Seit Jahren strömen die Zuschauer und fließen die TV-Gelder: Die Bundesliga boomt. Da kommt der deutsche WM-Titel natürlich gerade recht, um einen neuen Schub zu prognostizieren. Doch in der internationalen Wahrnehmung ist noch Luft nach oben.

Stuttgart - Die Bundesliga boomt. Es ist sogar ein Dauerboom, denn seit Jahren strömen die Zuschauer, fließen die TV-Gelder und sprudeln die Marketingideen, wie der Ligabetrieb noch besser in Szene zu setzen ist. Da kommt der WM-Titel der Deutschen Fußball-Liga (DFL) natürlich gerade recht, um einen neuen Schub zu prognostizieren.

 

Das ist zumindest die rosige Innensicht der Liga, wenn am Freitagabend im Spiel zwischen dem FC Bayern und dem VfL Wolfsburg der Anpfiff zur 52. Bundesligasaison ertönt (20.30 Uhr/ARD). Doch wie sieht der Blick von außen aus? Wie werden das Land, die Liga des Weltmeisters in Spanien, England und Italien wahrgenommen?

Tatsächlich stößt das Wachstum der Bundesliga an Grenzen

Drei Autoren aus den wichtigsten europäischen Fußballländern sind dieser Kernfrage nachgegangen, um festzustellen, ob die Primera Division, die Premier League, die Serie A oder die Bundesliga die Bühne der Besten darstellt. Die Antwort: jede Liga beansprucht für sich und auf ihre Weise etwas Besonderes zu sein. Die anderen? Sind auch gut, aber eben nur bedingt.

Tatsächlich stößt auch das Wachstum der Bundesliga an Grenzen – an Ländergrenzen. Denn außerhalb Deutschlands wird die hiesige Eliteklasse sportlich vor allem über den FC Bayern und Borussia Dortmund registriert. Mit dem Höhepunkt im Champions-League-Finale 2013.

Mehr als 800 Millionen Euro kassiert die Premier League jährlich

Doch die Spanier konterten die angebliche deutsche Dominanz im europäischen Clubfußball mit dem Madrider Stadtderby Real gegen Atletico nur ein Jahr später. Die Italiener finden sich schon länger wieder sexy. Und die Engländer gehen ohnehin davon aus, am attraktivsten zu sein. Was sich zumindest durch ihre Auslandsvermarktung belegen lässt. Mehr als 800 Millionen Euro kassiert die Premier League jährlich. 72 Millionen erhält die DFL und hofft, das Doppelte zu erzielen, wenn 2015 die Rechte neu vergeben werden. Der Weg zur Weltmarke ist für die Bundesliga noch weit.

Spanien: Ein Pool für billige Fußballer

Stuttgart - Die Bundesliga hat es in Spanien nie leicht gehabt. Aus sprachlichen und kulturellen Gründen fühlt man sich der italienischen Liga näher, für England sprechen Tradition, Glamour und neuerdings die hohe Anzahl spanischer Profis. Insofern bot die vergangene Saison eine historische Chance für den deutschen Clubfußball.

München und Dortmund hatten im Champions-League-Halbfinale den FC Barcelona und Real Madrid eliminiert – der Höhepunkt eines von Fachleuten schon länger registrierten Aufstiegs. Schon seit der Ära Louis van Gaal Ende der 90er-Jahre in Barcelona wurden die Bayern genauer unter die Lupe genommen. Aufmerksam verfolgten viele Spanier auch die Figur Jürgen Klopp, seine Aufbauarbeit in Dortmund und die Vitalität des BVB-Fußballs. Die vollen Stadien und gesunden Strukturen hielten den maroden Rahmenbedingungen der eigenen Liga den Spiegel vor.

Ihre große Chance jedoch verspielte die Bundesliga vorige Saison

Und nun wechselte auch noch Pep Guardiola in das gelobte Land. Über den in Katalonien verehrten, in Madrid beargwöhnten Trainer schien die Bundesliga nicht mehr nur die Vernunft anzusprechen, sondern auch die Emotionen. Wie so oft in Spanien entwickelte sich eine Betrachtung entlang der Rivalität zwischen Real und Barça. Wegen Guardiola hält man es dort tendenziell mit den Bayern, in der Hauptstadt dagegen umso mehr mit dem BVB. Auch dessen jüngster Supercup-Triumph wurde in der Madrider Presse freudig begrüßt.

