Calcio liegt in der ersten Pokalrunde bei der SG Bettringen drei Tore hinten und siegt dann noch im Elfmeterschießen mit 10:9. Viele Fehler stehen im Kontrast zu einer tollen Moral.

Lokalsport : Franz Stettmer (frs)

Bettringen - Zum Glück ist der Mann von guter Konstitution. Knapp 1,90 Meter groß, athletische Figur. Sonst wäre es womöglich bedenklich geworden für Sezer Özerdem. An die drei Stunden standen der Torhüter und seine Teamkollegen bereits auf dem Fußballplatz. Das heißt: manch einer seiner Mitstreiter war dort zuletzt zwischendurch nur noch gelegen, geplagt von Muskelkrämpfen. Die Kraftreserven waren in der prallen Sonne aufgebraucht – fast. Für eine abschließende kollektive Energieleistung hat es dann doch noch gereicht. Am Ende stürmte die Delegation in Blau quer über den Rasen, als wollte sie mit Usain Bolt im Sprintfinale der Leichtathletik-Weltmeisterschaften konkurrieren. Das Ziel: Özerdem. Sekunden später war der 23-Jährige unter einem Knäuel von Körpern begraben. Der Verbandsligist Calcio Leinfelden-Echterdingen feierte seinen Helden der ersten Verbandspokalrunde.

 

Wer hätte es vorab gedacht, dass ein Pflichtsieg bei einem klassentieferen Gegner solche Jubelszenen auslösen könnte? Doch da hatte ja auch noch keiner zu erahnen vermocht, welch spezielle Dramaturgie und welch irres Spiel am Samstagnachmittag kredenzt werden würde. Unter dem Strich stand für die Echterdinger beim Landesligisten SG Bettringen ein 10:9-Sieg nach Elfmeterschießen, in welchem dem Neuzugang Özerdem die beiden entscheidenden Paraden gelangen – dies, nachdem es die längste Zeit nach alles anderem als einem Happyend des Favoriten ausgesehen hatte. Bis zur 76. Spielminute waren die Gäste noch mit 1:4 hinten gelegen. Calcio, so schien es, steuerte in eine krachende Niederlage, ehe die Begegnung eine ebenso späte wie furiose Wende erhielt.

„Riesenkompliment“ vom Trainer

Entsprechend hin- und hergerissen war der Trainer Francesco Di Frisco. „Wir haben den Gegner mit Fehlern eingeladen. Bis zum Punktspielstart in zwei Wochen in Sindelfingen gibt es noch viel aufzuarbeiten“, erkannte er einerseits. Andererseits zollte er den Seinen „ein Riesenkompliment“. Fest steht für Di Frisco: „Drei Tore Rückstand – da wäre jede andere Mannschaft kaputt gewesen.“ Nicht nur körperlich ob der Temperaturen, vor allem auch mental. So pannenbehaftet-unkonzentriert das Aufbauspiel und das Defensivverhalten in diversen Szenen waren, so sehr haben die Echterdinger gleich zum Spieljahrsbeginn ein Zeichen in puncto Moral und Teamgeist gesetzt.

Neuzugang Bahadir trifft doppelt

Wobei: rein leistungstechnisch ist die Aussagekraft im Hinblick auf alle weiteren Aufgaben eh nur begrenzt. Denn als sicher gilt, dass es eine Calcio-Elf in dieser Zusammensetzung kein zweites Mal geben wird. Ohne fünf noch im Urlaub weilende Leistungsträger (Avdiu, Candan, Gümüssu, Miftari, Pranjic) wurde die Partie für den Filderclub zur notgedrungenen Experimentierstunde. Oder, anders formuliert: zur Bewährungschance und zum Freischwimmerkurs für Einsteiger. „Fast lauter junge Hüpfer“ habe man ja in der Startformation gehabt, stelle Di Frisco fest. Nicht nur das: den erwähnten letztlichen Matchwinner Özerdem eingerechnet, insgesamt gar acht Neuzugänge. Ein neunter kam nach der Pause hinzu und trug einiges zum großen Calcio-Finish bei. Die Rede ist von Tahir Bahadir. Die Verpflichtung des Offensivmanns hatten die Echterdinger erst am Donnerstag perfekt gemacht. In der vergangenen Saison war der 20-Jährige noch für den Staffelrivalen VfB Neckarrems auf Torejagd, wechselte dann zum Oberligisten SSV Reutlingen – wo er inzwischen aber nach nur wenigen Wochen erkennen musste, dass es keine wirkliche Perspektive für ihn gibt. So einigten sich beide Seiten auf eine Auflösung des erst vor kurzem unterschriebenen Vertrags.

Bei seinem Calcio-Debüt erzielte Bahadir die Treffer zum 2:4 und 3:4, letzteren per Strafstoß nach einem Foul an Sascha Häcker. Häcker selbst markierte dann in der dritten Minute der Nachspielzeit den schon nicht mehr für möglich gehaltenen 4:4-Ausgleich, dem eine torlose Verlängerung folgte. In jener sah Häcker wegen wiederholten Foulspiels Gelb-Rot.

Vier Gegentore vom selben Spieler

Auf der Gegenseite hatte zuvor ein Akteur allein mit den Echterdingern Katz und Maus gespielt. Johannes Eckl, Bettringer Neuzugang vom Kreisligisten Schwabsberg/Buch, hatte alle vier Treffer der Gastgeber erzielt – den ersten nach fatalem Fehlpass des Echterdingers Armin Zukic. Dazwischen war allein Bastian Joas’ zwischenzeitliches Anschlusstor gelegen.

Dass Di Friscos Gegenüber Bernd Maier seinen Mann des Spiels dann vorzeitig vom Feld nahm? Tja, auch auf Bettringer Seite dachte man wohl, dass die Nummer durch ist. Ein Irrtum jedoch. In der zweiten Runde am nächsten Samstag steht nun Calcio. Der Gegner: NAFI Stuttgart, erneut auswärts. Ob auch erneut mit dem Helden Özerdem, das wird man sehen. Nein, nicht weil selbiger beim finalen Hurra Schrammen abbekommen hätte. Es ist nur so, dass der bisherige Bissinger ja eigentlich lediglich als Ersatzkeeper vermutet worden war.

SG Bettringen:
Vaas – Feil, Müller, Härter, Kreilinger – Seitz, Herkommer (86. Schweidler), Hartmann, Herr (90.+1 Grübel) – Eckl (77. Hinderberger), Adam (84. Cokkalender).

Calcio Leinfelden-Echterdingen:
Özerdem – Vidic, Armbruster, Scheuring, Altuntas (43. Ege, 70. Koukos) – Ismaili (95. Hosseini), Juric – Joas, Lekaj, Zukic (55. Bahadir) – Häcker.