Seit acht Jahren steht Matthias Schöck an der Spitze des Württembergischen Fußballverbandes (WFV). Im Interview gibt der hauptberufliche Bürgermeister von Hildrizhausen Einblicke in aktuelle Themen und verrät auch, ob er für eine weitere Amtszeit als WFV-Präsident zur Verfügung steht.
Herr Schöck, in der kommenden Saison spielen zwei württembergische Clubs in der Fußball-Bundesliga. Sie dürften wenig dagegen haben?
Das kann man wohl sagen. Und bis es so weit war, musste kräftig mitgezittert werden. In beiden Fällen war das ja eine hochspannende und äußerst emotionale Angelegenheit. Aber völlig klar: Aus Sicht des WFV hat es uns alle sehr gefreut, dass wir erstmals seit der Saison 1999/2000, als der SSV Ulm 1846 ein Jahr in der Bundesliga spielte, wieder mit zwei Vereinen vertreten sind. Das ist nicht selbstverständlich. Denn es gibt 21 Landesverbände und nur 18 Bundesligisten.
Was bringt es dem Verband konkret?
Wir profitieren in vielen Bereichen. In finanzieller Hinsicht, da im Grundlagenvertrag vereinbart ist, dass die Landesverbände in der ersten Liga mit 2,35 Prozent an den Ticketeinnahmen partizipieren, in der zweiten Liga sind das 1,1 Prozent weniger. Viel wichtiger aber sind die sportliche Komponente und die Auswirkung auf Kinder und Jugendliche, die den Spielern von zwei Bundesligisten nacheifern können. Solche Aushängeschilder haben eine Vorbildfunktion.
Wird es bei zwei Erstligisten bleiben?
Also dem VfB wünsche ich zumindest einmal eine Saison ohne Sorgen, und beim 1. FC Heidenheim bin ich sicher, dass man dort auf dem Boden bleiben wird, keine Experimente veranstaltet und durchaus in der Lage ist, den Klassenverbleib zu schaffen. Maximalen sportlichen Erfolg erhoffe ich mir aber auch für den Drittliga-Aufsteiger SSV Ulm 1846 und für die Stuttgarter Kickers, die endlich den Sprung in die Regionalliga geschafft haben. Schade, dass es die SG Sonnenhof Großaspach über die Aufstiegsspiele nicht geschafft hat.
WFV-Pokal-Finale in Aspach?
Die Kickers standen zuletzt zweimal in Folge im WFV-Pokal-Finale. Stimmt es, dass das Endspiel 2024 nicht im Gazi-Stadion über die Bühne gehen kann?
Das ist der aktuelle Stand, aber es ist noch keine endgültige Entscheidung gefallen. Das Gazi-Stadion ist zu diesem Zeitpunkt bereits an die EM 2024 vergeben, weil höchstwahrscheinlich eine Nation ihr Team-Basecamp in Degerloch beziehen wird. Trotzdem sind wir in guten Gesprächen mit der Stadt Stuttgart, die ebenfalls großes Interesse daran hat, das WFV-Pokalfinale auf der Waldau auszutragen. Mehr als 8500 Zuschauer – wie zuletzt im Finale der Stuttgarter Kickers gegen die TSG Balingen – sprechen für diesen Standort.
Die Alternative wäre die Wir-machen-Druck-Arena in Großaspach?
Nach aktuellem Stand, ja.
Wie nötig hat der Fußballnachwuchs im Land sowohl die Erstliga-Aushängeschilder als auch den möglichen Schub durch die Heim-EM?
Wir erhoffen uns in beiden Fällen, dass der Funke überspringt, dass Begeisterung geweckt wird, die in die Amateurvereine getragen wird und dort etwas auslöst. 17 Jahre später kann man es zwar nicht eins zu eins mit dem Sommermärchen 2006 vergleichen, aber klar ist, dass uns frischer Nachwuchs guttun würde, auch wenn wir vergleichsweise gut durch die Coronazeit gekommen sind.
Wie erklären Sie sich das?
Wir sind eine Mannschaftssportart, die im Freien gespielt wird und nicht individuell in einer Halle. Wir konnten Ende 2022 einen Mitgliederzuwachs von 2,6 Prozent erzielen und stehen aktuell bei rund 530 000 Mitgliedern. Man muss hier aber genauer differenzieren.
Zulauf bei den Schiedsrichtern
Weil viele passive Mitglieder darunter sind?
Richtig. Rund zwei Drittel unserer Mitglieder spielen nicht aktiv Fußball, sondern unterstützen ihren Verein oder sind ehrenamtlich tätig. Darüber hinaus profitieren wir von den Mitgliederzuwächsen beim VfB Stuttgart und beim 1. FC Heidenheim. Dennoch haben wir bei den Spielerinnen und Spielern aktuell einen Zulauf im unteren Jugendbereich, erfreulicherweise auch im Schiedsrichterwesen. Rückläufig ist dagegen die Entwicklung im Bereich C-, B- und A-Jugend.
Die Strukturreform im WFV wird am 1. Juli 2024 umgesetzt. Wie viel Kritik prasselt Ihnen noch entgegen?
Es gab mit 79 Prozent eine deutliche Mehrheit für die Reform. Allen kann man es nie recht machen. Aber auch dank vieler konstruktiver Gespräche befinden wir uns auf einem guten Weg. Die Wogen haben sich geglättet.
Wie stehen die Chancen auf einen gemeinsamen Fußballverband Baden-Württemberg?
Beim Verbandstag 2021 gab es den Antrag, sich diesbezüglich Gedanken zu machen. Die drei Verbände im Land sind in den vergangenen Jahren und besonders während der Coronazeit im Haupt- und Ehrenamt schon sehr nah zusammengerückt. Und wir wollen noch stärker zusammenarbeiten, zum Beispiel im Passwesen, in der Kommunikation oder im rechtlichen Bereich. Konkrete Ergebnisse werden beim Verbandstag 2024 vorgelegt. Ein Zusammenschluss ist jedoch aktuell kein Thema.
Beim Verbandstag im nächsten Jahr finden auch Neuwahlen statt. Treten Sie erneut an?
Ich habe erst vor Kurzem dem Vorstand erklärt, dass ich erneut kandidieren werde. Mir macht die Arbeit seit acht Jahren viel Spaß, wir haben aus meiner Sicht gemeinsam viel Gutes auf den Weg gebracht, das würde ich gerne für weitere drei Jahre fortführen.
Ex-Torwart und Bürgermeister
Karriere
Matthias Schöck wurde am 18. Dezember 1974 in Herrenberg geboren. Bis er 28 war, spielte er als Torwart beim SV Mötzingen. 2002 wurde er Bürgermeister von Hildrizhausen, ist bis 2026 gewählt. 2015 wurde er ehrenamtlicher Präsident des Württembergischen Fußballverbandes (WFV). Damit gehört er dem Vorstand des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) an. Als WFV-Präsident ist er bis 2024 im Amt, er stellt sich beim ordentlichen Verbandstag zur Wiederwahl.
Persönliches
Verheiratet mit Simone, ein Sohn (15), eine Tochter (11). (jüf)