Ihre große Chance jedoch verspielte die Bundesliga vorige Saison. Die Hilf- und Wehrlosigkeit, mit der sich die meisten Gegner den Bayern ergaben, überbot noch das, was die Spanier durch die Dominanz von Real und Barça gewohnt waren. Dazu pulverisierten die Ergebnisse im Europapokal jede Vermutung, die Bundesliga bewege sich auf dem Niveau der Primera División oder gar darüber. Reals 6:0 bei Schalke 04 im Champions-League-Achtelfinale kratzte schwer am Image des deutschen Clubfußballs. Das 4:0 im Halbfinale bei den Bayern demolierte es schwer.

Bundesliga wird weiterhin als Pool für exzellente und vergleichsweise billige Fußballer angesehen

Die Spanier sind es aus ihrer eigenen, mit der Nationalelf lange wenig erfolgreichen Geschichte gewohnt, Club- und Länderfußball zu trennen. Insofern dürfte der wohlwollend begleitete WM-Triumph der Deutschen wenig Einfluss auf das Standing der Bundesliga haben. Diese wird weiterhin als Pool für exzellente und vergleichsweise billige Fußballer angesehen – und als nette Zusatzhandlung im großen Drama zwischen Real und Barça. Ein nachhaltigeres Interesse muss sie sich nach der enttäuschenden Vorsaison jedoch erst wieder erarbeiten.

Großbritannien: Eine Art Disney-Liga

Stuttgart - Als Roy Hodgsons Spieler die Weltmeisterschaft in Brasilien dieses Jahr schon wieder verlassen mussten, bevor sie überhaupt richtig ausgepackt hatten, starteten viele englische Medien Umfragen. Sie wollten wissen, wen die englischen Fans für den Rest des Turniers unterstützen. Die meisten stimmten für Deutschland. Das hatte wahrscheinlich zwei Gründe. Sie bewunderten Joachim Löws Team. Aber sie erkannten im so genannten Mutterland des Fußballs auch, dass die Bundesliga es geschafft hat, einen Teil der Essenz dieses Sports zu bewahren, die England allmählich verliert.

Das wurde zuletzt immer dann klar, wenn Bundesliga-Teams auf Premier-League-Mannschaften trafen: Die deutschen Fans waren lauter, bunter und fröhlicher als ihre englischen Gegenüber. Offensichtlich ist die Beziehung zu ihren Clubs besser gepflegt worden. Die Premier League hat den englischen Clubs großen Wohlstand gebracht, den Fans aber monströse Eintrittspreise. Eine Generation von Fans zwischen 18 und 28 wurde so den Stadien entfremdet.

Natürlich weiß jeder, dass Bayern München eine Ausnahme ist

Es gibt also Bewunderung für Deutschland. Es gibt aber auch Mitleid. Auch wenn sich englische Fans gegen ungezügelten Materialismus aussprechen, so verstehen viele die Welt dennoch als eine vom Geld geprägte Welt. Sie glauben, dass ein guter Bundesliga-Spieler, wenn er wirklich gut wäre, in der Premier-League spielen würde – oder es zumindest bald tun wird. Die Bundesliga wird eingestuft wie eine Art Disney-Liga: macht Spaß, hat aber keine Substanz. Das ist das doppelte Denken, das die Premier League erzeugt hat.

