Die Welt ist heillos und verworren, doch das Staatsministerium von Ministerpräsident Winfried Kretschmann will Orientierung bieten. Dazu braucht es nur ein Narrativ.

Stuttgart - Ministerpräsident Winfried Kretschmann lässt oft und gern wissen, dass die Wahrheit in den Tatsachen zu suchen sei. Tatsächlich kann man das nicht oft genug sagen in dieser Zeit, in der das Ressentiment das Argument verdrängt. Doch erfreulicherweise existieren immer noch ganze Ozeane voller Fakten. Dazu gehört der Landeshaushalt, der Baden-Württemberg in abstrakte Zahlen und nackte Chiffren gießt. Regierungspolitik manifestiert sich in langen Zifferkolonnen, die der Interpretation harren. Das dachte sich Staatssekretär Florian Stegmann, der Amtschef des Staatsministeriums, als er für Donnerstagabend seine Kollegen aus den grünen Ressorts zu einem „MD-Kamin“ einlud (MD steht für Ministerialdirektor). Es gelte einen „strategischen Blick“ auf den anstehenden Landesetat 2020/2021 zu werfen. Die grünen Häuser sollten je drei Schwerpunkte benennen. „Darauf aufbauend würde ich gerne mit Euch diskutieren, welche Narrative wir daraus entwickeln können. Insbesondere möchte ich gerne prüfen, wie ‚Innovation’ als tragfähiges Leitmotiv für den Haushalt ausbuchstabiert werden kann.“ Narrative (von lateinisch narrare = erzählen) sind ja seit geraumer Zeit sehr gefragt in dieser verworrenen, heillosen, nach Deutung lechzenden Welt. Da ist es tröstlich, wenn die Regierung die Bürger an die Hand nimmt und mit einem sinnstiftenden Narrativ in eine innovative Zukunft führt. Sie darf nur nicht die Story vom Pferd erzählen.

 

Leider nahm Stegmann am Donnerstagmittag ganz kurzfristig die Tagesordnung zurück. Da sei etwas „völlig durcheinander geraten“, vermeldete er in einem zweiten, diesmal auch an die CDU-Amtschefs gerichtete Schreiben. Über den Doppelhaushalt wolle man später reden, nach den Beratungen der Koalitionsspitze Mitte Februar, dann aber offenkundig gemeinsam. An dem Treffen am Abend hielt Stegmann fest: „Nachdem unser Koch für heute schon eingekauft und vorbereitet hat, würde ich den MD-Kamin gerne aufrecht erhalten, aber ohne Tagesordnung!“ Bleibt zu hoffen, dass das Essen auch für die so plötzlich hinzugebetenen CDU-Ministerialdirektoren reichte. „Themen haben wir ja genug zu besprechen“, schrieb Stegmann. Vielleicht sogar eine narrativ verwertbare Innovation?