Auch die im Ausland lebenden Türken dürfen über das Präsidialsystem abstimmen. Kommt Erdogan zum Wahlkampf nach Deutschland? Das ist noch nicht sicher. Doch der Widerstand formiert sich schon.

Berlin/Köln - In Deutschland wächst der Widerstand gegen einen möglichen Wahlkampfauftritt des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir und Nordrhein-Westfalens Landesregierung fordern, eine solche Veranstaltung zu untersagen. Die Bundesregierung müsse Erdogan „deutlich machen, dass er vor dem Referendum hier nicht erwünscht ist“, sagte Özdemir am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur.

 

Die Türken entscheiden am 16. April in einem Referendum über das Präsidialsystem, das Erdogan deutlich mehr Macht verleihen würde. Abstimmen dürfen auch die rund 1,4 Millionen Türken, die in Deutschland leben.

Der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD) forderte im „Kölner Stadt-Anzeiger“: „Es ist Aufgabe des Bundes, dafür zu sorgen, dass solche Auftritte weder in NRW noch irgendwo anders in Deutschland stattfinden.“ Aus dem Bundesinnenministerium hieß es zu derartigen Forderungen allerdings nur, grundsätzlich seien die jeweiligen Bundesländer für die Anwendung des Versammlungsrechts zuständig.

Die „Bild“-Zeitung hatte unter Berufung auf einen Diplomaten aus Ankara berichtet, Erdogan wolle im März nach Nordrhein-Westfalen kommen, um vor dem Referendum in der Türkei für das von ihm angestrebte Präsidialsystem zu werben. Eine offizielle Bestätigung für die Reise gibt es allerdings nicht. Berlin will sich deshalb auch nicht zu den Möglichkeiten äußern, wie ein solcher Auftritt eventuell zu verhindern wäre.

Doch auch in den Reihen der Bundesregierung regt sich Widerstand. Die Integrationsbeauftragte Aydan Özoguz (SPD) sagte den Dortmunder „Ruhr Nachrichten“: „Solche Auftritte vergiften die Atmosphäre bei uns und schaden unserem friedlichen Zusammenleben.“

Erdogan war 2008 und 2014 schon zum Wahlkampf in Köln

Belastet wird das deutsch-türkische Verhältnis derzeit auch durch Spitzelvorwürfe an die Adresse Ankaras. So sollen nach Deutschland entsandte Imame als Spitzelnetz benutzt worden sein, um Anhänger der Bewegung des Predigers Fethullah Gülen auszuspähen, den Erdogan für den Putschversuch vom Juli 2016 verantwortlich macht. Nach Erkenntnissen der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sollen türkische Konsulate zudem türkischstämmige Lehrer und Eltern angestiftet haben, kritische Lehrer zu melden.

Erdogan absolvierte bereits 2008 und 2014 Wahlkampfauftritte vor Tausenden Anhängern in Köln. Ob der türkische Präsident in den kommenden Wochen tatsächlich wieder nach Nordrhein-Westfalen kommt, ist weiter unklar. In den großen Arenen in Oberhausen und Gelsenkirchen gibt es bislang offenbar keine Buchungsanfragen. Auch bei der Wahlkoordinierungsstelle der türkischen Regierungspartei AKP im Ausland ist von einem Erdogan-Auftritt offiziell „nichts bekannt“.