Viele Studenten haben zu Semesterbeginn noch keine passende Bleibe gefunden. Im Internet boomt die Wohnungssuche der Studenten. Doch auch online findet nicht jeder sofort ein Zimmer.

Stuttgart - Es dauert nur einen kurzen Augenblick, dann spucken die großen WG-Plattformen im Internet schon seitenweise Vorschläge für Wohngemeinschaften aus. Beispiel München: Auf einen Klick öffnet sich eine Liste über 8000 potenzielle Traum-WGs: groß, klein, international oder schwäbisch, mit Blick auf die Partymeile oder auf die Bibliothek .

 

Studenten empfinden die Wohnungssuche über Aushänge am Schwarzen Brett der Universität zunehmend als mühselig und altmodisch. „Es geht schneller und man muss nicht etliche Kilometer in eine andere Stadt fahren, um dann vielleicht doch eine Absage zu kassieren“, sagt die Maschinenbaustudentin Sylvie Jahne, die in Stuttgart zum Wintersemester nach einem WG-Zimmer über das Internet sucht.

Vor allem der persönliche Filter macht die Netzsuche attraktiv

Die virtuelle Zimmersuche ist bei Studenten sehr beliebt, 50 Millionen Besucher nutzen jährlich die Plattform WG-gesucht.de, mehrere Millionen die Seiten WGcast, Studenten-WG und noknok24 – die Tendenz ist steigend.

Was macht die Wohnungssuche im Internet so beliebt? Vor allem die Vielfalt der Angebote und der persönliche Filter („Nichtraucher“, „keine Haustiere“ und bitte „keine Streber“) mache die Zimmersuche im Netz attraktiv, sagt Annegret Mülbaier, die Sprecherin des Portals WG-gesucht.de. Im Oktober wurden auf ihrem Portal insgesamt 2021 Angebote in Stuttgart inseriert, an die mehr als 40 000 Anfragen gesendet wurden. Ein Angebot in Stuttgart erhielt somit im Schnitt mehr als 20 Anfragen – knapp ist das Wohnraumangebot also auch im Internet.

Die Konzepte der WG-Börsen sind recht ähnlich. In eine Suchmaske können Nutzer kostenlos die Stadt eingeben sowie das gewünschte Einzugsdatum und die maximale Gesamtmiete. Daraufhin zeigt einem die Datenbank passende Vorschläge an. Partyfreudige Studenten zum Beispiel sind bei einer Anzeige wie dieser mental schon in die WG eingezogen: „Drei herzlich-bekloppte, gerne feiernde aber trotzdem ordentliche Mitbewohner zwischen 24 und 27 warten im Herzen Kölns auf dich.“ In Stuttgart gibt es für recht günstige 280 Euro ein geräumiges Zimmer in einer Wohngemeinschaft mit Waschmaschine, Balkon, Badewanne – und klaren Linien: „Chauvinisten/innen, Sexisten/innen, Rassisten/innen, Antisemiten/innen und andere rechte Spinnende (CDU inklusive) sind bei uns nicht erwünscht“, schreiben die Vermieter.

Am höchsten sind die Mietpreise in München

Junge Portale wie WGcast und noknok24, das vor einem Jahr unter dem Dach des Wohnungsriesen Immobilienscout24 gegründet wurde, bieten neben der Zimmersuche auch die Chance, Mitbewohner zu finden und durch einen Interessenabgleich eine Vorauswahl der Bewerber zu treffen. Das erspart nicht nur Zeit, sondern bewahrt auch vor Massencastings und über vollen E-Mail-Ordnern. „Mir war es wichtig erst mal zu sehen, was angeboten wird und zu welchen Preisen. Und natürlich, wie sich die einzelnen WGs vorstellen – passe ich da rein, ticken die ähnlich wie ich?“, beschreibt Sylvie Jahne ihre Zimmerrecherche im Internet.

