geriet so trocken, dass selbst alte und äußerlich gesunde Bäume teilweise abstarben und Bäche, die man seit der Kindheit als munter plätschernde Wasser kannte, komplett versickerten. Ein gefühlt negativer Rekord jagte den nächsten und im Dezember wurde es plötzlich ein paar Tage so kalt, dass man selbst mit Kretschmann-Pulli, Waschlappen-Reinigung und nur 18 Grad in der Wohnung teure Energie en masse verballern musste. Zusammenfassung – schlimmer geht’s eigentlich nimmer.

 

Das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnung

Könnte man zumindest denken, die Statistik gibt das aber nur zum Teil her. Wirklich dramatisch gegen den Schnitt verhielt sich zumindest in Stuttgart allerdings die Temperatur. „2022 war mit einer Mitteltemperatur von 12,2 Grad das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen 1951“, erklärt Andreas Pfaffenzeller. Der Meteorologe des Deutschen Wetterdienstes (DWD) in Stuttgart bezieht sich damit auf die DWD-Wetterstation Schnarrenberg, an der es über das ganze Jahr 1,4 Grad zu warm war. Klingt nicht besonders viel, wobei sich die 1,4 Grad aber auf den Referenzzeitraum 1991 bis 2020 beziehen, in denen der Klimawandel schon an Dynamik zugelegt hat. Gegenüber der alten Vergleichsperiode von 1951 bis 1990 sind es dagegen stolze 2,7 Grad – also mehr, als wir zulassen sollten, damit der Klimawandel nicht zum Killer wird. 2022 waren jedenfalls zehn der zwölf Monate zu warm, vom 12. Juli bis Ende August stieg die Temperatur nur an zwei Tagen nicht über 25 Grad. Zu kühl war es lediglich im April und September. Bis 1990 kam ein normales Jahr in Stuttgart nur auf einen Mittelwert von 9,5 Grad. Und es ging auch noch deutlich frischer. „1956 war das bisher kälteste Jahr mit nur 7,9 Grad im Schnitt“, sagt Pfaffenzeller.

Ein staubtrockener Sommer

Eingebrannt in die Erinnerung hat sich aber vor allem der staubtrockene Sommer. Die Bäume begannen schon im August Laub abzuwerfen, das Wiesle wollte partout nicht wachsen, die Landwirte fuhren das Wasser Tankwagenweise auf die Felder, und aus vielen Brunnen tropfe es nur noch ein wenig, wenn überhaupt. Das Land schien auf dem Weg zur Trockenzone, aber am Ende des Jahres war zumindest in der Statistik alles nicht ganz so dramatisch. Knapp 591 Liter pro Quadratmeter wurden am Schnarrenberg gemessen, das sind gut zehn Prozent weniger als im Schnitt (655 Liter), aber doch deutlich mehr, als man vermuten könnte. Es war natürlich nicht ideal, dass es in der Wachstumsperiode so gut wie nie regnete, aber es gab genug Wasser, um den Pflanzen zu helfen. Und es war ein Segen, dass es in den späten Monaten September, Oktober und November überdurchschnittlich regnete und so das geschundene Grundwasser ein wenig Nachschub bekam, wenn auch längst nicht genug, um die gewaltigen Defizite nach den vielen zu trockenen Jahren der jüngsten Vergangenheit zu kompensieren. Dazu hätte es schon eines Jahres wie 1964 bedurft, als am Schnarrenberg 950 Liter Regen gemessen wurden. Positiv war auch, dass der meiste Regen in einer Zeit fiel, in der die Sonne nicht mehr so stark ist, dass das meiste schnell verdunstet. Und es gab 2022 keine massive Starkregen, die die Böden nicht wirklich aufnehmen können. 36 Liter am 8. April war der heftigste Niederschlag 2022. Zum Vergleich: Im Jahr zuvor wurden am 28. Juni knapp 60 Liter gemessen.

Sonne auf Rekordkurs

Die gute Verteilung des Regens war aber auch wichtig, da neben der Temperatur auch die Sonne auf Rekordkurs unterwegs war. 2272 Stunden Sonnenschein sind gut ein Viertel mehr als normal und Platz 1 seit Beginn der Aufzeichnungen. Am Ende des Jahres notierten also zwei der drei meteorologischen Indikatoren mit Rekordwerten. Und das neue Jahr startete dann auch gleich mit Rekordwärme. Gut für das Energiesparen, schlecht für Schneefans. Es könnte wie vor einem Jahr auch 2023 mit einer Winterpleite beginnen. „Bis zum 11. Januar ist in allen Modellen kein wirklicher Winter für Stuttgart in Sicht“, sagt Pfaffenzeller. Und auch danach scheint es nur ein wenig kühler zu werden – wobei das noch spekulativ ist.