Schwere Gewitter und Unwetter nehmen zumindest in der gefühlten Wahrnehmung zu. Doch stimmt das wirklich? Wissenschaftler erklären, was es mit den Wetterphänomenen auf sich hat.

Leserredaktion : Kathrin Zinser (zin)

Stuttgart - Blitz und Donner gehören zum Sommer wie Stechmücken und Hitze. Doch ist die Zahl der schweren Unwetter gestiegen? Zeigen sich bereits die Folgen des weltweiten Klimawandels?

 

Wie entsteht ein Gewitter?

Damit ein Gewitter entsteht, braucht es zunächst einmal Energie, und diese steckt im Wasserdampf. Die Feuchtigkeit gelangt durch die Verdunstung von Boden- oder Wasserflächen oder der Vegetation in die Luft. Warme Luft kann mehr Wasserdampf aufnehmen als kalte Luft, deshalb gehen Sommergewitter im Vergleich zu Wintergewittern mit viel höheren Regenintensitäten oder sogar Hagel einher. Bei geeigneten Voraussetzungen in der Atmosphäre kann die Luft manchmal bis zwölf Kilometer hoch aufsteigen, sich abkühlen und bei der Kondensation die Energie freisetzen. Das Ergebnis sind hochreichende mächtige Gewitterwolken.

„Grundsätzlich begünstigen wärmere und feuchtere Luftmassen die Entstehung vor allem heftiger Gewitter“, erklärt Diplom-Meteorologe Bernhard Mühr vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung am Karlsruher Institut für Technikforschung. Damit besonders feuchte Luftmassen bei uns Gewitter auslösen, bedürfe es allerdings zusätzlich geeigneter Wetterlagen, die einerseits die feuchten Luftmassen aus Südwest, Süd oder Südost zu uns transportieren und andererseits die Bildung hochreichender Gewitterwolken zulassen.

Gibt es mehr Gewitter als früher?

„Sommergewitter treten bei uns in jedem Jahr mal mehr, mal weniger zahlreich auf und sind Teil unseres durchschnittlichen mitteleuropäischen Sommerklimas“, sagt Mühr. Allerdings entstehe der Eindruck, dass sich diese Wettererscheinungen häufen. „Die mediale Aufmerksamkeit heutzutage ist eine ganz andere als noch vor 30 Jahren: Kaum ein Gewitter, das nicht ein mediales Echo findet oder unentdeckt bliebe; dazu kommen millionenfache Nachrichten und Posts in den sozialen Netzwerken“, so der Diplom-Meteorologe. Da dränge sich zwangsläufig der Eindruck auf, Gewitter würden immer zahlreicher werden.

Das bestätigt auch Andreas Friedrich, Pressesprecher des Deutschen Wetterdiensts (DWD). „Dadurch, dass fast jeder ein Smartphone hat, erreichen Wetterwarnungen die Menschen viel eher.“ Tatsächlich sei die Zahl der Warnungen nicht gestiegen, es werde jedoch viel präziser gewarnt als früher.

Bernhard Mühr verweist auf eine wissenschaftliche Untersuchung, die Mitarbeiter des Instituts für Meteorologie und Klimaforschung am Karlsruher Institut für Technologie zur zwei Wochen andauernden Gewitterlage im Mai/Juni 2016 durchgeführt hatten: „Sie ergab, dass in Deutschland mit einer Gewitterlage mit einer Andauer von 14 Tagen wie im Vorjahr rund alle 20 Jahre einmal zu rechnen ist. Ein signifikanter Trend hin zu einer Häufung ließ sich nicht feststellen.“

Professor Michael Kunz leitet am selben Institut die Arbeitsgruppe für atmosphärische Risiken. Über einen Zeitraum von 30 Jahren könne das Gewitterpotenzial aufgrund von fehlenden Daten nur modellhaft berechnet werden. „Demnach hat das Gewitterpotenzial zugenommen“, sagt Kunz. „Betrachtet man aber einen Zeitraum von 60 Jahren, lässt sich kein eindeutiger Trend nach oben ablesen – denn in den 60er Jahren war es bereits ähnlich hoch wie heute.“ Kunz zufolge verringerte sich das Gewitterpotenzial in den 70er Jahren, bevor es Anfang der 80er begann, wieder anzusteigen.

Zeigen sich in Unwettern schon die Folgen des Klimawandels?

Diese Frage lässt sich nicht so einfach beantworten. Klimatologen beobachten in der Regel einen Zeitraum von 30 Jahren, um Klimaveränderungen zu erforschen, erläutert Andreas Friedrich vom DWD. Systeme, die Niederschlagsradardaten und Blitzdaten umfangreich erfassen können, gibt es allerdings erst seit rund 15 Jahren, insofern könne noch keine eindeutige Aussage diesbezüglich getroffen werden.

Allerdings: „Innerhalb dieser 15 Jahre ist die Anzahl der Tage mit Starkniederschlägen gestiegen. Man muss damit rechnen, dass Starkregen zunimmt, aber es ist noch nicht bewiesen“, sagt Friedrich. Die Atmosphäre erwärmt sich – und könne daher auch potenziell mehr Wasser speichern, was letztlich größere Regenmengen bedeuten kann. „Daher können extreme Wetterereignisse stärker ausfallen“, so Friedrich.

Was man bei Gewittern beachten sollte, lesen Sie hier.