Hart umkämpft ist der Wohnungsmarkt in Metropolen wie München, Hamburg, Berlin oder Köln aber auch in Tübingen und Stuttgart. Im Schnitt suchen Studenten drei Monate nach einer Bleibe. Die Mietpreise schwanken regional, am höchsten sind sie in den westdeutschen Großstädten, Spitzenreiter ist München. Dort kostet im Wintersemester ein Zimmer in einer Dreier-WG im Schnitt eine Warmmiete von 501 Euro pro Person, wie eine Berechnung von Immobilienscout24 ergab. Das Deutsche Studentenwerk (DSW) nennt andere Zahlen: Es ermittelte nur Mietausgaben in Höhe von 358 Euro pro Person für den Raum München. Am günstigsten sind WG-Zimmer in den neuen Bundesländern, etwa in Chemnitz und Dresden, wo die Miete laut Studentenwerk zwischen 210 und 250 Euro beträgt.

Das WG-Leben wird immer beliebter

Günstiger lässt es sich für Studenten nur im „Hotel Mama“ wohnen. Das wollen allerdings inzwischen nur noch die wenigsten. Leben in einer Wohngemeinschaft liegt im Trend: 29 Prozent der Studierenden teilten sich 2012 mit anderen eine Wohnung. Vor zehn Jahren waren es noch 22 Prozent, wie das Studentenwerk ermittelte. Georg Schlanzke, der Referatsleiter für studentisches Wohnen am DSW, führt den Anstieg auf den Kostenvorteil zurück. Viele Studenten suchten auf dem freien Markt eine kostengünstige Bleibe, um den Engpässen an den Wohnheimen auszuweichen, die wegen den doppelten Abiturjahrgängen und steigenden Studentenzahlen auch in diesem Semester wieder lange Wartelisten verzeichnen. „Ältere Semester suchen sich dann aber eigene Wohnungen oder ziehen mit dem Partner zusammen“, sagt Schlanzke.

Die Wohnungsexpertin Mülbaier nennt einen anderen Vorteil der WG: das wohlige Gefühl, Teil einer Gemeinschaft zu sein, in einer für die Erstsemester noch unbekannten Stadt. „Die wenigsten unserer User sind auf eine Zweckgemeinschaft aus. Viele legen Wert darauf, dass man in der Freizeit gemeinsame Dinge unternimmt, zum Beispiel kocht“, bestätigt auch Felix Klenk, Gründungsmitglied des Portals WGcast.

Nach drei Wochen fand Sylvie Jahne eine passende Bleibe in Esslingen. „Alles gut soweit“, sagt sie zufrieden. Nur ein Problem gäbe es mit dem Fenster. „Wenn die Jalousien oben sind, hat man einen ziemlich guten Blick in mein Zimmer. Einen zu guten Blick vielleicht.“

Wohnheime im Südwesten platzen aus allen Nähten

Heidelberg:
Allein in dieser Unistadt stehen 5000 Suchende auf der Wohnheimwarteliste – das sind nach Angaben des Studentenwerks bis zu 1000 mehr als ein Jahr zuvor. Zum Wintersemester wurden Notunterkünfte für bis zu 50 Studenten eingerichtet.

Tübingen:
Auch hier ist die Situation angespannt: 3670 Wohnheimplätze gibt es insgesamt. Davon waren zu diesem Wintersemester 1474 Plätze frei. Beworben haben sich darauf allerdings 3900 Studenten.

Hohenheim
: Hier bietet das Studentenwerk 1050 Wohnheimplätze an, im Wintersemester waren 444 davon frei. Rund 800 offene Bewerbungen gibt es derzeit noch.

Konstanz
: Die Wohnheimplätze des Studentenwerks Seezeit sind derzeit ebenfalls alle vergeben. Rund 1100 Bewerber haben kein Zimmer bekommen.

Ulm
: Hier stehen 600 Studenten auf der Warteliste. Die mehr als 1500 Wohnheimplätze sind komplett belegt.

Karlsruhe:
Die Unistadt steht bei der studentischen Wohnmisere nach Angaben des Studentenwerks „nicht ganz so schlecht“ da. Rund 5000 Wohnheimplätze gibt es in der Stadt. Jährlich hat das Studentenwerk Mannheim etwa 1000 Plätze frei – dem stehen jedoch 3000 bis 4000 Bewerbungen gegenüber.