An der IT-Schule in Vaihingen sind gesicherte Chats zwischen Lehrern und Schülern seit Jahren Standard, am Ferdinand-Porsche-Gymnasium wartet man selbst auf den kabellosen Anschluss ans Internet. Das hemmt nicht nur den Dialog.

Stuttgart - Der Neubau für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik steht seit dem Jahr 2013. Drei Millionen Euro hat das Herzstück des Ferdinand-Porsche-Gymnasiums gekostet, es soll zum Tüfteln und Experimentieren einladen. „Einen kabellosen Internetzugang hat der Raum aber nicht“, sagt Schulleiterin Carmen Nasse, „die Schüler müssen das Arbeitsmaterial auf Sticks speichern.“

 

Gleich nach ihrer Amtseinsetzung im vergangenen Sommer habe sie Wlan für alle Fachklassenräume beantragt. „Statt zu daddeln müssen die Schüler lernen, sich in der digitalen Welt kompetent zu bewegen. Dazu braucht es eine gewisse Ausstattung, denn ohne sie ändert sich auch die Pädagogik nicht“, sagt Nasse. Am 1. Februar 2018 antwortete die Stadt: Jetzt, wo das Porsche-Gymnasium den Zuschlag als Pilotschule für die landesweite Bildungscloud bekommen habe, müsse man wissen, welche technischen Voraussetzungen nötig seien.

Eigener Messengerdienst ist zu teuer

2016 war Carmen Nasse noch Schulleiterin in Braunschweig und konnte mit einer Plattform samt Messengerdienst arbeiten. In Stuttgart muss sie mit der landesweit üblichen, kostenfreien Schulplattform Moodle vorlieb nehmen. Sie dient nicht der schnellen, spontanen Nachrichtenübermittlung, sondern ist gedacht als Tisch, auf dem Material hinterlegt und Terminkalender gespeichert sind. „Die beliebteste und weit verbreitete Whatsapp habe ich verboten, aber ich bin skeptisch, ob die Nutzung sich verhindern lässt, so lange wir keine andere Lösung haben.“ Denkbar sei ein eigener Messengerdienst, nur koste der pro Schüler 30 Euro; „bei 780 Schülern ist das bis jetzt keine Option“.

Von einer Ausstattung wie an der IT-Schule in Vaihingen kann sie nur träumen. Im Stuttgarter Zentrum für Informations- und Medientechnik haben alle Schüler einen personalisierten Account. Damit können sie aufs schulische Intranet und auf Moodle zugreifen, auf den Schulserver, um Dateien auszutauschen, auf eine kostenlose, kommerzielle App für Stunden- und Vertretungspläne, und sie können mit einer eigenen E-Mail-Adresse am verschlüsselten Mailverkehr teilnehmen. „Das ist sozusagen die berufliche Adresse unserer Schüler, und sie können gut damit umgehen“, sagt Schulleiter Florian Leopold.

Zu wenig Ressourcen für Systempflege

An dieser Schule muss keiner fürchten, dass das System in die Knie geht, obwohl alle Fachunterrichtsräume ins schulische Netz integriert sind: „Wir haben zwei zentrale Serverräume und vier weitere auf jeder Etage, für jeden Gebäudequadranten einen“, sagt Günther Schraitle, der Systemadministrator. Der Lehrer ist für die Pflege der Geräte und des Systems zuständig. Dafür erhält er sogenannte Ermäßigungsstunden, die er dann allerdings im eigentlichen Unterricht nicht mehr zur Verfügung steht. Er wird von Kollegen, zumeist Informatikern, unterstützt. „Bei Bedarf programmieren wir uns eine Software selbst“, sagt Schraitle. Zum Beispiel ein Programm zur automatisierten Synchronisation der Benutzerverwaltung.

Das hilft schon mal bei der Systempflege. In Vaihingen sind 850 Computer für 1500 Schüler zu betreuen. „Wir haben die Größe eines mittelständischen Wirtschaftsunternehmens, das normalerweise mehrere EDV-ler nur für diese Aufgabe beschäftigt. Wir Schulen haben ein Ressourcenproblem. Das wird der entscheidende Punkt bei der Digitalisierung sein“, so Leopold.

Schulausstattung bremst Experimentierlust

Bei Wlan-Lösungen sehen die IT-ler große Herausforderungen auf die Schulen zukommen: Sie sind anfällig für unberechtigte Zugriffe und illegale Aktionen, die Personalisierung ist aufwendig und teuer – so lautet ihr Urteil. „Wenn eine Schule Jahrzehnte alt ist und keine entsprechende Verkabelung vorhanden ist, dann ist Wlan die notwendige Basis der Digitalisierung“, so Florian Leopold.

Am Königin-Charlotte-Gymnasium in Möhringen wartet man sehnlichst auf den Fortschritt: „Der Einsatz digitaler Methoden motiviert unsere Schüler sehr, doch bis jetzt dauert es eine halbe Stunde, bis alle Schüler an ihren PCs angemeldet sind. Das hat keinen Wert“, sagt Schulleiterin Andrea Funke-Fuchs. Die Serverkapazität sei zu gering, Systemzusammenbrüche häufig. Dabei eröffne das Internet „Zugang zu neueren Methoden und sehr gutem Material“.

Carmen Nasse würde gern ein digitales Schulbuch verwenden. „Aber wer verwaltet das Material, wofür der Nutzungsvertrag jährlich erneuert werden muss?“ Die Schulleiterin sagt: „Diese ganze Digitalisierung ist ein Riesending und viel mehr, als Wlan einzurichten und Whatsapp zu verbieten.“

Nach Angaben von Karin Korn, der Leiterin des Schulverwaltungsamts, unterstützt die Stadt die Schulen unter anderem mit vier Mitarbeitern eines externen Dienstleisters beim so genannten Service Desk ITS4School. „Dort sind im Jahr 2017 circa 12 000 Anfragen eingegangen.“ Ein Viertel der Anfragen habe telefonisch gelöst werden können, Einsätze an Ort und Stelle würden ein bis mehrere Tage beanspruchen. Bis zur Einrichtung eines Netzwerks „können mehrere Wochen, Monate, zum Teil Jahre bis zur Umsetzung vergehen, abhängig von Umfang, Finanzierung, Planung und Zustand der Elektroleitungen“, so Korn. Der Bedarf werde „mit Sicherheit steigen“.