Natürlich weiß jeder, dass Bayern München eine Ausnahme ist, Borussia Dortmund ebenso, aber in geringerem Ausmaß. Hier liegt ein zweiter Grund für das englische Mitleid mit den Bundesligafans: die Bayern-Dominanz wird als erniedrigend betrachtet, die Bundesliga ähnelt darin der schottischen Liga. Wenn das schlechteste Manchester-United-Team der jüngeren Geschichte 5:0 gegen Bayer Leverkusen gewinnt, so wie David Moyes‘ Team in der vergangenen Saison, fällt es vielen schwer, die Bundesliga ernst zu nehmen. Selbst dann, wenn deutsche Clubs in der Europa League gut spielen, bekommen das die englischen Fans nicht mit, da sie diesem Wettbewerb so wenig Aufmerksamkeit schenken wie die englischen Topvereine. Jeder englische Fan weiß, dass es große deutsche Clubs jenseits von Bayern und Dortmund gibt. Aber nur wenige kennen die Spieler von Hamburg, Stuttgart, Werder Bremen und den anderen Vereinen wirklich.

Bundesligaspiele wurden in Großbritannien in den letzten Jahren live gezeigt, viele Leute schalteten ein, weil die deutsche Betonung des Angriffsfußballs eine amüsante Zerstreuung darstellt, etwa so, wie wenn man vom Hochgeschwindigkeitszug aus die Natur betrachtet. Viele englische Fans würde gern ein Spiel live erleben, doch werden sich die meisten nicht intensiver dafür interessieren – solange, bis sich mehr Mannschaften den nationalen Titel streitig machen können oder gleich mehrere Teams echte Champions-League-Gewichte werden.

Italien: Willkommen im Vier-Sterne-Club

Nach dem kläglichen Ausscheiden der Azzurri in der Vorrunde der Weltmeisterschaft in Brasilien prognostizierten die italienischen Medien, nun seien die Deutschen reif für den Titel. Denn nur allzu oft waren es ja die Italiener gewesen, welche die Kicker des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) in Europameisterschaft- oder WM-Endrunden aus dem Turnier geworfen hatten. In bester Erinnerung, aus italienischer Sicht, ist beispielsweise das WM-Halbfinale von 2006, als die Squadra Azzurra Gastgeber Deutschland in Dortmund mit 2:0 besiegte – und sich danach im Finale von Berlin den vierten WM-Titel sicherte.

Nun haben die Deutschen bezüglich der Anzahl von WM-Sternen auf dem Nationaltrikot gleichgezogen. Das sagt im Grunde schon alles. Der vierte Titel der Spieler des DFB-Teams wurde in Italien zwar einmütig als hochverdient bezeichnet: Sie sind aktuell die Besten. Aber absolut und fußballhistorisch gesehen befindet man sich jetzt einfach auf Augenhöhe: Deutschland ist, wie man selber, nun ebenfalls vierfacher Weltmeister.

Spieler wie Karl-Heinz Rummenigge oder Lothar Matthäus haben zur Wertschätzung beigetragen

Der deutsche Fußball hat in Italien schon vor dem WM-Triumph in Brasilien großen Respekt genossen. Mit Real Madrid, dem FC Barcelona und Manchester United mag es zwar auch in anderen Ligen Vereine mit klingenden Namen geben – aber insgesamt werden der FC Bayern München und die Bundesliga als stärkste Konkurrenten der (einst) „schönsten Liga der Welt“ betrachtet. Vor WM- und EM-Endrunden werden die Deutschen in Italien regelmäßig zu den Top-Favoriten gezählt – im Unterschied zu den Azzurri, denen im eigenen Land oft wenig Kredit gegeben wird.

Einen großen Teil zur Wertschätzung haben zahlreiche deutsche Fußball-Söldner in Italien beigetragen. Spieler wie Karl-Heinz Rummenigge, Lothar Matthäus (beide Inter Mailand) oder Rudi Völler (AS Rom) verkörperten klassische deutsche Tugenden wie Kampfwille, Disziplin und Fairness – und wurden dafür von den Fans bewundert. Umgekehrt erleben Spieler wie Miroslav Klose, die in Deutschland bereits abgeschrieben waren, in Italien ihren dritten oder vierten Frühling. Kloses historisches 16. Tor an einer WM-Endrunde wurde an seiner derzeitigen Wirkungsstätte Rom mindestens so ausgiebig gefeiert wie in der Heimat; der erfolgreichste WM-Torschütze aller Zeiten hat bei den Lazio-Rom-Fans den Status eines Fußball-Halbgottes erreicht.