Während der WM genießt der Frauenfußball eine hohe Aufmerksamkeit. Danach verschwindet er im Niemandsland. WFV-Verbandssportlehrerin Sabrina Eckhoff äußert im Interview ihre Ideen, das zu ändern.

Sport: Jürgen Frey (jüf)

Stuttgart - Sie ist die erste Verbandssportlehrerin in der Geschichte des Württembergischen Fußballverbandes (WFV): Seit Mai 2015 ist die in Henstedt-Ulsburg geborene Sabrina Eckhoff für den WFV aktiv. Die 34-Jährige befürchtet, dass der Frauenfußball nach der WM wieder im medialen Niemandsland versinkt und fordert mehr Professionalität in der Liga.

 

Frau Eckhoff, wo und wie intensiv verfolgen Sie die Frauenfußball-WM?

Im Büro oder von zu Hause aus sehr intensiv – im Livestream, im Fernsehen, in den Printmedien, auf allen Kanälen. Und ich muss sagen, ich bin positiv überrascht.

Von der Art der Berichterstattung oder vom Niveau der Spiele?

Von beidem. Die Spiele belegen eindrucksvoll wie sich der Frauenfußball in Sachen Physis, Schnelligkeit und Leistungsdichte weiterentwickelt hat.

Dennoch schauen sich viele Fußballinteressierte gerade aus diesen athletischen Gründen lieber einen Kreisliga-Relegations-Kick an als ein Frauen-WM-Spiel im Fernsehen.

(lacht) Dann sollten sich diese Leute mal ein eigenes Bild von der Schnelligkeit und der Athletik bei einem Frauen-Spiel auf höchstem Niveau machen. Da geht es mit Sicherheit nicht langsamer zu, als in der Kreisliga. Von einem Vergleich mit der Männer-Bundesliga will ich nicht reden. Das ist aufgrund der körperlichen Voraussetzungen eine andere Sportart, faszinierend sind beide auf ihre Art.

Im Tennis und Ski alpin ist die Physis von ähnlicher Bedeutung wie im Fußball…

...ich kann mir denken, auf was sie hinauswollen. Die Rahmenbedingungen bei diesen Sportarten richten sich nach der körperlichen Leistungsfähigkeit, die bei den Frauen nun mal geringer ist.

Genau, deshalb wird im Damen-Tennis nur über zwei Gewinnsätze gespielt, die Abfahrtsstrecke ist kürzer…

…dennoch sollte Fußball Fußball bleiben. Bei den Frauen das Spielfeld zu verkleinern oder die Spielzeit zu verkürzen, davon halt ich nichts. Eine Änderung des Regelwerks wäre nicht zielführend. Da gibt es andere Möglichkeiten, die Attraktivität zu erhöhen.

Welche?

Der Frauenfußball muss ein professionelleres Bild in der Öffentlichkeit abgeben. Den Werbespot, den die Spielerinnen vor der WM von sich drehen ließen, fand ich klasse.

Sie meinen den Spot mit dem Text „Wir brauchen keine Eier, wir haben einen Pferdeschwanz“?

Da wird auf humorvolle Weise mit einem Vorurteil umgegangen, das sich ohnehin nicht wegdiskutieren lässt. Aber klar ist doch, dass der Frauenfußball weitaus attraktiver ist, als noch vor zehn Jahren.

Sie haben sich zu Beginn des Gesprächs positiv über die Berichterstattung in den Medien geäußert. Warum?

ARD und ZDF senden zur Prime Time, Tageszeitungen berichten ausführlich, und auch in den sozialen Medien existieren unglaublich viele Postings über die Aktivitäten der Spielerinnen.

Und dass der Boulevard über den Inhalt der Reisekoffer der Spielerinnen berichtet und eine Bilderstrecke betitelt mit „So sexy wird die Frauenfußball-WM“ stört sich nicht?

(lacht) Das würde bei den Männern vielleicht nicht ganz so sehr im Vordergrund stehen, andererseits war die schrille Jacke von Leroy Sané vor Kurzem auch ein heißes Thema. Nein, ich finde es nicht schlimm, wenn der Boulevard solche Geschichten macht, die allermeisten Medien nähern sich der WM ja durchaus sachlich.

Welche Auswirkungen versprechen Sie sich von der hohen Aufmerksamkeit auf die Basis?

Das ist ein schwieriges Thema. Bei unserer Frauenfußball-Heim-WM 2011 gab es ja auch einen gewissen Hype, die große Schwierigkeit ist aber, die Begeisterung in die Liga mitzunehmen...

...wo der Zuschauerschnitt gerade mal bei 800 pro Spiel liegt.

Das zeigt das Kernproblem. Nach einem Top-Ereignis wie einer WM findet der Frauenfußball in den Medien so gut wie nicht mehr statt. Im frei empfangbaren Fernsehen wird danach praktisch nichts mehr gezeigt. Und wenn ich im TV nichts sehen kann, dann fehlt auch der Reiz ins Stadion zu gehen.

