Viele Singles haben ein Date nach dem anderen, aber finden keine dauerhafte Beziehung. Ist Dating heute schwieriger geworden?
Alexander Tiesenhausen: Nicht direkt. Beim Dating und in Beziehungen geschieht vieles unbewusst. Es gibt bestimmte Muster, die uns bei der Partnersuche und in Beziehungen behindern. Das hat zum einen mit unserem Bindungsstil zu tun, aber auch mit frühen Prägungen und Schutzstrategien, die wir uns als Kinder angeeignet haben. Daraus entstehen zum Beispiel negative Glaubenssätze, die glücklichen Beziehungen oft im Weg stehen. Zum Beispiel: „Ich muss mir Liebe erst verdienen.“ Oder: „Ich darf nicht zu viel Raum einnehmen.“
Caroline Hehenberger: Viele Singles stehen sich durch solche Muster selbst im Weg, ohne es zu bemerken. Oft sind es immer wieder dieselben Probleme, auf die sie stoßen. Statt an sich selbst zu arbeiten, suchen viele die Schuld im Außen – bei den Männern, den Frauen oder der Gesellschaft. Unser Ansatz ist, herauszufinden, welche Überzeugungen und Muster jemand mitbringt, und diese so zu verändern, dass erfüllte, authentische Beziehungen möglich werden.
Warum glauben wir bei Beziehungen immer noch vor allem an die „Chemie“?
Caroline Hehenberger: Hollywood hat uns diesen Glauben eingetrichtert. Viele denken, dass viel Einsatz nicht notwendig ist oder dass der Mann seiner Frau jeden Wunsch von den Augen ablesen können muss. Da sind Enttäuschungen vorprogrammiert, weil das in der Realität nicht funktioniert. Es gab kürzlich eine Studie, dass Frauen immer progressiver werden und Männer wiederum konservativer – das passt für viele in einer Beziehung nicht. Das ist aber ein gesellschaftliches Problem.
Alexander Tiesenhausen: Diese gesellschaftlichen Entwicklungen haben natürlich auch eine Auswirkung auf Beziehungen. Die Ansprüche emanzipierter junger Frauen lassen sich nicht mehr mit veralteten Rollenbildern vereinbaren. Auf der anderen Seite fehlen jedoch positive männliche Vorbilder, die jungen Männern einen modernen Zugang zu ihrer Rolle als Mann vermitteln könnten. In jedem Fall braucht es aus meiner Sicht Bildung und Dialog, um diese Spaltung langfristig überbrücken zu können.
Was wären die Punkte, an denen Menschen selbst arbeiten können?
Caroline Hehenberger: Zunächst ist es einmal wichtig zu wissen, wonach man eigentlich sucht. Viele Menschen haben Vorstellungen von Beziehungen, die von den eigenen Eltern, dem Umfeld oder den Medien geprägt sind – diese spiegeln aber nicht zwangsläufig das wider, was man selbst wirklich als wichtig erachtet. Auf dieser Basis kann man dann erforschen, was einem auf dem Weg dorthin noch im Weg steht. Häufig sind das unsere frühen Prägungen durch unsere Familie, die unser Verhalten in Beziehungen maßgeblich beeinflussen. Diese Muster positiv zu verändern, erfordert meist auch, den eigenen Selbstwert zu stärken und mutiger zu den eigenen Bedürfnissen und Grenzen zu stehen. Die richtige Kommunikation ist etwas, das man lernen kann – und das erfordert auch, Wünsche und Probleme frühzeitig anzusprechen und dem Partner Feedback zu geben, damit sich kein Groll entwickelt.
Feedback klingt nach Arbeitswelt und wenig romantisch.
Alexander Tiesenhausen: Aber zu erwarten, dass der Partner Gedanken lesen kann, ist auch unromantisch. Wenn man Probleme nicht anspricht, verursacht man nur unnötige Spannungen. Wer seine Bedürfnisse nicht klar äußert, wird unzufrieden, und das kann die Beziehung belasten. Das Ansprechen von Problemen ist die Grundvoraussetzung für eine funktionierende Beziehung. Wenn ich ständig mehrere Tage wütend bin und es nicht kommuniziere, hat die Beziehung wenig Aussicht auf Erfolg.