Im Ausland scheinen die Vereine aber auch professioneller aufgestellt zu sein.

Das stimmt. In der englischen Frauenfußball-Liga herrscht beispielsweise durchweg Vollprofitum. Nicht nur Vereine wie Manchester City oder Arsenal investieren in den Frauenfußball. In Deutschland gibt es zu wenig hauptberufliche Spielerinnen, die Rahmenbedingungen in den Vereinen, wie die Infrastruktur oder das Betreuerteam, sind nicht professionelle genug.

Müsste es mehr Clubs wie den FC Bayern oder den VfL Wolfsburg geben, die mit eigenen Frauenteams in der Bundesliga vertreten sind?

Das wäre der richtige Schritt. Doch die Frage ist immer: Wie viel Power lege ich rein? Stelle ich auch dem Frauenteam etwa das komplette Trainingsgelände zur Verfügung? Was ich damit sagen will: Das Engagement eines Männer-Proficlubs im Frauenbereich muss auf einen nachhaltigen Effekt ausgelegt sein.

Sehen Sie eine Chance, dass der VfB Stuttgart sich für den Frauenfußball begeistert?

Der VfB wäre eine große Chance für den Frauenfußball und der einzige Club, der dem Frauenfußball in Württemberg einen Schub geben könnte. Leider ist der Fokus derzeit noch ein anderer. Ein Problem sind die überschaubaren Platzkapazitäten an der Mercedesstraße. Dennoch habe ich die Hoffnung, dass sich der VfB für dieses Thema öffnet und wir die Gespräche wieder aufnehmen. Andernorts hat man auch erst spät erkannt, welche Strahlkraft der Frauenfußball entwickeln kann – und dies mit überschaubarem Etat.

Auch die Stuttgarter Kickers hätten eine bundesweite Bekanntheit.

Stimmt, aber die Strahlkraft einer Marke hilft nicht, wenn – wie auf der Waldau - nicht ausreichend Plätze vorhanden sind. Zudem leisten sich die Blauen als Fünftligist ein Nachwuchsleistungszentrum (NLZ), das ist beachtlich genug.

Und der 1. FC Heidenheim…

…ist überhaupt kein Thema. Der Zweitligist hat sich geweigert, talentierte Jugendspielerinnen des Nachbarclubs FFV Heidenheim in sein NLZ aufzunehmen.

Wie besorgt sind Sie über die rückläufigen Mannschaftszahlen bei den Juniorinnen in Württemberg?

Der Rückgang liegt hauptsächlich daran, dass viele Mädchen mindestens bis zur C-Jugend in Jungenmannschaften spielen .

Liegt es nicht daran, dass Spielerinnen mit Migrationshintergrund von ihrem Elternhaus aus gar nicht Fußballspielen dürfen?

Nein, das ist marginal. Die Vorbehalte, auch bei muslimischen Eltern, sind in den vergangenen fünf Jahren stark zurückgegangen. Unsere Gesellschaft ist offener geworden, das gilt innerhalb dieser Familien.

Wo wollen Sie dann ansetzen?

Wir haben in den vergangenen Jahren den Kinderfußball grundsätzlich umstrukturiert. Die Handballer waren uns diesbezüglich voraus. Inzwischen organisieren wir Kinder-Spieltage, setzen die Sechsjährigen nicht mehr auf die Ersatzbank, gehen mehr in die Schulen und kümmern uns aktiv um potenziellen Nachwuchs. Und dann benötigen die weiblichen Fußballkids eben auch Vorbilder. Und da wären wir wieder bei der fehlenden medialen Berichterstattung außerhalb von Großereignissen.

Und einen württembergischen Frauenfußball-Bundesligisten gibt es auch nicht.

Es gibt ja nicht einmal einen Zweitligisten. Das ist jammerschade. Der SV Alberweiler und der TSV Crailsheim spielen in der Regionalliga, und jetzt ist auch der VfB Obertürkheim in diese dritthöchste Spielklasse aufgestiegen. Wir sind aktuell mit der U 14 Länderpokalsieger geworden und haben uns gegen 21 Teams auf Bundesebene durchgesetzt. Mit der U 16 wurden wir Vize-Länderpokalsieger. Doch spätestens, wenn die Spielerinnen ins Aktivenalter kommen, verlassen sie Württemberg. Die aktuellen Nationalspielerinnen Giulia Gwinn, Melanie Leupolz und Leonie Maier sind ja die besten Beispiele.

Wie weit kommt das deutsche Team bei der WM?

Das Halbfinale ist drin, wenn es zu mehr reichen soll, muss sich unser junges und kampfstarkes Team auch spielerisch steigern.

Und wie lautet Ihr Wunsch für den Frauenfußball im Land?

Dass die Wertschätzung weiter steigt, genauso die mediale Aufmerksamkeit und die Professionalität der Vereine sowie mittel- und langfristig einen württembergischen Bundesligisten, damit unsere vielen Talente in der Heimat am Ball bleiben können.