Caroline Hehenberger: Idealerweise agiert man in einer Partnerschaft als Team, und ruft sich das auch in Konflikten in Erinnerung. Das erfordert dann eben auch gemeinsame Regeln und offene Kommunikation, damit Probleme konstruktiv gelöst werden können.
Nicht zu kommunizieren, passiert ja oft unbewusst.
Alexander Tiesenhausen: Ja, häufig sind es alte Schutzstrategien, die nicht mehr hilfreich sind. Diese Strategien stammen oft aus der Kindheit, wo sie vielleicht nützlich waren, weil kein Platz für offene Kommunikation oder die eigenen Bedürfnisse war. Als Erwachsene verhindern diese Muster jedoch oft erfüllte Beziehungen.
Wie verändert man solche tief verankerten Muster?
Caroline Hehenberger: Vor allem in Stresssituationen greifen wir unbewusst auf alte Muster zurück. Wichtig ist, sich selbst zu reflektieren und zu kommunizieren, was in einem vorgegangen ist. Dabei sollte man sich bewusst machen, was die eigenen Triggerpunkte sind.
Alexander Tiesenhausen: In diesen Prozess kann man den Partner einbeziehen und ihm mitteilen, worüber man gerade nachdenkt. Wenn man alles mit sich allein ausmacht, bleibt wenig Raum für den Partner.
Viele Muster sind gesellschaftlich akzeptiert, wie zum Beispiel ein großer Altersunterschied zwischen Mann und Frau. Das spricht aber ja nicht immer für eine gesunde Beziehung?
Alexander Tiesenhausen: Altersdifferenzen sind in Ordnung, wenn man sich seiner Motive bewusst ist und es keine problematischen Macht-Dynamiken gibt. Es gibt jedoch gesellschaftliche Gegebenheiten, die man nicht außer Acht lassen darf: Für viele Männer ist eine junge Frau eine Trophäe, vergleichbar mit einem schönen Auto. Und oft wird dieses Verhalten vom Umfeld unterstützt, auch wenn es nicht wirklich cool ist. Manche Männer brauchen dieses Machtgefälle oder das Gefühl, der Starke zu sein.
Selbstakzeptanz und Selbstwert sehen Sie neben den eigenen Mustern als wichtigsten Faktor. Warum führt man dadurch gesündere Beziehungen?
Caroline Hehenberger: Ein hoher Selbstwert trägt dazu bei, dass wir uns selbst liebevoller behandeln und das auch von anderen erwarten. Menschen mit einem hohen Selbstwert fällt es leichter, für das einzustehen, was sie sich wünschen und brauchen und bleiben seltener in Beziehungen, die ihnen nicht guttun.
Was ist das Wichtigste, worauf jemand achten sollte, wenn er seine Beziehungen verändern möchte?
Alexander Tiesenhausen: Unsere wichtigste Botschaft ist, sich bewusst zu machen, dass man Einfluss hat. Es ist nicht nur Pech, oder die Schuld der anderen – man hat eine Mitverantwortung für sein Beziehungsglück. Viele Menschen drücken sich davor, diese Verantwortung anzunehmen, obwohl es sehr befreiend ist zu erkennen, dass man die Macht, etwas zu verändern, selbst in der Hand hat. Denn letztendlich können nur wir selbst unser Leben so gestalten, wie wir es uns wünschen.
Zu den Autoren
Leben
Caroline Hehenberger hat Psychologie studiert und einige Weiterbildungen im Bereich systemisches Coaching und Sexualberatung absolviert. Alexander Tiesenhausen ist Psychologe und Sportwissenschaftler, sein Fokus liegt auf Beziehungen und Selbstwert. Sie leben beide in Österreich.
Buch
Ihr Buch „Vom Dating-Frust zur glücklichen Beziehung – wie du deine Muster durchbrichst und die Kontrolle über dein Liebesleben zurückgewinnst“ enthält Tipps dazu, wie man seine Muster erkennt, was man sich in einer Beziehung wünscht sowie eine Anleitung, um mehr Selbstbewusstsein zu gewinnen. Das Buch ist bei Nymphenburger (Kosmos) erschienen. (nay)